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Wichtigste Punkte
  • Scheinselbstständigkeit betrifft Freelancer in tatsächlicher Arbeitnehmer-Eingliederung ohne Arbeitsvertrag und ohne Sozialversicherungsabgaben.
  • Kriterien sind u.a. Weisungsgebundenheit, Eingliederung in die Arbeitsorganisation, keine eigenen Mitarbeiter und kein Unternehmer-Risiko.
  • Feststellung führt zu rückwirkenden Nachzahlungen von Sozialabgaben, Steuern sowie möglichen Bußgeldern und Strafverfahren.
  • Unter Scheinselbstständigen könnten Ansprüche wie Urlaubsanspruch und Kündigungsschutz geltend gemacht werden, falls ein Arbeitsverhältnis bejaht wird.
  • Startups sollten präzise Verträge und Handhabungen schaffen, um Scheinselbstständigkeit zu vermeiden.
  • Der Freelancer sollte eigene Betriebsmittel einbringen, Arbeitszeit und -ort frei bestimmen und unternehmerisches Risiko tragen.
  • Vertragsgestaltung, korrekte Praxis und Statusprüfungen sind essenziell, um rechtliche Probleme zu umgehen.

Wichtigste Punkte

  • Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn eine als freier Mitarbeiter oder Freelancer tätige Person nach den tatsächlichen Arbeitsbedingungen wie ein Arbeitnehmer in den Betrieb eingegliedert ist, jedoch ohne Arbeitsvertrag und ohne Abfuhr von Sozialversicherungsbeiträgen beschäftigt wird.

  • Die Kriterien für Scheinselbstständigkeit sind u.a.: Weisungsgebundenheit, Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers, keine eigenen Mitarbeiter oder Unternehmerrisiko, im Wesentlichen nur ein Auftraggeber.

  • Wird Scheinselbstständigkeit festgestellt, drohen dem Auftraggeber rückwirkend Nachzahlung von Sozialabgaben (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) sowie Steuern; ggf. können Bußgelder und Strafverfahren wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen folgen.

  • Scheinselbstständige selbst können Ansprüche wie ein Arbeitnehmer geltend machen (Urlaubsanspruch, Kündigungsschutz etc.), wenn ein Arbeitsverhältnis bejaht wird.

  • Startups müssen bei der Beauftragung von Freelancern vorsichtig sein: Eine präzise Vertragsgestaltung und faktische Handhabung (kein vollzeitiger Einsatz wie bei Angestellten, Freiheit in Arbeitszeit/-ort, mehrere Auftraggeber) helfen, Scheinselbstständigkeit zu vermeiden.

Abgrenzung freier Mitarbeiter vs. Arbeitnehmer

In jungen Unternehmen ist es verbreitet, zunächst Freelancer oder freie Mitarbeiter zu engagieren, statt sofort feste Arbeitsverträge zu schließen. Damit ein Auftragnehmer aber tatsächlich selbstständig tätig ist, muss er eine eigene Unternehmertätigkeit entfalten. Das bedeutet:

  • Er bringt im Idealfall eigene Betriebsmittel ein,

  • kann seine Arbeitszeit und den Arbeitsort frei bestimmen,

  • ist nicht in die interne Organisation des Auftraggebers eingegliedert (kein fester Platz im Büro, keine Aufnahme in Dienstpläne oder Hierarchien),

  • und trägt ein unternehmerisches Risiko (z.B. Vergütung nach Ergebnis, Möglichkeit, auch Verlust zu machen, eigene Werbung am Markt).

Ein Arbeitnehmer hingegen ist persönlich abhängig: er schuldet dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft, muss Weisungen Folge leisten, hat feste Arbeitszeiten/-orte und bekommt unabhängig vom Erfolg der Arbeit seinen Lohn. Die Bezeichnung im Vertrag oder die Abrechnung auf Honorarbasis allein sind nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung.

Kriterien für Scheinselbstständigkeit

Die Deutsche Rentenversicherung und Gerichte prüfen bei Verdacht auf Scheinselbstständigkeit diverse Merkmale:

  • Weisungsgebundenheit: Erhält der Freelancer detaillierte Anweisungen zu Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Arbeit wie ein Angestellter?

