Influencer-Marketing ist aus der modernen Werbung nicht mehr wegzudenken. Influencer empfehlen auf Social Media Plattformen Produkte und Dienstleistungen aller Art – von Kosmetik und Mode über Nahrungsergänzungsmittel bis hin zu Kryptowährungen. Doch was passiert, wenn sich ein beworbenes Produkt als Betrugsmodell entpuppt, etwa ein Fake-Crypto-Token ohne Wert oder ein unseriöses Diätprodukt mit falschen Versprechungen? In solchen Fällen stellt sich die Frage nach der Haftung: Können geschädigte Follower oder Kunden den Influencer auf Schadenersatz in Anspruch nehmen? Haften auch die Agenturen oder Unternehmen im Hintergrund, die die Kampagne organisiert haben?
Dieser Beitrag beleuchtet umfassend die rechtlichen Grundlagen in Deutschland zur Haftung von Influencern und Agenturen für beworbene Produkte. Dabei werden das deutsche Zivilrecht (insbesondere Delikts- und Vertragsrecht), das Wettbewerbsrecht – vor allem das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) – sowie medienrechtliche Pflichten (z.B. nach dem Medienstaatsvertrag) analysiert. Aktuelle Schleichwerbung-Urteile und andere wichtige Entscheidungen der Rechtsprechung werden herangezogen, um den Status quo zu verdeutlichen.
Zudem betrachten wir, wie Influencer sich vertraglich absichern können (Stichwort Haftungsfreistellung im Kooperationsvertrag), welche Prüfpflichten sie bei der Auswahl von Sponsoren und Produkten treffen sollten und welche Versicherungen – insbesondere die Berufshaftpflicht für Influencer – entsprechende Risiken abdecken. Abschließend wird die neue europäische Verbandsklage-Richtlinie (seit 2023/2024 in deutsches Recht umgesetzt) einbezogen. Ein kurzer Vergleich mit Sammelklagen in den USA dient als Maßstab dafür, welchem Haftungsdruck Influencer und Unternehmen andernorts ausgesetzt sind.
Zivilrechtliche Haftung von Influencern: Vertrags- und Deliktsrecht
Aus zivilrechtlicher Sicht sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Vertragliche Haftung einerseits und deliktische (außervertragliche) Haftung andererseits. Beide könnten im Verhältnis zwischen Influencern und Dritten (Followern, Kunden) relevant werden, wenn durch eine Produktempfehlung ein Schaden entsteht.
1. Keine unmittelbare Vertragsbeziehung zum Follower: In der Regel besteht zwischen Influencern und ihren Followern kein direkter Vertrag. Wenn ein Zuschauer aufgrund einer Instagram-Story ein Produkt kauft, kommt der Kaufvertrag zwischen dem Follower und dem Hersteller/Shop des Produkts zustande – nicht zwischen Follower und Influencer. Daher kann der enttäuschte Käufer seine vertraglichen Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche grundsätzlich nur gegen das verkaufende Unternehmen richten, nicht gegen den werbenden Influencer. Auch ein Beratervertrag oder Auskunftsvertrag zwischen Influencer und Follower kommt durch bloßes Konsumieren der Inhalte normalerweise nicht zustande. Influencer geben meist allgemeine Empfehlungen, ohne individuelle Beratungssituation. Folglich scheidet eine vertragliche Haftung des Influencers gegenüber dem Endverbraucher in aller Regel aus.
2. Haftung aus Vertrag mit dem werbenden Unternehmen: Zwar besteht typischerweise ein Kooperationsvertrag zwischen Influencer und dem werbenden Unternehmen oder dessen Agentur. Darin verpflichtet sich der Influencer, bestimmte Inhalte zu posten, und erhält dafür eine Vergütung oder Sachleistung. Dieser Vertrag begründet jedoch Pflichten im Innenverhältnis (zwischen Influencer und Auftraggeber). Verletzt der Influencer seine vertraglichen Pflichten – etwa indem er Posts nicht wie vereinbart absetzt oder gegen Auflagen verstößt – kann das Unternehmen ihn auf Erfüllung oder Schadensersatz in Anspruch nehmen. Umgekehrt kann der Influencer Ansprüche haben, z.B. auf Zahlung der Vergütung. Dritte (Follower) können aus diesem Vertrag aber keine direkten Rechte herleiten, es sei denn, es wäre ausnahmsweise ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vereinbart – was im Influencer-Marketing unüblich ist. Allerdings kann ein Vertrag zwischen Unternehmen und Influencer mittelbar wichtig werden: etwa, wenn dort Haftungsfreistellungen oder Garantien geregelt sind (dazu später mehr).
3. Deliktische Haftung für fehlerhafte Empfehlungen: Weitaus praxisrelevanter ist die Frage, ob Influencer deliktisch haften, wenn sie durch ihre Empfehlung bei Followern Schäden verursachen (z.B. finanzielle Verluste durch ein betrügerisches Investment oder Gesundheitsschäden durch ein gefährliches Diätmittel). Die deliktische Haftung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) erfordert grundsätzlich, dass der Schädiger gegen ein gesetzlich geschütztes Rechtsgut oder ein Schutzgesetz verstößt:
- § 823 Abs. 1 BGB: schützt Leben, Körper, Gesundheit, Eigentum u.a. absolute Rechte. Ein Influencer, der bspw. ein gesundheitsgefährdendes Produkt (etwa ein verbotenen „Fatburner“) anpreist, könnte die Gesundheit seiner Follower gefährden. Erleidet jemand dadurch einen konkreten Schaden (z.B. Vergiftung), käme eine Haftung aus § 823 Abs.1 BGB in Betracht. Allerdings müsste man dem Influencer eine Verletzung der Verkehrspflichten nachweisen, also dass er fahrlässig die Gefahr geschaffen hat – z.B. weil das Produkt offensichtlich unsicher war und er es dennoch angepriesen hat. Reine Vermögensschäden (wie der Verlust des investierten Geldes bei einem Fake-Coin) sind von § 823 Abs.1 BGB nicht erfasst, da Geldverlust für sich genommen kein „Eigentumsschaden“ im deliktsrechtlichen Sinne ist, solange nicht ein sonstiges Recht verletzt wurde.
- § 823 Abs. 2 BGB: Hier haftet derjenige, der gegen ein Schutzgesetz verstößt. Ein Schutzgesetz ist eine Rechtsnorm, die gerade dem Schutz des Geschädigten dient. In Betracht kommen z.B. Vorschriften des Strafgesetzbuchs oder speziellen Verbraucherschutzgesetzen. Betrug (§ 263 StGB) ist ein solches Schutzgesetz – es schützt das Vermögen vor Täuschung. Wenn ein Influencer wissentlich falsche Tatsachen behauptet, um seinen Followern Geld für ein wertloses Produkt abzuluchsen, kann das den Tatbestand des Betrugs erfüllen. Beispiel: Ein Influencer wirbt für einen Kryptowährungs-Token und behauptet, es handele sich um eine sichere Wertanlage mit garantierter Verdoppelung des Einsatzes, obwohl er weiß, dass das Projekt ein Schneeballsystem ist. Führen seine Follower auf diese Weise getäuscht finanzielle Transaktionen durch, könnte der Influencer sich strafbar machen und zivilrechtlich nach § 823 Abs.2 BGB haften (wegen Verstoßes gegen § 263 StGB als Schutzgesetz). Ähnlich könnten Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Verbote oder das Arzneimittelgesetz (bei verbotenen Diätpillen) als Schutzgesetze herangezogen werden. Allerdings ist die Hürde hoch: Der Influencer muss zumindest grob fahrlässig gehandelt haben, besser noch vorsätzlich, damit ein solcher deliktischer Anspruch greift.
- § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung): Diese Norm greift, wenn jemand einem anderen vorsätzlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zufügt. Sollte ein Influencer aktiv an einem Betrug oder einer arglistigen Täuschung mitwirken – z.B. im Einvernehmen mit dem Produkthersteller Lügengeschichten verbreiten, um seine Fans zu schädigen – wäre dies wohl als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung zu werten. Dann könnte der Influencer nach § 826 BGB auf Schadensersatz haften. In der Praxis müsste den Influencer aber eine direkte Täuschungsabsicht nachgewiesen werden. Eine solche Haftung kommt insbesondere in Betracht, wenn Influencer quasi Komplizen eines Betrugssystems sind (etwa ein Lockvogel in einem Ponzi-Scheme).
4. Beweislast und Fahrlässigkeit: Für geschädigte Verbraucher ist es oft schwierig, einem Influencer ein ausreichendes Verschulden nachzuweisen. War der Influencer sich keiner Gefahr bewusst und hat das Produkt gutgläubig empfohlen, fehlt es an Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Dann scheiden Ansprüche aus § 823 Abs.2 oder § 826 BGB aus. Einfaches Nichtwissen schützt allerdings nicht in jedem Fall: Ein Influencer kann sich nicht blind auf die Angaben des Werbepartners verlassen, wenn diese offenkundig fragwürdig sind. Beispielsweise sollten extreme Heilsversprechen („10 Kilo in einer Woche abnehmen ohne Sport!“) oder unrealistische Renditeversprechen bei Finanzprodukten jeden vernünftigen Menschen stutzig machen. Influencer tragen eine gewisse Sorgfaltspflicht, Informationen vor der Weitergabe zu prüfen. Verletzen sie diese Sorgfaltspflicht schwer, ließe sich theoretisch auch Fahrlässigkeitshaftung konstruieren – praktisch wird dies jedoch mangels direkter Anspruchsgrundlage für reine Vermögensschäden schwierig, solange kein Schutzgesetz verletzt ist.
5. Zwischenergebnis Zivilrecht: Insgesamt ist eine direkte zivilrechtliche Haftung von Influencern gegenüber Verbrauchern in Deutschland nur in Ausnahmefällen durchsetzbar. In den meisten Fällen wird der geschädigte Kunde gegen den Hersteller/Dienstleister vorgehen müssen (Vertragspartner). Dennoch sollten Influencer das Risiko nicht unterschätzen: Wer grob fahrlässig oder sogar wissentlich ein betrügerisches Produkt bewirbt, kann sich erheblichen Schadensersatzforderungen ausgesetzt sehen – gerade bei großen Reichweiten summieren sich individuelle Schäden schnell zu hohen Streitwerten. Außerdem droht in gravierenden Fällen neben zivilen Ansprüchen auch strafrechtliche Verantwortung. Influencer sind rechtlich gesehen Unternehmer (BGH, Urteil vom 09.09.2021 – Influencer I) und können nicht erwarten, dass ihnen leichtfertiges Verhalten rechtlich nachgesehen wird. Daher ist es ratsam, schon präventiv sorgfältig zu arbeiten und die folgenden wettbewerbs- und medienrechtlichen Vorgaben strikt einzuhalten.
