Startups und junge Technologieunternehmen hängen oft von speziellen Geschäftsideen, Know-how und Kundenbeziehungen ab. Entsprechend groß ist das Interesse, dieses Unternehmens-Know-how vor Abwanderung zu schützen. Wettbewerbsverbote – also Vereinbarungen, die Gründern oder Mitarbeitern untersagen, in Konkurrenz zum Unternehmen zu treten – sind ein gängiges Mittel, um Know-how und Marktposition zu sichern. Während des laufenden Vertragsverhältnisses ergibt sich ein solches Wettbewerbsverbot bereits aus der gesetzlichen Treuepflicht. Nach Vertragsende dagegen besteht grundsätzlich Wettbewerbsfreiheit: Ohne besondere Abrede darf ein ehemaliger Mitarbeiter oder Gesellschafter sofort ein Konkurrenzunternehmen gründen oder bei der Konkurrenz anheuern. Um diese Konkurrenz durch Insider zu verhindern, können nachvertragliche Wettbewerbsverbote vereinbart werden.
Solche Klauseln unterliegen in Deutschland jedoch strikten Anforderungen aus Gesetz und Rechtsprechung. Relevante Rechtsgrundlagen sind vor allem die §§ 74–75f HGB für Arbeitnehmer (Handelsgesetzbuch, betreffend nachvertragliche Wettbewerbsverbote von Angestellten), § 138 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch, Sittenwidrigkeit von übermäßig restriktiven Vereinbarungen) und § 1 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Verbot kartellrechtswidriger Konkurrenzabreden). Werden die strengen Voraussetzungen nicht eingehalten, sind Wettbewerbsverbote entweder nichtig – also vollkommen unwirksam – oder zumindest unverbindlich, so dass die Betroffenen frei entscheiden können, ob sie sich daran halten wollen. Im Ergebnis sollen solche Klauseln nur insoweit wirken, wie es zum Schutz berechtigter Interessen des Unternehmens erforderlich ist, ohne die berufliche Tätigkeit der Betroffenen unbillig zu erschweren.
Im Folgenden wird – aus Sicht eines auf IT- und Vertragsrecht spezialisierten Anwalts – dargestellt, wie Wettbewerbsverbote in Startup-Verträgen rechtssicher gestaltet werden können. Dabei liegt der Fokus auf praktischen Gestaltungstipps für Gründer und Mitarbeiter in Deutschland. Zunächst werden Wettbewerbsverbote für Gründer/Gesellschafter beleuchtet, anschließend jene für Arbeitnehmer. Anhand von Gesetz, Rechtsprechung und Praxisleitfäden werden die Wirksamkeitsvoraussetzungen (z. B. Schriftform, Dauer, räumlicher Geltungsbereich, Karenzentschädigung, Schutzinteresse) erläutert und gezeigt, wie typische Klauseln formuliert sein müssen, um durchsetzbar zu sein.
Wettbewerbsverbote für Gründer und Gesellschafter
Treuepflicht und Wettbewerbsenthaltung während der Gesellschaftszugehörigkeit
Anders als Arbeitnehmer unterliegen Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH) keinem allgemeinen gesetzlichen Wettbewerbsverbot gegenüber „ihrer“ Gesellschaft. Insbesondere für die GmbH gibt es keine ausdrückliche Regelung im Gesetz; dennoch wird für bestimmte Gesellschafter ein Konkurrenzverbot aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht abgeleitet. Diese Pflicht zur Loyalität ergibt sich aus dem Gesellschaftsverhältnis selbst und besagt, dass der Gesellschafter die Interessen „seiner“ Gesellschaft nicht durch konkurrierende eigene Geschäfte beeinträchtigen darf. Während der Zugehörigkeit zur Gesellschaft – also solange jemand Gesellschafter ist – kann ihn die Treuepflicht daher an Wettbewerbsaktivitäten hindern.