  • Eingliederung: Nimmt der freie Mitarbeiter an Teamsitzungen teil, nutzt interne Systeme (wie Mitarbeiter), tritt nach außen wie ein Mitarbeiter des Unternehmens auf (Visitenkarte, Firmen-E-Mail)?

  • Arbeitszeit: Muss der Betroffene feste Zeiten einhalten oder verfügt er frei über seine Zeiteinteilung?

  • Arbeitsmittel: Stellt der Auftraggeber die wesentlichen Arbeitsmittel (Laptop, Software, Büro)?

  • Dauer und Umfang der Tätigkeit: Arbeitet die Person über längere Zeit ausschließlich oder überwiegend für einen Auftraggeber (indizienhaft: >5/6 des Umsatzes mit einem Kunden)?

  • Keine eigenen Mitarbeiter: Hat der angeblich Selbständige keine Angestellten und tritt allein auf?

  • Kein eigenes Auftreten am Markt: Fehlen eigene Werbung, Webpräsenz, mehrere Kunden?

Kein einzelnes Kriterium ist absolut; es erfolgt eine Gesamtbetrachtung. Allerdings gilt beispielsweise im Sozialversicherungsrecht eine Vermutung der Scheinselbstständigkeit, wenn jemand auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist und keine Mitarbeiter beschäftigt.

Rechtsfolgen bei Feststellung

Wird ein freier Mitarbeiter als Scheinselbstständiger eingestuft, hat das erhebliche Konsequenzen:

  • Sozialabgaben-Nachzahlung: Der Auftraggeber muss für die gesamte Beschäftigungsdauer die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen (Kranken-, Renten-, Pflege-, Arbeitslosenversicherung), sowohl den Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmeranteil, zzgl. Zinsen. Eine Rückabwicklung mit dem Mitarbeiter (z.B. dessen Anteil vom Honorar abziehen) ist für die Vergangenheit meist nicht möglich.

  • Strafrechtliche Verantwortung: Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen kann nach § 266a StGB als Straftat geahndet werden, wenn vorsätzlich gehandelt wurde.

  • Bußgelder: Auch Ordnungswidrigkeitenverfahren mit empfindlichen Geldbußen sind möglich.

  • Arbeitsrechtliche Ansprüche: Der vormals „Freelancer“ könnte plötzlich Arbeitnehmerrechte geltend machen, z.B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlten Urlaub, Beteiligung an betrieblichen Sozialsystemen und ggf. Kündigungsschutz. Ein ungeplanter Personalaufbau mit Rückwirkung kann für ein Startup problematisch sein.

Praxistipps zur Vermeidung

Um Scheinselbstständigkeit zu vermeiden, sollten Startups einige Grundsätze beachten:

  • Vertragsgestaltung: Der Vertrag mit freien Mitarbeitern sollte klar als Dienstleistungsvertrag formuliert sein, ohne typische Arbeitsvertragsklauseln. Keine Formulierungen, die auf Weisungsunterworfenheit hindeuten; stattdessen Vereinbarung von Leistungspaketen oder Projektergebnissen.

  • Einsatz in der Praxis: Den Freelancer nicht wie einen internen Mitarbeiter behandeln. Keine festen Arbeitszeiten vorschreiben, kein Urlaubsantragssystem, nach Möglichkeit keine Firmen-E-Mail-Adresse. Kommunikation eher ergebnisorientiert als minutengenau steuern.

  • Mehrere Auftraggeber: Im Interesse des Selbständigen ist es sinnvoll, mehrere Kunden zu haben. Als Auftraggeber kann man dies fördern, indem man keine Vollauslastung für einen Freelancer plant, sondern Teilzeitprojekte vergibt.

  • Statusprüfung: Im Zweifelsfall kann bei der Deutschen Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren beantragt werden, um Klarheit zu erlangen.

Indem Startups diese Punkte berücksichtigen, können sie flexible Mitarbeit in Form von Freelancern nutzen, ohne unnötige Risiken einer nachträglichen Umqualifizierung in ein Arbeitsverhältnis einzugehen.

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