Wettbewerbsrechtliche Vorgaben: UWG, Irreführung und Schleichwerbung
Unabhängig von individuellen Schadenersatzklagen spielen im Influencer-Marketing das Lauterkeitsrecht und speziell das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) eine zentrale Rolle. Das UWG schützt zwar primär Mitbewerber und das faire Markteverhalten, aber letztlich auch Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken. Zwei Bereiche sind besonders relevant: Schleichwerbung (nicht gekennzeichnete Werbung) und irreführende Werbung (falsche oder täuschende Aussagen über Produkte).
1. Kennzeichnungspflicht und Schleichwerbung: Postet ein Influencer werbliche Inhalte, muss der kommerzielle Zweck für den Durchschnittsverbraucher klar erkennbar sein. Verborgene Werbung in scheinbar privaten oder redaktionellen Beiträgen wird als Schleichwerbung bezeichnet und ist unzulässig. Früher fand sich das Verbot in § 5a Abs.6 UWG (alter Fassung) i.V.m. dem sog. Trennungsgebot; heute ist es im UWG und auch medienrechtlich geregelt. Die „Schwarze Liste“ des UWG (Anhang zu § 3 Abs.3) nennt unter Nr. 11 als stets unlautere Handlung: „Redaktionelle Inhalte, die durch ein Unternehmen bezahlt wurden, ohne dass dies aus Inhalt oder Gestaltung klar erkenntlich wird“. Ein Influencer-Post, der eigentlich Werbung eines Dritten transportiert, aber nicht als Anzeige gekennzeichnet ist, erfüllt genau diesen Tatbestand.
Aktuelle Schleichwerbung-Urteile haben die Anforderungen konkretisiert. In den Jahren 2017–2019 urteilten einige Landgerichte (z.B. LG Berlin, LG Celle, LG Karlsruhe) uneinheitlich darüber, ob Influencer Posts ohne Bezahlung, aber mit Verlinkung von Marken, als Werbung kennzeichnen müssen. Teils wurde argumentiert, auch solche Postings dienten der Eigenwerbung des Influencers und der Anbahnung zukünftiger Kooperationen, weshalb Kennzeichnungspflicht bestehe. So nahm etwa das LG Heilbronn in einem Urteil vom 08.05.2018 (Az. 21 O 14/18 KfH) Schleichwerbung an, als eine Influencerin in Instagram-Fotos Marken verlinkte, ohne dafür bezahlt worden zu sein – Begründung: auch unbezahlte Tags fördern indirekt das eigene Geschäft des Influencers. Diese strenge Linie wurde nicht einheitlich geteilt.
Der Bundesgerichtshof hat dann im September 2021 in drei Grundsatzentscheidungen Klarheit geschaffen (Urteile v. 09.09.2021, Az. I ZR 90/20 – Influencer I; I ZR 125/20 – Influencer II; I ZR 126/20 – Fall „Plüschelefant“; sowie später I ZR 35/21 – Influencer III im Jan. 2022). Der BGH differenziert:
- Handelt der Influencer „geschäftlich zugunsten eines fremden Unternehmens“, also bewirbt er Produkte Dritter, besteht eine Kennzeichnungspflicht immer dann, wenn der Influencer hierfür eine Gegenleistung erhält. Eine Gegenleistung kann Geld sein, aber auch Gratis-Produkte, Einladungen (Pressereisen), Provisionen etc. Entscheidend ist, dass eine wie auch immer geartete Kooperation mit dem Unternehmen besteht. In Influencer I etwa hatte die beklagte Influencerin für einen Instagram-Post ein Honorar erhalten; dieser Beitrag war zwar mit „Werbung“ markiert, allerdings nur im Fließtext und nicht deutlich genug – der BGH hielt die Kennzeichnung für unzureichend und bekräftigte, dass in solchen Fällen eine klare Kennzeichnung am Anfang des Posts nötig ist.
- Hat der Influencer keine Gegenleistung erhalten, etwa weil er ein Produkt aus eigenem Antrieb empfiehlt, kann trotzdem eine Kennzeichnungspflicht bestehen, aber nicht in jedem Fall. Der BGH entschied, dass das Setzen von sog. Tap Tags (Markenverlinkungen auf Bildern) allein noch keine Kennzeichnung erfordert, solange der Influencer objektiv und ohne übertriebene Anpreisung über das Produkt berichtet. Fehlt eine Gegenleistung, liegt nach neuer Rechtslage grundsätzlich kein kommerzieller Zweck „zugunsten eines fremden Unternehmens“ vor (dies hat der Gesetzgeber kurz nach den BGH-Urteilen ausdrücklich in § 5a Abs.6 UWG klargestellt, oft als „Influencer-Gesetz“ bezeichnet). Anders jedoch, wenn der Beitrag „übertrieben werblich“ gestaltet ist – beispielsweise, wenn eine Influencerin ohne Auftrag ein Produkt überschwänglich lobt, als wäre sie Teil einer Werbekampagne. Dann kann dies laut BGH als geschäftliche Handlung fürs eigene Unternehmen (Steigerung ihres Images) gewertet werden, die ebenfalls der Transparenz bedarf.
Zusammengefasst: Sobald irgendeine Form von Entgelt oder Vorteil fließt, muss „Werbung“ dranstehen! Der Gesetzgeber hat 2022 in § 5a Abs.6 UWG n.F. festgelegt, dass ein kommerzieller Zweck bei Darstellung fremder Produkte vermutet wird, sofern der Influencer eine Gegenleistung erhält oder sich versprechen lässt. Die Vermutung kann nur entkräftet werden, wenn der Influencer nachweist, dass keine Gegenleistung vorliegt – etwa durch Kaufbelege, eidesstattliche Versicherung etc. Praktisch bedeutet das: im Zweifel Kennzeichnung anbringen, um keine Abmahnung wegen Schleichwerbung zu riskieren.
2. Irreführende Werbung und inhaltliche Prüfpflichten: Neben der Form (Kennzeichnung) ist natürlich auch der Inhalt der Werbung geregelt. Influencer dürfen keine falschen oder irreführenden Aussagen über Produkte machen. § 5 UWG verbietet irreführende geschäftliche Handlungen, insbesondere bezüglich der Beschaffenheit, Eigenschaften, Preisen oder Erfolgen eines Produkts. Wer als Influencer also einem Diätprodukt Wirkungen zuschreibt, die es objektiv nicht hat, oder bei einem Finanzprodukt verschweigt, dass hohe Risiken bestehen, handelt unlauter. Beispiel: Eine Influencerin bewirbt ein Nahrungsergänzungsmittel mit den Worten „Garantiert 10 Kilo Gewichtsverlust in 2 Wochen, wissenschaftlich getestet!“ – in Wahrheit gibt es keine solche Wirkung. Dies wäre eine klare Irreführung. Die Konsequenz: Wettbewerbsrechtliche Abmahnungen durch Mitbewerber oder Verbraucherschutzverbände sind möglich. Außerdem können sektorale Vorschriften greifen, z.B. das Heilmittelwerbegesetz (HWG) oder die Health-Claims-Verordnung bei Lebensmittelwerbung, die bestimmte gesundheitsbezogene Aussagen verbieten. In unserem Beispiel könnte die Influencerin gegen die EU-Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben verstoßen, was ebenfalls abmahnfähig ist.
Praxisfall „Dubiose Diätprodukte“: In den letzten Jahren wurden Influencer im Fitness- und Ernährungsbereich häufiger kritisiert, weil sie unseriöse Abnehmprodukte bewarben. Der Fall „More Nutrition“ erregte Aufsehen: Hier hatte ein Nahrungsergänzungsmittel-Hersteller gemeinsam mit Influencern Produkte mit gesundheitsbezogenen Versprechen vermarktet. Der Verein Foodwatch mahnte das Unternehmen wegen Verstößen gegen zugelassene Health-Claims ab. Auch die Aussagen der Influencer standen im Fokus, weil sie suggerierten, man könne durch diese Pulver und Riegel mühelos Fett verlieren – was so nicht belegt war. Das zeigt: Influencer müssen damit rechnen, dass Verbraucherschützer oder Wettbewerber ihre Aussagen auf die Goldwaage legen. Unlautere Werbebehauptungen können Unterlassungsansprüche und notfalls gerichtliche Verbote nach sich ziehen. So hat etwa das LG Köln 2021 einen Hersteller (und mittelbar dessen Influencer-Werbung) wegen irreführender gesundheitsbezogener Angaben verurteilt (Stichwort „Fitness-Lebensmittel“, Kölner Stadt-Anzeiger berichtete über das Urteil gegen More Nutrition). Für Influencer bedeutet dies: Man sollte sich engen, überprüfbaren Informationen des Auftraggebers bedienen und keine weitergehenden Versprechen „dazu erfinden“. Im Zweifel lieber auf reißerische Claims verzichten.
3. Wer haftet bei UWG-Verstößen? Influencer, Unternehmen und Agentur: Bei Verstößen gegen das UWG – sei es Schleichwerbung oder Irreführung – stellt sich die Verantwortlichkeit mehrstufig dar:
- Der Influencer selbst haftet als Täter der unlauteren Handlung. Er handelt als Unternehmer in Ausübung geschäftlicher Tätigkeit und kann deswegen von Konkurrenten oder Verbänden auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (§ 8 Abs.1 UWG). Auch Schadensersatz gegenüber Mitbewerbern ist theoretisch möglich (§ 9 UWG), setzt aber Vorsatz oder Fahrlässigkeit und einen konkreten Schaden des Mitbewerbers voraus, was schwer nachzuweisen ist. In der Praxis sind Abmahnungen an Influencer wegen fehlender Kennzeichnung sehr häufig vorgekommen. Einige Influencer haben in der Vergangenheit Unterlassungserklärungen unterschrieben oder wurden gerichtlich zur Unterlassung verurteilt, wenn sie wiederholt Werbeposts nicht als solche markiert hatten.