Allerdings greift dieses gesetzliche Wettbewerbsverbot für Gesellschafter nur unter bestimmten Voraussetzungen. Maßgeblich ist, ob der Gesellschafter aufgrund seiner Stellung maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung und das Unternehmenskonzept nehmen kann. Typischerweise sind das Mehrheitsgesellschafter oder Gesellschafter-Geschäftsführer, die Zugriff auf Geschäftsgeheimnisse haben und die Geschicke der Firma lenken können. Solche dominanten Gesellschafter würden durch eigene Konkurrenzunternehmen einen Loyalitätskonflikt erzeugen, der mit ihrer Treuepflicht unvereinbar ist. Dagegen ist bei kleinen Minderheitsgesellschaftern ohne Einfluss umstritten, ob überhaupt ein Wettbewerbsverbot aus Treuepflicht besteht. In der Praxis wird man bei reinen Kapitalinvestoren ohne Geschäftsführungsbefugnis ein gesetzliches Konkurrenzverbot verneinen müssen. Für Komplementäre einer Personengesellschaft wie der OHG oder KG gilt hingegen gesetzlich ein strenges Wettbewerbsverbot (§ 112 HGB), da diese als geschäftsführende, unbeschränkt haftende Gesellschafter in besonderem Maße das Vertrauen der Mitgesellschafter genießen müssen.
Fazit: Bereits während der Dauer der Gesellschaftsbeteiligung sollten Gründer es unterlassen, im Geschäftsbereich der eigenen Gesellschaft in Konkurrenz zu treten. Bei maßgeblichen Gesellschaftern folgt dies schon aus Gesetz und Treuepflicht. Gleichwohl empfiehlt es sich, vertraglich Klarheit zu schaffen. Häufig wird im Gesellschaftsvertrag der GmbH (Satzung) eine Klausel aufgenommen, die allen Gesellschaftern während ihrer Zugehörigkeit bestimmte Konkurrenztätigkeiten untersagt. Damit unterliegen auch Minderheitsgesellschafter vertraglich einem Wettbewerbsverbot, selbst wenn die Treuepflicht gesetzlich nicht greift.
Wettbewerbsverbote im Gesellschaftsvertrag – Umfang und Grenzen
Viele Startup-Gründer vereinbaren bereits im Gesellschaftsvertrag (der Satzung) oder in einem gesonderten Gesellschaftervereinbarung ein Wettbewerbsverbot. Typischer Inhalt: Solange der Gründer an der Gesellschaft beteiligt ist und für eine gewisse Zeit nach seinem Ausscheiden darf er kein eigenes Konkurrenzunternehmen aufbauen und nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig werden. Solche vertraglichen Klauseln bedürfen keiner besonderen Form und können individuell ausgehandelt werden. Ihre Wirksamkeit stößt jedoch auf Grenzen des Zivil- und Kartellrechts, insbesondere § 138 BGB und § 1 GWB.
Wettbewerbsverbote in Gesellschaftsverträgen müssen angemessen beschränkt sein – zeitlich, räumlich und nach Gegenstand. Sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zum Schutz der Gesellschaft wirklich erforderlich ist. Der Bundesgerichtshof und die Obergerichte legen hier einen strengen Maßstab an. Eine Interessenabwägung ist im Einzelfall vorzunehmen: Das Interesse des (Mit-)Gesellschafters an beruflicher Betätigungsfreiheit ist gegen das Interesse der Gesellschaft am Schutz vor illoyaler Konkurrenz abzuwägen.
Unzulässig und sittenwidrig (§ 138 BGB) sind etwa zu pauschale Branchenschutzklauseln, die dem Gesellschafter jegliche Tätigkeit in der gesamten Branche der Gesellschaft untersagen.. Ein solches umfassendes Tätigkeitsverbot käme faktisch einem Berufsverbot gleich und ist deshalb unwirksam Beispiel: Eine Klausel, die einem ausscheidenden Gesellschafter verbietet, irgendwelche Tätigkeiten in jedwedem Unternehmen auszuüben, das irgendeinem Unternehmensgegenstand der Startup-GmbH ähnlich ist oder sein könnte, geht klar zu weit. Das Oberlandesgericht München hat eine derart ausgedehnte Wettbewerbsvereinbarung (die sogar potenzielle zukünftige Konkurrenz und weitläufig verbundene Unternehmen erfasste) samt Vertragsstrafe als nichtig verworfen. Selbst eine im Vertrag vorgesehene Möglichkeit, den Gesellschafter per Gesellschafterbeschluss im Einzelfall vom Verbot zu befreien, konnte die überzogene Klausel nicht retten. Denn der Betroffene hatte keinen Anspruch auf Befreiung, sondern war bis zu einer gerichtlichen Klärung an das Verbot gebunden – ein unzumutbarer Zustand.
