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Streitgenossenschaft / Streitgenosse / Streitverkündung

Definition und rechtliche Grundlagen:

Die Streitgenossenschaft ist ein prozessrechtliches Institut, bei dem mehrere Personen gemeinsam als Kläger oder Beklagte in einem Zivilprozess auftreten. Die rechtlichen Grundlagen finden sich in den §§ 59-63 der Zivilprozessordnung (ZPO). Streitgenossen sind demnach die Personen, die gemeinsam klagen oder verklagt werden. Die Streitverkündung hingegen ist ein separates Rechtsinstitut, geregelt in §§ 72-74 ZPO, das es einer Prozesspartei ermöglicht, einen Dritten über den anhängigen Rechtsstreit zu informieren und in das Verfahren einzubeziehen.

Arten der Streitgenossenschaft:

1. Einfache Streitgenossenschaft (§§ 59, 60 ZPO):
– Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinsam klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn ihre Rechte oder Pflichten auf demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhen.
– Jeder Streitgenosse führt seinen Prozess grundsätzlich selbständig.

2. Notwendige Streitgenossenschaft (§ 62 ZPO):
– Liegt vor, wenn das streitige Rechtsverhältnis allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann oder wenn die Streitgenossenschaft aus anderen Gründen notwendig ist.
– Die Wirkungen von Prozesshandlungen erstrecken sich auf alle notwendigen Streitgenossen.

Voraussetzungen und Wirkungen:

Für eine Streitgenossenschaft müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
– Mehrere Personen auf Kläger- oder Beklagtenseite
– Sachlicher Zusammenhang zwischen den Ansprüchen oder Verpflichtungen
– Bei notwendiger Streitgenossenschaft: Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung

Die Wirkungen der Streitgenossenschaft sind:
– Prozessökonomie durch Bündelung ähnlicher Rechtsstreitigkeiten
– Bei einfacher Streitgenossenschaft: Grundsätzlich selbständige Prozessführung jedes Streitgenossen
– Bei notwendiger Streitgenossenschaft: Einheitliche Entscheidung für alle Streitgenossen

Streitverkündung:

Die Streitverkündung ist ein eigenständiges prozessuales Instrument:
– Eine Prozesspartei kann einem Dritten den Streit verkünden, wenn sie für den Fall des Unterliegens einen Anspruch gegen den Dritten geltend machen kann oder einen Anspruch des Dritten befürchtet (§ 72 ZPO).
– Der Streitverkündete kann dem Rechtsstreit beitreten (§ 74 ZPO).
– Die Streitverkündung dient der Bindungswirkung im Folgeprozess (§ 68 ZPO).

Praktische Bedeutung:

Die Streitgenossenschaft hat in verschiedenen Rechtsgebieten praktische Relevanz:
– Im Gesellschaftsrecht bei Klagen von oder gegen mehrere Gesellschafter
– Im Mietrecht bei Klagen von oder gegen mehrere Mieter oder Vermieter
– Im Deliktsrecht bei Ansprüchen gegen mehrere Schädiger
– Im Baurecht bei Mängelansprüchen gegen mehrere am Bau Beteiligte

Die Streitverkündung ist besonders relevant:
– Im Gewährleistungsrecht zur Einbeziehung von Lieferanten oder Subunternehmern
– Bei Regressansprüchen zur Sicherung von Ansprüchen gegen Dritte
– Im Versicherungsrecht zur Einbeziehung von Versicherern

Prozessuale Besonderheiten:

– Bei der einfachen Streitgenossenschaft können die Prozesse der einzelnen Streitgenossen unterschiedlich verlaufen und enden.
– Bei der notwendigen Streitgenossenschaft muss das Gericht eine einheitliche Entscheidung für alle Streitgenossen treffen.
– Die Streitverkündung führt nicht zu einer Parteierweiterung, sondern ermöglicht dem Streitverkündeten lediglich den Beitritt als Nebenintervenient.

Abgrenzung und verwandte Rechtsinstitute:

– Die Streitgenossenschaft ist von der Nebenintervention (§§ 66 ff. ZPO) abzugrenzen, bei der ein Dritter einer Partei beitritt, ohne selbst Partei zu werden.
– Die Streitverkündung unterscheidet sich von der Beiladung im Verwaltungsprozess (§ 65 VwGO), die eine ähnliche Funktion im öffentlichen Recht erfüllt.

Aktuelle Entwicklungen und Rechtsprechung:

– Die Rechtsprechung entwickelt die Anwendungsbereiche der notwendigen Streitgenossenschaft stetig weiter, insbesondere im Gesellschafts- und Erbrecht.
– Im Kontext von Massenverfahren (z.B. Diesel-Skandal) gewinnt die Streitgenossenschaft an Bedeutung für die effiziente Prozessführung.
– Die Streitverkündung wird zunehmend als Instrument zur Prozessvorbereitung und Beweissicherung genutzt.

Zusammenfassend sind Streitgenossenschaft und Streitverkündung wichtige prozessuale Instrumente, die eine effiziente Rechtsdurchsetzung und -verteidigung ermöglichen. Sie tragen zur Prozessökonomie bei und helfen, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Ihre korrekte Anwendung erfordert eine sorgfältige Analyse der Prozesssituation und der materiell-rechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten.

 

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