- Das werbende Unternehmen (der Hersteller oder Händler des beworbenen Produkts) kann ebenfalls haften, obwohl es die unlautere Handlung (den Post) nicht selbst vorgenommen hat. Grund ist die Vorschrift des § 8 Abs.2 UWG: Sie besagt, dass der Unternehmensinhaber auch für Wettbewerbsverstöße von Beauftragten haftet. Ein Beauftragter ist jede Person, die – ohne Angestellter zu sein – für das Unternehmen tätig wird, um dessen Absatz zu fördern. Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass Influencer als Beauftragte des werbenden Unternehmens gelten, sofern eine vertragliche Kooperation besteht. Das Unternehmen kann sich also nicht damit entlasten, den Influencer „nur sorgfältig ausgewählt“ zu haben oder ihm Anweisungen zur Kennzeichnung gegeben zu haben – es haftet unabhängig vom Verschulden für den Rechtsverstoß. Sinn der Regelung ist, zu verhindern, dass Firmen durch Outsourcing von Werbung auf freie Influencer die Verantwortung von sich schieben. In der Konsequenz können Mitbewerber oder Verbraucherschutzverbände sowohl den Influencer als auch das Unternehmen abmahnen und auf Unterlassung verklagen.Beispiel: Ein Modeunternehmen lässt über eine Agentur mehrere Influencerinnen seine neue Kollektion bewerben. Eine Influencerin markiert die Beiträge nicht als „Anzeige“. Ein Mitbewerber (ein anderes Modehaus) bemerkt dies und lässt über Anwälte Abmahnungen an die Influencerin und an das Modeunternehmen schicken. Beide werden aufgefordert, das Verhalten künftig zu unterlassen und Vertragsstrafen zu versprechen. Das Modeunternehmen kann hier nicht einwenden, es habe der Influencerin doch gesagt, sie solle korrekt kennzeichnen – die Unterlassungshaftung greift verschuldensunabhängig. Lediglich wenn der Post vollkommen ohne Wissen und ohne jeden Auftrag des Unternehmens erfolgte („Selbstinitiative“ des Influencers, z.B. ein Fan-Posting), wäre das Unternehmen kein Beteiligter und somit nicht haftbar.
- Die Agentur schließlich, die zwischen Unternehmen und Influencer vermittelt oder die Kampagne steuert, steht in einer Zwischenrolle. Wettbewerbsrechtlich wird die Agentur oft ebenfalls als Mitverursacher angesehen werden können – zumindest als Störer oder Teilnehmer. Einige Abmahner ziehen auch Agenturen in die Verantwortung, insbesondere wenn unklare Absprachen zur Kennzeichnung getroffen wurden. Allerdings sieht § 8 Abs.2 UWG primär den Unternehmer (Auftraggeber) in der Haftung für Beauftragte. Die Agentur ist meistens selbst Beauftragte des Unternehmens. In unserem Beispiel könnte die Modefirma auch für Fehler der eingeschalteten Werbeagentur haften. Umgekehrt kann unter Umständen auch die Agentur in Anspruch genommen werden, etwa wenn sie aktiv an der Verschleierung der Werbung mitwirkte. In der Praxis werden Verbände sich aber auf Influencer und werbendes Unternehmen konzentrieren, da dort die Unterlassungsansprüche eindeutig geregelt sind.
4. Rechtsfolgen von UWG-Verstößen: Im Wettbewerbsrecht drohen vor allem Unterlassungsansprüche und damit verbunden oft kostenpflichtige Abmahnungen. Influencer, die etwa Schleichwerbung betrieben haben, mussten bereits Anwaltskosten von Abmahnungen zahlen oder erhielten gerichtliche Verbote. Auch das Unternehmen kann – wie oben erläutert – zur Unterlassung verpflichtet werden. Darüber hinaus kann es in krassen Fällen zu Schadensersatzansprüchen eines Mitbewerbers kommen (z.B. wenn nachweisbar Kunden abgeworben wurden durch die unlautere Werbung) oder zur Gewinnabschöpfung (§ 10 UWG) durch die Anspruchsberechtigten, falls der Verstoß vorsätzlich war. In der Praxis ist Schadensersatz unter Wettbewerbern selten, weil der konkrete Schaden schwer belegbar ist. Für Verbraucher bietet das UWG direkt keine Ansprüche auf Schadensersatz – ihre Interessen werden aber indirekt gewahrt, indem irreführende Werbung unterbunden wird.
Zusammengefasst müssen Influencer unbedingt UWG-Compliance beachten: Schleichwerbung vermeiden (jeder entgeltliche Post klar kennzeichnen) und wahrheitsgemäße Angaben machen. Gleiches gilt für betreuende Agenturen und die werbenden Unternehmen – sie tragen Mitverantwortung und sollten aktiv dafür sorgen, dass Kampagnen lauterkeitsrechtlich einwandfrei sind. Im nächsten Abschnitt schauen wir auf die speziellen medienrechtlichen Regelungen, die das Thema Kennzeichnung ebenfalls adressieren und sogar Bußgelder vorsehen.
Medienrechtliche Pflichten nach dem Medienstaatsvertrag
Parallel zum UWG existieren medienrechtliche Vorschriften zur Trennung von Werbung und Redaktion. Für Influencer besonders wichtig ist der seit November 2020 geltende Medienstaatsvertrag (MStV). Dieser Staatsvertrag der Bundesländer verpflichtet Anbieter von Telemedien (dazu zählen Social-Media-Kanäle) zur Kennzeichnung von Werbung und zur Beachtung gewisser inhaltlicher Grenzen.
Im Medienstaatsvertrag heißt es sinngemäß: Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt eindeutig getrennt sein. Die Landesmedienanstalten, die als Aufsichtsbehörden fungieren, haben dazu Leitlinien veröffentlicht. Konkret fordert der MStV beispielsweise in § 22 Abs.1, dass bei Social-Media-Angeboten Werbung eindeutig durch optische oder akustische Mittel oder räumlich abgesetzt gekennzeichnet sein muss. Ein versteckter Werbebeitrag verstößt somit nicht nur gegen das UWG, sondern auch gegen öffentlich-rechtliche Medienbestimmungen.
Die Besonderheit des Medienrechts: Verstöße können mit Bußgeldern sanktioniert werden. Während im UWG die Durchsetzung betroffenen Unternehmen oder Verbänden überlassen ist, greifen hier die Landesmedienanstalten von sich aus ein. In den letzten Jahren gerieten Influencer verstärkt ins Visier der Aufsichtsbehörden. Beispiel: Die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) verhängte 2023 ein Bußgeld von 10.500 € gegen eine Influencerin wegen fehlender Werbekennzeichnung in 14 Instagram- und TikTok-Posts. Die Influencerin legte Einspruch ein, doch das Verfahren ging bis vor das Oberlandesgericht. Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied im Jahr 2024 (Az. 6 ORbs 24 Ss 89/23) schließlich, dass die Influencerin für 19 festgestellte Kennzeichnungsverstöße ein Bußgeld von 9.500 € zahlen muss. Die Richter stellten klar, dass nach dem Medienstaatsvertrag alle diese Beiträge eindeutig als Werbung hätten markiert werden müssen. Dieses Schleichwerbung-Urteil auf medienrechtlicher Basis zeigt: Fehlende Kennzeichnung ist nicht bloß eine Bagatelle, sondern kann auch ordnungsrechtliche Konsequenzen haben.
Die Bußgelder mögen im Einzelfall überschaubar erscheinen (meist einige Tausend Euro), doch sind sie ein präventives Signal. Zudem können bei fortgesetzten Verstößen höhere Strafen drohen – laut MStV sind theoretisch fünf- bis sechsstellige Beträge möglich, je nach Schwere. Interessant ist, dass die Medienanstalten ihren Kontrollradius ausgeweitet haben: Sie haben 2024 rund 80 Verstöße von Influencern registriert und geahndet, teils auch in neuen Bereichen wie Live-Streams und Kurzvideos. Das bedeutet, Influencer können nicht darauf vertrauen, „ungeschoren“ davonzukommen, selbst wenn kein Mitbewerber sie abmahnt – die Behörden selbst schauen hin.
Neben Werbekennzeichnung gibt es im Medienstaatsvertrag weitere Pflichten, etwa Jugendschutz (keine entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte für Kinder zugänglich machen), Kennzeichnung von Dauerwerbesendungen, Produktplatzierungshinweise usw. Für typische Influencer sind vor allem Jugendschutz-Themen relevant, wenn sie z.B. Glücksspiel-Apps oder Alkohol bewerben – hier müssen Plattform-Regularien und gesetzliche Altersbeschränkungen beachtet werden. Auch politische Werbung unterliegt besonderen Regeln. Diese Aspekte gehen über den Kern unserer Fragestellung hinaus, zeigen aber: Influencer agieren in einem regulierten medienrechtlichen Umfeld und sollten die Vorgaben kennen.
Praxis-Tipp an dieser Stelle: Influencer sollten die Leitfäden der Medienanstalten studieren. Die „Kennzeichnungspflicht von Werbung in Social Media“ wird dort mit Beispielen erläutert. Im Zweifel lieber einmal zu oft „Werbung“ über einen Post schreiben als einmal zu wenig. Und Vorsicht bei Plattform-Funktionen: die eingeblendeten Tags wie „Bezahlte Partnerschaft mit …“ auf Instagram erfüllen zwar die Kennzeichnung, müssen aber korrekt gesetzt werden. Die formale Umsetzung sollte idealerweise auch vertraglich zwischen Unternehmen und Influencer vereinbart sein – hierzu im Abschnitt Vertragsgestaltung mehr.
Aktuelle Rechtsprechung: Haftung und Verantwortung im Influencer-Marketing
In den letzten Jahren gab es eine Reihe wichtiger Gerichtsentscheidungen, welche die Verantwortung von Influencern, Agenturen und Unternehmen beim Social-Media-Marketing ausloten. Einige wesentliche Punkte aus der Rechtsprechung sollen hier stichwortartig zusammengefasst werden:
- BGH 2021 („Influencer“-Urteile): Wie oben dargestellt, hat der Bundesgerichtshof mit den Influencer-Entscheidungen (I ZR 90/20 usw.) die Kennzeichnungspflichten präzisiert. Diese Urteile entlasten Influencer insoweit, als rein privat motivierte Posts ohne Gegenleistung nicht mehr pauschal als Schleichwerbung gelten. Zugleich betonen sie aber, dass Influencer geschäftlich handeln, sobald eine Kooperation vorliegt – und dann Transparenz schulden. Die BGH-Grundsätze wurden 2022 vom Gesetzgeber übernommen, was den Influencern etwas Rechtsklarheit verschafft hat.
- OLG Stuttgart 2024 (Bußgeld für Schleichwerbung): Das bereits erwähnte Urteil bestätigte, dass Influencer mit hohen Followerzahlen (hier ~400.000) konsequent Bußgelder zahlen müssen, wenn sie systematisch gegen Kennzeichnungspflichten verstoßen. Wichtig: Die Influencerin argumentierte wohl, einige Produkte habe sie aus Überzeugung gezeigt. Doch die Überprüfung ergab 19 Fälle, in denen ein werblicher Zusammenhang bestand, ohne Kennzeichnung. Dies unterstreicht, dass Gerichte eher streng prüfen – im Zweifel wird von einer geschäftlichen Handlung ausgegangen, sofern irgendwelche Kooperationen bestehen.