Zulässig sind demgegenüber eng gefasste Verbote, die sich auf schützenswerte Interessen der Gesellschaft beschränken. Ein oft genanntes Beispiel ist das Kundenschutzverbot: Etwa darf dem ausscheidenden Gesellschafter untersagt werden, für zwei Jahre nach seinem Ausscheiden bestimmte Kunden der letzten Jahre abzuwerben oder zu übernehmen So eine Klausel schützt den bestehenden Kundenstamm und damit einen legitimen Geschäftswert der Gesellschaft, ohne dem Gründer jede Berufsausübung zu verbauen. Auch das Verbot, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft nach dem Ausscheiden zu verwerten, ist selbstverständlich zulässig – hierfür besteht sogar ohne ausdrückliche Regelung eine fortwirkende Pflicht zum Geheimnisschutz.
Zeitliche Grenzen: Nach überwiegender Ansicht ist bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten von Gesellschaftern eine Höchstdauer von zwei Jahren angemessen. Alles, was darüber hinausgeht, überschreitet in der Regel das „notwendige Maß“ und wird als unverhältnismäßig angesehen. Der BGH spricht insoweit von einer Regelgrenze von zwei Jahren. Nur in besonderen Ausnahmefällen – etwa wenn ein Gesellschafter beim Ausscheiden eine sehr hohe Gegenleistung erhält oder andere erhebliche Interessen im Spiel sind – kann ein längeres Verbot gerechtfertigt sein. Wird im Vertrag trotzdem ein längerer Zeitraum festgelegt (z. B. fünf Jahre), läuft man Gefahr, dass die Klausel insgesamt nichtig ist. Praxis-Tipp: Um zumindest den zulässigen Zeitraum zu retten, empfiehlt sich eine Salvatorische Klausel, die eine überlange Frist im Zweifel automatisch auf das rechtlich zulässige Maß verkürzt. So hat der BGH entschieden, dass bei einer überlangen Kundenschutzklausel nicht etwa das gesamte Verbot entfällt, sondern die Zeit auf maximal zwei Jahre zu begrenzen ist. Dennoch sollte man von vornherein die zeitliche Ausdehnung moderat halten.
Räumliche und gegenständliche Begrenzung: Ebenso muss der örtliche Geltungsbereich und der sachliche Umfang klar und möglichst eng umrissen werden. Die Klausel sollte sich nur auf Märkte und Geschäftsfelder beziehen, in denen die Gesellschaft tatsächlich tätig ist oder zumindest konkrete Pläne hat. Es empfiehlt sich, an den im Gesellschaftsvertrag definierten Unternehmensgegenstand anzuknüpfen und ggf. bestimmte Regionen auszunehmen, in denen das Startup nicht operiert. Globale Wettbewerbsverbote ohne Gebietseinschränkung sind regelmäßig problematisch, wenn das Unternehmen nicht weltweit agiert. Hier droht ein Verstoß gegen die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und § 138 BGB. Gerichte verlangen, dass der ausscheidende Gründer der Klausel eindeutig entnehmen kann, welche Tätigkeiten konkret untersagt sind. Unklar oder allzu pauschal formulierte Verbote sind im Zweifel unwirksam.
Kartellrechtliche Kontrolle (§ 1 GWB): Ein weiterer Prüfstein ist das Kartellrecht. Gesellschaftsvertragliche Konkurrenzverbote dürfen nicht bloß den Zweck haben, unliebsame Konkurrenz zu unterbinden, ohne dass dies zum Funktionieren der Zusammenarbeit notwendig wäre. Nach § 1 GWB sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen unzulässig, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken. Zwar beruht ein Wettbewerbsverbot zwischen Gesellschaftern auf ihrem gemeinsamen Gesellschaftsvertrag und ist insofern Teil der Zusammenarbeit (sog. Nebenabrede). Dennoch hat das Oberlandesgericht Düsseldorf betont, dass nachvertragliche Wettbewerbsverbote unter Kartellgesichtspunkten nur erlaubt sind, wenn sie zum Schutz vor illoyaler Ausnutzung der gemeinsamen Arbeit notwendig sind. Kein schutzwürdiges Interesse besteht demnach daran, einem Ex-Gesellschafter jegliche Konkurrenztätigkeit zu verbieten. Zulässig ist eine Schutzklausel nur, **wenn unter angemessenen Bedingungen verhindert werden soll, dass der Ausscheidende Kunden abwirbt, zu denen er nur aufgrund seiner Gesellschafterstellung Zugang hatte, oder interne Informationen nutzt, die ihm ebenfalls nur als Gesellschafter bekannt wurden. Kurz gesagt: Das Verbot muss auf die Verhinderung illoyaler Konkurrenz zugeschnitten sein, nicht auf ein generelles Aussperren eines neuen Wettbewerbers. Andernfalls kann ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot gegen § 1 GWB verstoßen und damit auch als sittenwidrig nach § 138 BGB nichtig sein. Gerade bei kleinen Minderheitsgesellschaftern ohne maßgeblichen Einfluss wird ein umfassendes Konkurrenzverbot kartellrechtlich kritisch gesehen In solchen Fällen dient es offenbar nur dazu, Konkurrenz zu „ersparen“, was keinen ausreichenden Rechtfertigungsgrund darstellt.