- Mitstörerhaftung von Agenturen: Es gibt Urteile, die Agenturen oder Mittler in die Pflicht nehmen. So hat z.B. das OLG Frankfurt (Urteil vom 19.05.2022 – Az. 6 U 56/21) entschieden, dass eine Agentur, die Influencer-Marketing für einen Kunden organisiert, als Mitstörer haftbar gemacht werden kann, wenn sie willentlich und adäquat-kausal zur Rechtsverletzung beiträgt. Im konkreten Fall ging es um urheberrechtswidrige Nutzung von Fotos durch Influencer – die Agentur hatte die Inhalte vorbereitet. Übertragen auf Kennzeichnung: Würde eine Agentur ihren Influencern raten, Werbung zu verschleiern, könnte sie ebenfalls belangt werden. Daher sind seriöse Agenturen sehr darauf bedacht, im Briefing die Rechtskonformität sicherzustellen.
- Haftung des Unternehmens für Influencer-Fehlverhalten: Hierzu gibt es zahlreiche erstinstanzliche Urteile, etwa LG München I, Urteil vom 24.05.2018 – Az. 4 HK O 8143/17, wo eine Brauerei für Instagram-Posts einer Influencerin (mit Biermarkennennung ohne Werbungshinweis) abgemahnt wurde. Die Brauerei haftete nach § 8 Abs.2 UWG als Auftraggeberin. Das Urteil betonte, dass es unerheblich sei, ob die Influencerin weisungswidrig gehandelt habe – das Risiko trägt das Unternehmen. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung: Auch Prominente Testimonials in der klassischen Werbung (z.B. TV-Spots) wurden als Beauftragte angesehen; für ihre Werbeaussagen haften die dahinterstehenden Firmen voll mit. Influencer sind hier keine Ausnahme.
- Irreführung durch Influencer-Statements: Ein Beispiel liefert das LG Berlin im Urteil vom 21.03.2019 – Az. 52 O 101/18. Dort wurde einem Influencer untersagt, mit bestimmten gesundheitsbezogenen Versprechen für ein Nahrungsergänzungsmittel zu werben, da diese irreführend und nach EU-Recht unzulässig waren. Das Gericht stellte klar, dass Influencer sich an dieselben Werberegeln halten müssen wie jedes andere werbende Unternehmen. Selbst wenn sie vielleicht die Aussagen vom Hersteller erhalten haben, müssen sie im eigenen Interesse prüfen, ob diese Aussagen legal sind.
- Persönlichkeitsrecht und Influencer-Werbung: Erwähnenswert ist am Rande eine BGH-Entscheidung aus 2022 (BGH VI ZR 489/19), in der es um die zivilrechtliche Haftung eines Influencers wegen eines Postings ging, das Rechte eines Dritten verletzte (ein Foto mit einer Person ohne Einwilligung zu Werbezwecken). Der BGH bejahte die Haftung des Influencers wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Das zeigt eine weitere Facette: Influencer müssen nicht nur UWG beachten, sondern auch Datenschutz und Persönlichkeitsrechte, sonst drohen ebenfalls Ansprüche. In unserem Kontext ist das weniger zentral, doch für Vollständigkeit sei erwähnt: Wer z.B. in Werbeclips Personen filmt oder Testimonials ohne Zustimmung bringt, riskiert hier zivilrechtliche Klagen.
In Summe spiegelt die Rechtsprechung die wachsende Professionalisierung des Influencer-Marketings wider: Gerichte behandeln Influencer im Prinzip wie jedes andere werbetreibende Unternehmen, mit allen rechtlichen Konsequenzen. Agenturen und Unternehmen im Hintergrund können sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sondern müssen nachweislich proaktive Maßnahmen ergreifen, um Rechtsverstöße zu verhindern.
Verantwortung von Agenturen und Unternehmen bei Influencer-Kampagnen
Agenturen spielen oft eine Schlüsselrolle im Influencer-Geschäft: Sie bringen Werbekunden und Influencer zusammen, verhandeln Verträge und koordinieren Kampagnen. Dabei tragen sie eine Mitverantwortung für die Rechtmäßigkeit der Werbung. Ebenso sind die werbenden Unternehmen als Auftraggeber in der Pflicht. Welche Verantwortung der Agenturen und Unternehmen besteht, lässt sich wie folgt umreißen:
1. Agentur als Vertragspartner des Influencers: Häufig schließt der Influencer den Kooperationsvertrag nicht direkt mit dem Produktunternehmen, sondern mit einer beauftragten Marketing-Agentur oder Influencer-Agentur. Diese Agentur handelt im Auftrag des Herstellers und gibt dem Influencer Briefings und Vorgaben. In dieser Konstellation ist die Agentur typischerweise Erfüllungsgehilfe des Unternehmens und gleichzeitig Beauftragter i.S.d. § 8 Abs.2 UWG. Das bedeutet: Macht der Influencer etwas falsch (z.B. Schleichwerbung), haftet das Unternehmen, und intern kann es sich bei der Agentur regressieren, wenn diese ihre Pflichten verletzt hat. Umgekehrt kann aber auch die Agentur direkt ins Visier geraten, wenn sie ihre Kontrollfunktion nicht erfüllt. Gute Praxis ist, dass Agenturen in ihren Verträgen mit den werbenden Firmen Compliance-Klauseln haben: das Unternehmen verpflichtet die Agentur, auf die Einhaltung aller Kennzeichnungspflichten und Werberegeln hinzuwirken. Die Agentur muss also z.B. im Briefing unmissverständlich klarstellen: „Werbecharakter ist kenntlich zu machen, keine unzulässigen Versprechen, keine Verstöße gegen Plattform-Richtlinien.“
2. Aufsicht und Schulung durch Agenturen: Eine Agentur, die professionelle Influencer-Kampagnen betreut, sollte idealerweise freigegebene Textbausteine und Leitfäden bereitstellen, um Rechtsverstöße zu vermeiden. In vielen Fällen prüfen Agenturen vor Veröffentlichung die geplanten Posts (sofern vertraglich vereinbart) – insbesondere auf korrekte Kennzeichnung und auf heikle Aussagen. Zwar kann eine Agentur nicht jedes Wort der Influencer diktieren, da deren Authentizität Teil des Erfolgs ist; aber sie kann und sollte zumindest auf offensichtliche Rechtsverstöße achten. Beispiel: Eine Agentur entdeckt im Entwurf, dass der Influencer schreiben will „dieser Token ist garantiert wertsteigernd“. Die Agentur muss hier intervenieren und den Influencer aufklären, dass solche Garantien unzulässig und potenziell betrügerisch sind. Tut sie das nicht, verletzt sie ihre Pflichten gegenüber dem Auftraggeber.
3. Unternehmen als Initiator: Das werbende Unternehmen hat letztlich das Produkt in Verkehr gebracht und profitiert von der Reichweite des Influencers. Es muss die Risiken seiner Marketingstrategie tragen. Dazu gehört, die richtigen Partner auszuwählen (Influencer mit gutem Ruf, die für Skandale nicht bekannt sind) und ihnen die notwendigen Infos zu liefern. Ein Unternehmen, das ein Finanzprodukt bewirbt, muss dem Influencer z.B. die nötigen Warnhinweise oder Disclaimer mitgeben (ähnlich wie in der klassischen Werbung vorgeschrieben, z.B. „Kapitalanlagen bergen Verlustrisiken“). Lässt das Unternehmen dies weg und der Influencer preist blind das Produkt an, kann das Unternehmen wegen Organisationverschulden haften – es hat seine Sorgfalt bei der Kampagnengestaltung nicht erfüllt.
4. Weisungen und Haftung: Unternehmen sollten in ihren Verträgen mit Influencern oder Agenturen klare Weisungen erteilen, insbesondere: Kennzeichnungsvorgaben, einzuhaltende Gesetze (UWG, HWG, etc.), Freigabevorbehalte für Inhalte, ggf. Stilvorgaben. Werden solche Weisungen ignoriert und kommt es zum Verstoß, haftet das Unternehmen zwar nach außen trotzdem (Erfolgshaftung nach UWG), kann aber intern den Influencer oder die Agentur belangen. Wichtig zu wissen: Selbst wenn das Unternehmen alles Erdenkliche getan hat (gute Auswahl, Schulung, Prüfung) und der Influencer trotzdem eigenmächtig z.B. die Kennzeichnung weglässt, bleibt das Unternehmen im Außenverhältnis haftbar auf Unterlassung. Das ist echte Erfolgshaftung – verschuldensunabhängig. Deshalb kann man Unternehmen nur raten, zusätzlich eine Vertragsstrafe-Klausel oder Haftungsfreistellung mit dem Influencer zu vereinbaren, um im Fall der Fälle wenigstens Ersatz vom Influencer zu bekommen (mehr dazu gleich im Vertragsabschnitt).
5. Agentur-Haftung im Innenverhältnis: Sollte eine Panne passieren – etwa die Kampagne wird wegen Rechtsverstoß abgebrochen oder das Unternehmen muss eine Unterlassungserklärung abgeben und Anwaltskosten zahlen – stellt sich die Frage des Regresses. Wenn eine Agentur involviert war, wird das Unternehmen prüfen, ob die Agentur ihre Pflichten verletzt hat (z.B. schlechte Beratung, offensichtliche Problematiken nicht erkannt). In der Regel haben Agenturverträge ebenfalls Haftungsregelungen. Oft versuchen Agenturen, ihre Haftung zu begrenzen (etwa auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit oder auf eine Haftungssumme). Gleichwohl: Bei groben Fehlern kann eine Agentur schadensersatzpflichtig sein gegenüber dem Auftraggeber. Daher haben auch viele Agenturen eine Berufshaftpflichtversicherung, die solche Fehler in der Kampagnenberatung abdeckt.
Kurz gesagt tragen alle Beteiligten – Influencer, Agentur, Auftraggeber – gemeinsam Verantwortung. Idealerweise arbeiten sie als Team, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden, statt später mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Die beste Strategie ist, vorbeugend klare Abmachungen zu treffen, was erlaubt ist und was nicht.
Vertragliche Absicherung und Haftungsfreistellungen (Vertrag bei Produktempfehlung)
Ein entscheidendes Mittel, um Haftungsrisiken zu steuern, ist die vertragliche Gestaltung der Influencer-Kooperation. Im Vertrag über Produktempfehlungen – also dem Influencer-Agreement zwischen Unternehmen (oder Agentur) und Influencer – sollten Haftungsfragen ausdrücklich geregelt sein. Beide Seiten können sich durch kluge Klauseln schützen:
1. Haftungsfreistellungen zugunsten des Unternehmens: Viele Unternehmen bestehen darauf, dass der Influencer sie freistellt, falls dieser gegen Kennzeichnungspflichten oder andere Gesetze verstößt. Hintergrund: Wie oben erläutert, haftet das Unternehmen nach außen mit, obwohl der Influencer den Post absetzt. Um nicht auf den Kosten sitzen zu bleiben, wird vertraglich oft festgelegt: Verstößt der Influencer gegen das UWG, stellt er das Unternehmen von allen dadurch entstehenden Ansprüchen Dritter frei. Das bedeutet, wenn z.B. ein Mitbewerber das Unternehmen auf Unterlassung verklagt, muss der Influencer eventuell die Kosten übernehmen (Anwaltsgebühren, Vertragsstrafen etc.). Ebenso verlangen manche Unternehmen Freistellung für den Fall, dass der Influencer Urheberrechte verletzt (z.B. unerlaubte Musik im Video nutzt) oder sonst wie rechtswidrig handelt. Influencer sollten sich bewusst sein, dass sie in solchen Verträgen oft umfangreiche Haftung übernehmen – und dies auch versicherungstechnisch abdecken (siehe Versicherungsabschnitt).
2. Haftungsfreistellungen zugunsten des Influencers: Auch Influencer haben schutzwürdige Interessen. Sie werben für fremde Produkte, deren Beschaffenheit sie nicht vollständig kontrollieren können. Daher ist es sinnvoll, im Vertrag eine Freistellung zugunsten des Influencers zu vereinbaren für den Fall, dass Dritte wegen Produkteigenschaften Ansprüche erheben. Beispielsweise: Der Hersteller sichert zu, dass sein Produkt alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt und keine Rechte Dritter verletzt, und stellt den Influencer von Ansprüchen frei, falls dies doch nicht stimmt. Beispiel: Ein Influencer bewirbt ein Nahrungsergänzungsmittel. Später stellt sich heraus, es enthält eine verbotene Zutat, die behördlich beanstandet wird. Kunden fordern ihr Geld zurück und Schmerzensgeld vom Influencer. Mit einer vertraglichen Freistellung könnte der Influencer diese Forderungen an den Hersteller weiterreichen. Ohne Freistellung stünde er unter Umständen alleine im Regen. Daher sollte jeder Influencer bei Kooperationen darauf achten, dass das Unternehmen zumindest versichert, das Produkt sei legal und keine Gefahrenquelle – und idealerweise im Vertrag eine Klausel aufnehmen, dass das Unternehmen den Influencer bei falschen Angaben oder Produktmängeln enthaftet.
3. Haftungsbegrenzungen: Beide Seiten werden bemüht sein, ihre Haftung insgesamt zu begrenzen. Influencer sind meist Einzelunternehmer mit begrenzter Finanzkraft – sie sollten nicht für astronomische Summen haften müssen. Häufig werden Vertragsstrafen für bestimmte Verstöße gedeckelt (z.B. „für jeden unlabeled Post 5.000 € Vertragsstrafe“). Unternehmen wiederum werden ihre Haftung für indirekte Schäden des Influencers ausschließen wollen (etwa wenn ein Shitstorm ausbricht, ist das meist kein ersatzfähiger Schaden). Hier ist ein fairer Interessenausgleich gefragt. Pauschale Klauseln wie „jede Haftung des Unternehmens ist ausgeschlossen“ halten aber rechtlich oft nicht stand, insbesondere wenn eine Partei grob fahrlässig oder vorsätzlich handelt.
4. Konkrete Klauseln zu Kennzeichnung & Prüfpflicht: Um Streit gar nicht erst entstehen zu lassen, sollten Verträge präzise Vorgaben machen: Zum Beispiel kann im Vertrag stehen „Der Influencer verpflichtet sich, jede Veröffentlichung im Rahmen der Kooperation deutlich mit „#Werbung“ am Anfang zu kennzeichnen.“ oder „Das Unternehmen ist berechtigt, Entwürfe der Posts vorab auf Rechtskonformität (Kennzeichnung, Wettbewerbsverstöße) zu überprüfen und Korrekturen zu verlangen.“ Solche Regelungen schaffen Klarheit. Im Idealfall hängt man dem Vertrag einen kurzen Leitfaden an, was zulässig ist. So haben beide Seiten schriftlich fixiert, worauf es ankommt.
5. Vertragsstrafe bei Verstößen: Ein scharfes Schwert ist die Vertragsstrafenklausel. Gerade Unternehmen setzen diese gerne ein: etwa „Bei Verstoß gegen die Pflicht zur Werbekennzeichnung zahlt der Influencer eine Vertragsstrafe von X Euro.“ Das soll den Influencer zur strikten Einhaltung motivieren. Influencer sollten darauf achten, dass Vertragsstrafen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Eine zu hohe Strafe könnte unwirksam sein (§ 307 BGB, falls AGB-Charakter). Umgekehrt kann auch der Influencer verlangen, dass eine Strafe vereinbart wird, falls der Auftraggeber ihn zu Rechtsbruch anstiftet – zum Beispiel: „Weist der Auftraggeber den Influencer ausdrücklich an, entgegen der gesetzlichen Pflicht einen Beitrag nicht als Werbung zu kennzeichnen, so verwirkt der Auftraggeber eine Vertragsstrafe…“ Solche Klauseln sind selten, aber denkbar zur Absicherung des Influencers gegen fragwürdige Praktiken.
6. Keine vollständige Abwälzung möglich: Wichtig zu verstehen ist, dass vertragliche Freistellungen oder Haftungsausschlüsse immer nur im Innenverhältnis wirken. Gegenüber außenstehenden Dritten (Verbrauchern, Mitbewerbern, Behörden) bleibt jeder für sein Tun verantwortlich. Ein Unternehmen kann nicht durch Vertrag die eigene gesetzliche Haftung eliminieren – § 8 Abs.2 UWG bleibt z.B. zwingend. D.h. selbst wenn der Influencer dem Unternehmen vertraglich verspricht, für alle Folgen einzustehen, entbindet das das Unternehmen nicht von z.B. einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung. Die Freistellung greift dann erst danach: Das Unternehmen kann den Influencer regressieren. Ebenso schützt ein vertraglicher Haftungsausschluss den Influencer nicht davor, dass ein Geschädigter ihn direkt verklagt – aber er hätte dann einen Anspruch gegen den Hersteller, ihn freizuhalten. Daher sind diese Klauseln „unsichtbar“ für Außenstehende, aber extrem wichtig für die finanzielle Verteilung von Risiken unter den Vertragspartnern.
Praxishinweis: Gerade bei größeren Deals lohnt es sich, den Influencer-Vertrag juristisch prüfen zu lassen, um ausgewogene Haftungsregelungen zu erzielen. Standard-Musterverträge decken oft nicht alle Szenarien ab, insbesondere neuartige Risiken (z.B. Bewerbung von Finanzprodukten durch Lifestyle-Influencer – hier treffen plötzlich Finanzmarktrecht und Influencerrecht aufeinander, was spezielle Klauseln erfordert). Transparenz und Fairness im Vertrag kommen letztlich beiden Seiten zugute: Sie vermeiden, dass im Ernstfall lange Streitigkeiten entstehen, wer nun für den Schaden X aufkommt.
Prüfpflichten des Influencers: Sorgfalt bei Sponsor und Produkt
Angesichts der geschilderten Haftungsrisiken stellt sich die Frage, welche Prüfpflichten Influencer selbst treffen müssen, bevor sie eine Kooperation eingehen oder ein Produkt bewerben. Rechtlich gibt es kein umfassendes „Influencer-Sorgfaltspflichten-Gesetz“, doch aus verschiedenen Vorschriften und der allgemeinen Lebenserfahrung lassen sich Leitlinien ableiten:
1. Prüfung des Werbepartners (Sponsoring-Unternehmen): Ein Influencer sollte sich über den potenziellen Sponsor informieren, bevor er einen Werbevertrag abschließt. Gerade wenn ein unbekanntes Unternehmen mit einem extrem lukrativen Angebot lockt („Wir zahlen dir 20.000 € für drei Instagram-Posts zu unserem neuen Krypto-Token“), ist Vorsicht geboten. Ein einfacher Hintergrundcheck – Firmenname googeln, Handelsregister prüfen, nach Erfahrungen anderer suchen – kann viel aufdecken. Gibt es Warnungen der Verbraucherzentrale oder negative Presse? Ist der Firmensitz vielleicht in einem Offshore-Steuerparadies oder existiert das Unternehmen erst seit wenigen Wochen? Solche Indizien sollten Alarmglocken läuten lassen. Influencer haben zwar keine gesetzliche Pflicht, eine Wirtschaftsauskunftei zu beauftragen, aber im eigenen Interesse sollten sie keinen Deal mit völlig dubiosen Gestalten eingehen. Tut er es doch, und stellt sich der Partner als Betrüger heraus, könnte im Haftungsprozess argumentiert werden, der Influencer habe grob fahrlässig gehandelt, indem er elementare Prüfungen unterließ.
2. Prüfung des Produkts oder der Dienstleistung: Genauso wichtig ist ein kritischer Blick auf das, was beworben werden soll. Idealerweise testet der Influencer das Produkt selbst, wenn möglich, oder lässt es sich zumindest genau erklären. Seriöse Unternehmen stellen Muster zur Verfügung oder schulen den Influencer bezüglich technischer Eigenschaften. Wenn ein Influencer ein Diätpulver promotet, sollte er die Zutatenliste sehen und prüfen (lassen), ob dort illegale Substanzen drin sein könnten. Bei Finanz-Apps sollte er Basisinformationen über die Funktionsweise erhalten. Ein Influencer muss kein Chemiker oder Finanzanalyst sein – aber gesunder Menschenverstand ist gefragt: Verspricht das Produkt Ungewöhnliches? Gibt es unabhängige Bewertungen? Gerade bei Gesundheitsprodukten empfiehlt es sich, z.B. nachzulesen, ob die Wirkversprechen wissenschaftlich plausibel sind. Im Zweifel könnte man einen Ernährungsexpertin oder Mediziner*in fragen, bevor man ein Mittel zur Einnahme bewirbt. Diese Art von Due Diligence mag übertrieben klingen, doch sie dient nicht nur der rechtlichen Absicherung, sondern auch dem Erhalt der eigenen Glaubwürdigkeit.
3. Einholung von Informationen vom Auftraggeber: Der Influencer sollte vom werbenden Unternehmen schriftlich Zusicherungen einholen, dass das Produkt legal ist. Etwa: „Das Unternehmen versichert, dass das Produkt X in Deutschland verkehrsfähig ist und alle erforderlichen Zulassungen besitzt.“ oder „Das Unternehmen bestätigt, dass die gemachten Angaben fachlich richtig und nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht irreführend sind.“ Solche Zusicherungen könnte man in den Vertrag aufnehmen. Wenn sich nachträglich herausstellt, etwas war falsch, hat der Influencer zumindest einen Anknüpfungspunkt für einen Haftungsanspruch gegen den Auftraggeber wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten oder Garantie. Ohne solche Infos begibt man sich in eine Grauzone.
4. Laufende Beobachtung während der Kampagne: Die Prüfpflicht endet nicht beim Vertragsabschluss. Influencer sollten während einer laufenden Kampagne aufmerksam sein. Tauchen negative Nutzerberichte auf (z.B. Follower melden: „Ich habe das Investment ausprobiert und mein Geld ist weg!“), sollte der Influencer das ernst nehmen und den Sponsor konfrontieren oder ggf. die Kooperation abbrechen, bevor noch mehr Schaden entsteht. Weiter blind zu werben, obwohl es Hinweise auf Probleme gibt, könnte als fahrlässig oder gar bedingt vorsätzlich ausgelegt werden.
5. Besondere Sorgfalt bei sensiblen Branchen: Nicht alle Produkte sind gleich. Es gibt Bereiche, die traditionell strenger reguliert sind, etwa Finanzprodukte, Gesundheit/Pharma, Glücksspiel, Versicherungen. Wer als Influencer in solche Gefilde geht, sollte sich der gesteigerten Pflichten bewusst sein. Beispiel: Finanzanlagenvermittlung erfordert in Deutschland i.d.R. eine Lizenz nach § 34f GewO, wenn man sie gewerblich betreibt. Ein Influencer, der aktiv zum Kauf bestimmter Geldanlagen rät, könnte unter Umständen in lizenzpflichtige Beratung abrutschen. Oder Werbung für Aktien und Token kann Prospektpflichten auslösen. Diese juristischen Feinheiten müssen nicht alle Influencer aus dem Stand kennen, aber sie sollten zumindest so umsichtig sein, bei derartigen Produkten einen Fachanwalt oder Experten zu konsultieren. Große Influencer haben mittlerweile oft Berater im Hintergrund – kleinere sollten zumindest mit dem Auftraggeber klären, welche rechtlichen Grenzen es gibt.
Kurzum: Influencer sollten sich als verantwortungsbewusste Unternehmer begreifen. Dazu gehört, Aufträge nicht unreflektiert anzunehmen, sondern auf Herz und Nieren zu prüfen, ob Produkt und Partner koscher sind. Letztlich schützt das auch vor Image-Schäden: Die Öffentlichkeit und die Follower verzeihen es einem Influencer kaum, wenn er Teil eines offensichtlichen Betrugs wird. Dann hilft kein Hinweis „ich wusste von nichts“ – im Zweifel heißt es, man habe es wissen müssen. Diese weichen Faktoren schlagen dann häufig härter zu Buche als jede juristische Haftung.
Versicherungsschutz: Berufshaftpflicht für Influencer und Agenturen
Angesichts möglicher Rechtsstreitigkeiten ist es für Influencer wie auch Agenturen ratsam, sich durch geeignete Versicherungen abzusichern. Insbesondere kommt eine Berufshaftpflichtversicherung (oft auch Media-Haftpflicht genannt) in Betracht, die typische Risiken der Online-Tätigkeit abdeckt.
1. Deckungsumfang einer Influencer-Berufshaftpflicht: Spezialisierte Versicherer bieten Policen an, die explizit auf Influencer, Blogger und Content Creator zugeschnitten sind. Diese Versicherungen übernehmen im Schadensfall die Kosten für Rechtsstreitigkeiten und leisten Schadensersatz, sofern der Anspruch berechtigt ist. Wichtige abgedeckte Bereiche sind zum Beispiel:
- Abmahnungen und Unterlassungsansprüche wegen Wettbewerbsverstößen (z.B. Schleichwerbung, falsche Werbeaussagen). Die Versicherung prüft, ob die Abmahnung berechtigt ist, und trägt Anwalts- und Gerichtsgebühren für die Verteidigung. Wenn der Influencer am Ende eine Unterlassungserklärung abgeben muss und Kosten tragen muss, übernimmt die Versicherung diese Kosten im Rahmen der Deckung. Einige Tarife schließen sogar die Kosten einer Vertragsstrafe ein, falls versehentlich gegen eine abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen wird.
- Verletzung von Rechten Dritter: Dazu zählen z.B. Urheberrechtsverstöße (ein fremdes Foto oder Musikstück wurde unwissentlich in den Content integriert), Markenrechtsprobleme oder Persönlichkeitsrechtsverletzungen (z.B. ungewollte Bildnisse). Influencer sind hier einem ähnlichen Risiko ausgesetzt wie klassische Medienunternehmen – ein falsches Bild oder eine unbedachte Äußerung kann teure Klagen nach sich ziehen. Eine Media-Haftpflicht übernimmt in solchen Fällen den Schadenersatz oder Vergleichssummen und die Prozesskosten.
- Vermögensschäden durch Fehlberatung: Sollte ein Influencer doch einmal wegen eines reinen Vermögensschadens in Anspruch genommen werden (z.B. ein Follower verklagt ihn, weil er aufgrund eines Tipps Geld verloren hat), kommt es sehr auf die Bedingungen an, ob die Versicherung zahlt. Einige Versicherungen decken auch solche Ansprüche, solange keine vorsätzliche Täuschung vorliegt. Wichtig: Vorsatz ist nie versicherbar. Wenn also der Influencer bewusst betrügt, wird keine Versicherung einspringen. Aber bei Fahrlässigkeit oder wenn unklar ist, ob der Influencer wirklich schuldhaft handelte, wird die Versicherung zumindest die Abwehr übernehmen. Das nennt man auch passiven Rechtsschutz: Unberechtigte Forderungen werden von der Versicherung abgewehrt.
- Personen- und Sachschäden: Zwar unwahrscheinlicher, aber nicht unmöglich: Wenn etwa auf einem Influencer-Event jemand zu Schaden kommt (der Influencer schmeißt versehentlich eine Drohne in die Menge, jemand wird verletzt – Personenschaden; oder er beschädigt beim Dreh gemietete Räume – Sachschaden). Viele Berufshaftpflichtversicherungen schließen auch solche Fälle mit ein, damit nicht zwei separate Policen nötig sind.
2. Rechtsschutzversicherung: Zusätzlich oder integriert gibt es oft eine Firmenrechtsschutzversicherung, die speziell auf Online-Recht abzielt. Diese greift z.B., wenn der Influencer selbst Ansprüche durchsetzen will (etwa Honorar einklagen muss) oder wenn ein strafrechtliches Verfahren droht (z.B. Vorwurf der Steuerhinterziehung, falls mal die Schleichwerbungsthematik strafrechtlich relevant würde – aktuell eher theoretisch, aber denkbar wäre auch Beihilfe zum Betrug als Strafvorwurf, dann bräuchte man Strafrechtsschutz). Einige Versicherer bündeln das in Paketen.
3. Versicherung für Agenturen: Wer als Agentur Influencer vermittelt oder Kampagnen managt, sollte ebenfalls eine Betriebshaftpflicht / Vermögensschadenhaftpflicht für Medien- und Werbetätigkeiten haben. Sie würde einspringen, wenn die Agentur vom Kunden oder einem Dritten haftbar gemacht wird, weil z.B. durch einen Beratungsfehler ein Schaden entstand. Beispiel: Die Agentur riet dem Kunden, eine bestimmte umstrittene Werbeaussage zu machen, und nun muss der Kunde hohe Vertragsstrafen zahlen – in so einem Fall käme die Vermögensschadenhaftpflicht der Agentur auf. Die Versicherungsbranche hat auf die gestiegenen Risiken reagiert und bietet gerade Marketing- und PR-Agenturen passgenaue Policen an.
4. Grenzen des Versicherungsschutzes: Wie erwähnt, Vorsatz ist ausgeschlossen. Wenn also ein Influencer wissentlich an einem Betrug mitwirkt, wird keine Versicherung der Welt ihn vor Schadensersatzzahlungen bewahren. Auch bestimmte Spezialrisiken sind evtl. nicht standardmäßig abgedeckt – beispielsweise Geldstrafen oder Bußgelder können meist nicht versichert werden, weil dies gegen die guten Sitten verstoßen würde (man kann sich nicht von vornherein von Strafen „freikaufen“). Allerdings übernehmen einige Versicherungen Beratungskosten im Bußgeldverfahren. Auch Vertragsstrafen aus Unterlassungsverträgen sind oft ausgeschlossen oder nur gegen Aufpreis mitversicherbar.
Weiterhin haben Versicherungen Deckungssummen. Ein Influencer sollte überlegen, in welcher Höhe er absichern will. Bei sehr reichweitenstarken Influencern können potentielle Schadenssummen (etwa durch Massenabmahnungen oder Sammelklagen) schnell hochgehen, da empfiehlt sich eine höhere Deckungssumme im Millionenbereich. Für kleinere Influencer mag eine Grunddeckung von z.B. 250.000 € ausreichend erscheinen. Wichtig ist, dass die versicherten Risiken genau zum Geschäftsmodell passen. Wer z.B. auch einen eigenen Online-Shop betreibt, braucht zusätzlich Produkthaftpflicht; wer Angestellte hat, braucht Unfallversicherungen etc.
5. Versicherungsschutzerweiterungen: Einige moderne Policen umfassen auch Cyber-Risiken (z.B. wenn der Influencer Opfer eines Hackerangriffs wird und deswegen vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllen kann oder Daten verloren gehen) und Auslandsschäden (wichtig, wenn Follower aus dem Ausland Ansprüche nach dortigem Recht erheben – das kann passieren, wenn man global online ist). Die meisten deutschen Versicherungen decken EU-weit, teils weltweit, solange der Firmensitz in Deutschland ist.
Für Influencer, Agenturen und Unternehmen gilt gleichermaßen: Versicherungen ersetzen nicht die Compliance, aber sie sind ein essenzielles Sicherheitsnetz. Gerade für Einzelpersonen kann ein einziger Rechtsstreit existenzbedrohend sein – eine Versicherung schafft hier Kalkulierbarkeit. Es lohnt sich, Angebote zu vergleichen (Stichwort „Influencer-Versicherung“), da sich Leistungen und Prämien unterscheiden.
Kollektive Rechtsdurchsetzung: EU-Verbandsklage und US-Sammelklagen
In der Vergangenheit war es für Verbraucher in Deutschland schwierig, gegen unlautere Geschäftspraktiken gemeinsam vorzugehen – man war weit entfernt vom US-System der Sammelklagen. Doch jüngst hat sich auf EU-Ebene viel getan. Hier betrachten wir zum einen die neue EU-Verbandsklage-Richtlinie (EU) 2020/1828, die ab 2023/2024 in den Mitgliedstaaten umgesetzt wurde, und zum anderen exemplarisch die Situation in den USA, um einen Vergleichsmaßstab aufzuzeigen.
1. Europäische Verbandsklage (Abhilfeklage) seit 2023/2024: Die EU-Richtlinie 2020/1828 über Verbandsklagen soll den kollektiven Rechtsschutz stärken. Deutschland hat diese Richtlinie mit Verzögerung im Oktober 2023 umgesetzt (Verbraucherrechtedurchsetzungsgesetz – VDuG, auch Teil des sog. Verbandsklagenrichtlinienumsetzungsgesetz, VRUG). Kernstück ist die neue Abhilfeklage, eine Art Sammelklage durch Verbraucherverbände. Qualifizierte Verbraucherverbände können nun im eigenen Namen Klage erheben, um für eine Vielzahl von Verbrauchern entweder Unterlassung oder sogar Schadenersatz/Erstattung zu erreichen.
Bisher kannten wir in Deutschland nur die Unterlassungsklagen der Verbände (z.B. nach UKlaG oder UWG) und die Musterfeststellungsklage, die aber nur Feststellungen trifft und danach muss jeder selbst klagen. Die Abhilfeklage geht einen Schritt weiter: Sie ermöglicht in einem einzigen Verfahren eine Entscheidung, die für alle betroffenen Verbraucher einen Leistungsanspruch schafft.
Bezogen auf Influencer-Fälle bedeutet das: Wenn z.B. tausende Verbraucher durch eine irreführende Werbekampagne mit Influencer-Beteiligung finanziellen Schaden erlitten haben, könnte ein Verbraucherverband (etwa die Verbraucherzentrale) diesen Fall aufgreifen und gebündelt vor Gericht bringen. Beispiel: Eine Plattform verkauft einen Fake-Crypto-Token „SuperCoin“ und trommelt via bekannte Influencer Anleger zusammen. 5.000 Verbraucher investieren je 200 €, der Coin crasht auf null aufgrund betrügerischer Machenschaften. Nach altem Recht hätten diese 5.000 Leute individuell klagen müssen – was kaum jemand macht bei 200 € Schaden. Mit der neuen Verbandsklage könnte z.B. der Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Abhilfeklage gegen die Betreiber der Plattform (und ggf. gegen Mitverantwortliche) führen, um die 200 € pro Person einzufordern. Die Entscheidung würde dann allen Geschädigten zugutekommen, die sich dem Verfahren angeschlossen haben.
Für Influencer und Unternehmen erhöht dies den Druck: Die Gefahr, für Massenschäden in Haftung genommen zu werden, steigt. Wo früher die zerstreute Struktur der Verbraucher ein Schutz vor Klagen war, kann nun eine organisierte Stelle das Heft in die Hand nehmen. Wichtig: Die Verbandsklage richtet sich gegen Unternehmen, die gegen Verbraucherrechte verstoßen haben. Influencer selbst gelten juristisch meist auch als Unternehmen (im Sinne der Verbraucherklage, da sie geschäftliche Anbieter sind). Somit könnten sie prinzipiell ebenfalls Beklagte einer Verbandsklage sein, sofern ihr Verhalten gegen verbraucherschützende Vorschriften verstößt und viele Verbraucher betrifft. Denkbar wäre etwa eine Verbandsklage auf Unterlassung gegen einen Influencer, der systematisch Schleichwerbung betreibt, oder auf Schadenersatz, wenn viele Verbraucher nachweislich durch eine falsche Empfehlung finanziell geschädigt wurden. Realistischer ist aber, dass die Verbände primär gegen die Produktanbieter zielen – dort ist die Haftung klarer und die Finanzmasse größer.
Deutschland hat die EU-Vorgaben sogar „übertroffen“: Die Abhilfeklage erstreckt sich hierzulande nicht nur auf Verstöße gegen EU-Verbraucherschutzvorschriften, sondern auf alle zivilrechtlichen Ansprüche von Verbrauchern gegen Unternehmen (mit wenigen Ausnahmen). Das heißt, sogar deliktische Ansprüche (z.B. aus § 823 BGB) können in eine Verbandsklage gepackt werden. Diese weite Ausgestaltung wurde bewusst gewählt, um z.B. auch Massenfälle wie Dieselskandal oder Datenleck-Schäden unter die Klage zu ziehen. Für Influencer-Rechtsverstöße heißt das: Sollte ein Verhalten des Influencers eine deliktische Haftung gegenüber vielen Verbrauchern begründen (z.B. vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im großen Stil), könnte theoretisch ein Verband das gesammelt geltend machen. In der Praxis bleibt abzuwarten, ob Verbände Influencer direkt verklagen oder eher die dahinter stehenden Firmen.
2. Exkurs: Sammelklagen in den USA: In den Vereinigten Staaten sind class actions seit langem etabliert. Bei Verbraucherbetrug oder irreführender Werbung ist es gängig, dass Anwaltskanzleien im Namen aller Geschädigten klagen – häufig auch unter Einbeziehung von Prominenten oder Influencern, die an der Werbung beteiligt waren. Ein bekanntes Beispiel ist die Fyre Festival-Affäre (2017): Mehrere Promi-Influencer (z.B. Kendall Jenner, die für das Luxus-Festival warb) wurden in zivilrechtlichen Sammelklagen der geprellten Ticketkäufer mitverklagt. Kendall Jenner einigte sich später auf einen Vergleich und zahlte rund 90.000 US-Dollar, weil ihr vorgeworfen wurde, sie habe nicht kenntlich gemacht, dass ihr Werbepost bezahlt war und damit Fans in die Irre geführt. Auch wenn die Hauptschuld beim Veranstalter lag, zeigt dies: US-Anwälte scheuen nicht davor zurück, Influencer wegen Mitwirkung an Betrug zu verklagen.
Ähnliches sah man bei den zahlreichen Krypto-Skandalen in den USA: Beim Zusammenbruch des Krypto-Tokens EthereumMax reichten Anleger eine class action ein und nannten Kim Kardashian, Floyd Mayweather Jr. und andere Promis als Beklagte, weil diese mit Posts den Token hypeten (ohne offenzulegen, dass sie bezahlt wurden). Ein Gericht in Kalifornien hat diese Klage zwar zunächst abgewiesen, da die Richter Zweifel hatten, ob die Promis die Verantwortung für die Verluste tragen sollten – dennoch mussten sich die Influencer öffentlich damit auseinandersetzen. Kim Kardashian zahlte zudem an die Börsenaufsichtsbehörde SEC eine Strafe von 1,26 Mio. USD wegen Verstoßes gegen Disclosure-Pflichten bei der Werbung für das Wertpapier-Token.
Auch beim Fall FTX (Kryptobörsen-Betrug 2022) wurden berühmte Werbebotschafter wie ein Sportstar und Schauspieler in Sammelklagen genannt, da sie das Vertrauen der Kunden in die Plattform gestärkt hätten. Obwohl noch unklar ist, ob sie haften, bedeutet schon die Klage Teilnahme enorme Kosten und Reputationsschäden.
Der Unterschied zum deutschen/europäischen System liegt insbesondere in der Art der Klageführung: In den USA reichen oft private Anwaltskanzleien im Namen einiger exemplarischer Kläger eine Sammelklage ein und werben dann weitere Geschädigte ein. Die Schadenssummen können durch punitive damages (Strafschadenersatz) und Jury-Entscheidungen sehr hoch werden. Influencer in den USA bewegen sich daher auf vermintem Gelände, sobald sie sich an fragwürdigen Werbeaktionen beteiligen – die finanzielle Haftung kann um ein Vielfaches höher sein als die gezahlte Gage. Das Prozesskostenrisiko tragen dort oft die beklagten Promis und Firmen, während die Klägeranwälte auf Erfolgsbasis arbeiten.
3. Bedeutung für Deutschland 2025: Mit der EU-Verbandsklage kommen wir ein Stück weit in Richtung Sammelklagekultur – jedoch bleibt es gebündelt in den Händen von Verbänden (keine Wild-West-Klagen durch beliebige Kanzleien). Das schützt Influencer vielleicht vor überspannten Klagen, aber berechtigte Fälle werden künftig einfacher vor Gericht gebracht. Insbesondere bei Verbraucherschutzorganisationen wächst das Interesse an digitalen Märkten: Es ist denkbar, dass z.B. ein Verbraucherverband eine Abhilfeklage anstrengt, wenn ein größerer Anlageskandal mit Social-Media-Bewerbung passiert. Dann könnten sowohl der Anbieter als auch mitwissende Promoter zur Verantwortung gezogen werden.
Influencer, Agenturen und Unternehmen sollten diese Entwicklung aufmerksam verfolgen. Die Zeit der „praktischen Immunität“ bei breit gestreutem kleinem Schaden nähert sich dem Ende. Kollektive Ansprüche werden das nächste große Thema im Verbraucherrecht – und Influencer-Marketing wird davon berührt, sobald es zu messbaren Schäden bei vielen kommt.
Fazit und Empfehlungen für Influencer, Agenturen und Unternehmen
Die Analyse hat gezeigt: Influencer-Marketing ist rechtlich kein rechtsfreier Raum. Es bestehen zahlreiche Pflichten und potentielle Haftungsfallen – von der zivilrechtlichen Schadenshaftung über Wettbewerbsregeln (UWG) bis hin zu medienrechtlichen Vorgaben. Influencer, Agenturen und werbende Unternehmen müssen diese Ernst nehmen, um teure Prozesse, Bußgelder und Imageschäden zu vermeiden. Abschließend folgen konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis:
Für Influencer:
- Werberechtliche Compliance sicherstellen: Kennzeichne jede Kooperation klar als Werbung. Nutze am besten eindeutige Begriffe wie „Werbung“ oder „Anzeige“ gut sichtbar am Anfang eines Posts. Vermeide missverständliche Tags. Halte dich an die Leitlinien der Medienanstalten. Schleichwerbung kann Abmahnungen und Bußgelder nach sich ziehen – das Risiko ist es nicht wert.
- Wahrhaftig und vorsichtig werben: Mache nur solche Aussagen über ein Produkt, die du für wahr hältst und die vom Auftraggeber oder unabhängigen Stellen bestätigt sind. Übertreibungen oder gar falsche Versprechen sollen tabu sein. Im Zweifel frag den Werbepartner nach Belegen (Studien, Zertifikate). Gerade in regulierten Bereichen (Gesundheit, Finanzen) nutze Disclaimer: Weise z.B. auf Risiken hin („Hinweis: Kryptowährungen unterliegen starken Kursschwankungen, Kapitalverlust möglich“). Das schützt zwar nicht völlig vor rechtlicher Haftung, zeigt aber, dass du verantwortungsvoll handelst.
- Due Diligence bei Angeboten: Prüfe Sponsoren und Produkte, bevor du dich vertraglich bindest. Lege bei neuen oder unbekannten Firmen besonderen Wert auf Hintergrundrecherche. Frage dich: Würde ich das Produkt meinen Freunden/Familie empfehlen? Wenn nein, dann lieber Hände weg – kurzfristige Einnahmen rechtfertigen keinen Vertrauensverlust deiner Community oder rechtliche Probleme. Sei auch wachsam während der Kampagne: Sollten negative Anzeichen kommen, sprich sie beim Partner an. Notfalls brich eine Kooperation ab, ehe du zur Galionsfigur eines Skandals wirst.
- Vertrag gut verhandeln: Lass dir im Kooperationsvertrag zusichern, dass der Partner dich für bestimmte Risiken freistellt (z.B. Produktrisiken, Rechtsmängel). Achte darauf, was passiert, wenn du abgemahnt wirst – musst du allein zahlen oder unterstützt dich der Partner? Verstehe die Vertragsstrafen und Pflichten, die dir auferlegt werden. Wenn etwas unklar oder einseitig erscheint, scheue dich nicht, nachzuverhandeln oder rechtlichen Rat einzuholen. Ein solider Vertrag ist auch in deinem Interesse.
- Versichere dich: Überlege, eine Berufshaftpflichtversicherung für Influencer abzuschließen. Sie hilft, finanzielles Risiko aus Abmahnungen, Schadensersatzklagen etc. zu tragen. Viele erfolgreiche Influencer haben inzwischen so eine Police, genau wie andere Selbständige auch. Prüf, welche Risiken abgedeckt sind (Wettbewerbsverstöße, Urheberrechte, etc.). Die Prämie ist meist gut investiert, wenn man an die möglichen Streitkosten denkt.
- Dokumentiere Absprachen: Halte alle wichtigen Abmachungen mit dem Sponsor schriftlich fest (Briefing, Freigaben, besondere Hinweise). So kannst du im Zweifel nachweisen, dass du dich an die Vorgaben gehalten hast. Bewahre Kaufbelege auf, falls du selbst Produkte kaufst und vorstellst – so kannst du belegen, dass keine Gegenleistung floss (um eine Kennzeichnungspflicht zu widerlegen, falls nötig).
Für Agenturen:
- Kenntnis der Rechtslage: Stelle sicher, dass dein Team die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen im Influencer-Marketing kennt – insbesondere UWG und Medienstaatsvertrag. Veranstalte ggf. Schulungen für Mitarbeiter und auch für eure Influencer-Talents, damit allen bewusst ist, wie z.B. Kennzeichnungen korrekt erfolgen müssen.
- Vertrag mit dem Auftraggeber: In Verträgen mit den werbenden Unternehmen sollte klar geregelt sein, was eure Aufgaben sind und wo eure Haftung endet. Lasst euch nicht für Dinge haftbar machen, die außerhalb eurer Kontrolle liegen. Gleichzeitig gebt eine Garantie, dass ihr eure Influencer anleitet, alle Gesetze einzuhalten. Vereinbart, wer für Abmahnkosten aufkommt, falls doch etwas schiefgeht. Oft verlangen Auftraggeber, dass die Agentur im Innenverhältnis haftet – achtet hier auf Begrenzungen und versichert euch entsprechend.
- Vertrag mit Influencern: Wenn ihr als Agentur Influencer unter Vertrag nehmt oder Kampagnenverträge im Namen der Kunden abschließt, sorgt für deutliche Pflichten der Influencer: insbesondere Compliance-Klauseln (UWG, Plattformregeln etc.) und eine Verpflichtung zur Mitwirkung (z.B. rechtzeitige Vorlage von Posts zur Prüfung). Gleichzeitig behandelt eure Talents fair – klärt sie über Risiken auf, helft ihnen bei rechtlichen Fragen und steht im Ernstfall unterstützend zur Seite (etwa indem ihr bei einer Abmahnung einen Anwalt organisiert).
- Inhaltliche Kontrolle und Beratung: Entwickelt interne Checklisten für jeden Post: Ist die Kennzeichnung drin? Werden keine gesperrten Worte/Versprechen verwendet? Passt der Post auch zu den Richtlinien von Instagram/YouTube (um Sperren zu vermeiden)? Bietet an, jeden Beitrag vorab gegen zu lesen, ohne die kreative Handschrift zu zerstören. Oft reicht ein schnelles Screening aus juristischer Sicht. Richtet vielleicht einen Standardprozess ein, dass vor Veröffentlichung ein Jurist oder ein geschulter Mitarbeiter drüberschaut, vor allem bei riskanten Branchen.
- Vorsicht bei unseriösen Kunden: Prüft auch ihr als Agentur potentielle Kunden. Eine unbekannte Firma, die mit Geld um sich wirft und auf schnelle Influencer-Aktionen drängt, könnte dubios sein. Lieber einen Auftrag ablehnen, als später mit in einen Betrugsstrudel gezogen zu werden. Euer Ruf als Agentur hängt davon ab, glaubwürdige und sichere Kampagnen zu liefern.
- Versicherungsschutz: Schließt eine entsprechende Agenturhaftpflicht ab. Ein Fehler kann passieren – etwa ihr vergesst dem Influencer einen wichtigen Hinweis zu geben – und schon steht ein Anspruch im Raum. Eine Versicherung hilft, solche Schnitzer finanziell abzufedern. Achtet darauf, dass auch Beratungsfehler und Wettbewerbsverstöße mitversichert sind (das ist meistens bei Medienhaftpflicht der Fall).
Für werbende Unternehmen:
- Seriöse Partner und Influencer wählen: Schaut hin, mit wem ihr zusammenarbeitet. Passt der Influencer zur Marke und ist bisher positiv aufgefallen (statt durch Skandale)? Prüft ggf. vergangene Postings – wer in der Vergangenheit schon negativ durch Schleichwerbung oder Clickbait aufgefallen ist, könnte ein Risiko darstellen. Setzt eher auf Influencer mit Glaubwürdigkeit und einem Sinn für Verantwortung. Das schützt eure Marke und verringert die Wahrscheinlichkeit von Rechtsverstößen.
- Klare Briefings und Verträge: Legt im Kooperationsvertrag detailliert fest, was der Influencer tun und lassen muss. Insistiert auf Kennzeichnung, wahrheitsgemäße Darstellung, Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben (UWG, spezielle Gesetze je nach Produkt). Baut Freigabeschleifen ein, zumindest stichprobenartig. Besser, ein Posting verzögert sich einen Tag wegen Prüfung, als dass er unbedacht live geht und Abmahnpotenzial birgt. Außerdem: Vereinbart eine Haftungsfreistellung, so dass der Influencer euch Ausgaben ersetzt, die durch sein Fehlverhalten entstehen (z.B. Anwaltskosten bei Abmahnungen). Das schafft Disziplin und schützt euch finanziell.
- Überwachung der Kampagne: Verlasst euch nicht blind darauf, dass alles läuft. Monitort die Veröffentlichungen. Wenn ein Influencer sich nicht an Abmachungen hält (z.B. vergisst #Werbung), greift sofort ein, fordert Korrektur. Dokumentiert Verstöße und mahnt den Influencer ggf. intern ab – so könnt ihr im Zweifel zeigen, dass ihr euch um Compliance bemüht habt (was z.B. gegenüber einer Behörde mildernd sein kann).
- Krisenmanagement: Habt einen Plan, falls doch etwas schiefläuft. Wenn etwa öffentliche Kritik aufkommt oder eine Abmahnung ins Haus flattert, kommuniziert schnell mit der Agentur und dem Influencer. Entfernt problematische Inhalte, zeigt euch kooperativ mit Behörden oder Verbänden. Ein offener Umgang kann schlimmeres verhindern. Und: Schiebt im Ernstfall nicht reflexartig alle Schuld auf den Influencer – das mag juristisch in eurem Interesse liegen, aber öffentlich könnte es als unsauber wahrgenommen werden. Besser gemeinsam Verantwortung übernehmen und Schadenbegrenzung betreiben.
- Rechtliche Beratung einholen: Gerade bei heiklen Produkten (Finanzen, Gesundheit, Glücksspiel) lasst eure Werbemaßnahmen vorab von Rechtsanwälten oder Compliance-Experten prüfen. Das kostet zwar etwas, erspart aber teure Rechtsfolgen. In regulierten Branchen sollte ohnehin jeder Werbetext durch eine Fachabteilung gehen (z.B. Finanz-Compliance prüft, ob ein Influencer-Post den gesetzlichen Anforderungen an Anlagewerbung genügt).
- Verbandsklagen im Blick behalten: Mit der neuen Verbandsklage können Verbraucherschützer euer Marketing ins Visier nehmen. Achtet daher penibel darauf, Verbraucherrechte nicht zu verletzen. Dazu zählt auch Datenschutz (Influencer-Gewinnspiele sammeln oft Daten; DSGVO-Verstöße könnten ebenfalls Gegenstand von Verbandsklagen sein). Seid euch bewusst, dass kollektive Ansprüche teuer werden können – investiert lieber präventiv in rechtssichere Gestaltung als im Nachhinein in Massenentschädigungen.
Abschließendes Fazit: Die Haftung von Influencern und Agenturen für beworbene Produkte ist ein vielschichtiges Thema, das mit der Professionalisierung des Influencer-Marketings immer relevanter wird. Influencer bewegen sich rechtlich auf dünnem Eis, wenn sie die gesetzlichen Spielregeln ignorieren. Agenturen und Unternehmen müssen sich ihrer Mitverantwortung bewusst sein und dürfen rechtliche Fragen nicht als bloße „Formalitäten“ abtun. Wer in Social Media wirbt, sollte dies mit derselben Sorgfalt tun wie in klassischen Medien – denn Recht und Gesetz gelten plattformunabhängig.
Hält man sich aber an die Grundregeln (Transparenz, Wahrheit, Fairness) und trifft vertragliche sowie versicherungstechnische Vorsorge, lassen sich die meisten Risiken beherrschen. Dann kann Influencer-Marketing sein enormes Potenzial entfalten, ohne dass am Ende Gerichte oder Anwälte die Gewinne auffressen. Letztlich profitieren alle Beteiligten – Influencer, Agenturen, Unternehmen und Verbraucher – von sauberer und ehrlicher Werbung in den sozialen Medien.