Fazit für Gründerklauseln: Wettbewerbsverbote im Gesellschaftsvertrag sind ein wichtiges Instrument, um Gründer an das Startup zu binden und Know-how zu schützen. Sie sollten aber mit Augenmaß formuliert werden. In der Praxis empfiehlt es sich, solche Verbote eng zu fassen – in sachlicher und räumlicher Hinsicht beschränkt auf das Geschäftsfeld und Kerngebiet der Gesellschaft. Nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters sollte ein Wettbewerbsverbot nicht länger als zwei Jahre gelten. Längere Zeiträume sind nur ausnahmsweise und dann gegen angemessene Karenzentschädigung vertretbar. Die Klausel muss transparent erkennen lassen, welche Tätigkeiten untersagt sind. Unklare oder unverhältnismäßige Verbote riskieren die Nichtigkeit im Ganzen. Schließlich ist zu beachten, dass bei standardmäßiger Verwendung solcher Klauseln (etwa in Muster-Gesellschaftsverträgen) auch eine AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB stattfinden kann. Eine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner würde zur Unwirksamkeit führen. Insgesamt gilt: Nur notwendige Einschränkungen sind erlaubt – das berechtigte Schutzinteresse der Gesellschaft (etwa an Kundenbindung oder Geheimnisschutz) muss stets gegen die berufliche Handlungsfreiheit des Gründers abgewogen werden.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote bei Geschäftsführer-Verträgen
Nicht selten sind Startup-Gründer zugleich als Geschäftsführer der GmbH tätig. Auch ohne Gesellschafterstellung unterliegt ein GmbH-Geschäftsführer während seiner Amtszeit kraft Organpflicht einem umfassenden Wettbewerbsverbot – er darf keiner Tätigkeit nachgehen, die die Interessen „seiner“ GmbH beeinträchtigtk1.de. Nach der Abberufung oder Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags gilt jedoch ebenfalls: Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung. Gesetzliche Vorschriften wie §§ 74 HGB gelten für Fremd-Geschäftsführer nicht direkt, da diese keine Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne sind Die Wirksamkeit eines solchen Verbots bestimmt sich daher im Wesentlichen nach § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) und den oben skizzierten Grundsätzen der Rechtsprechung. Nach dem Ausscheiden eines Geschäftsführers ist ein Wettbewerbsverbot über zwei Jahre hinaus regelmäßig unzulässig, es sei denn, es wird eine angemessene Entschädigung gezahlt In der Praxis enthalten Geschäftsführer-Dienstverträge oft Klauseln, die sich an den Regeln der §§ 74 HGB orientieren, um Rechtssicherheit zu schaffen. Insbesondere bei Fremd-Geschäftsführern (ohne Gesellschaftsanteile) wird häufig eine Karenzentschädigung vereinbart, obwohl gesetzlich keine Arbeitnehmerentschädigungspflicht besteht – dies um einer möglichen Einstufung als sittenwidriges Berufsverbot vorzubeugen. Bei geschäftsführenden Gesellschaftern überschneiden sich die Rollen: Hier kann sowohl die arbeitnehmerähnliche Stellung wie auch die Gesellschafterstellung eine Prüfung erfordern. Die Gerichte wenden in solchen Fällen ebenfalls die Zwei-Jahres-Grenze an und verlangen für längere Verbote eine Kompensation Insgesamt sollten Wettbewerbsklauseln in Geschäftsführer-Verträgen ähnlich umsichtig formuliert werden wie für Gründer – beschränkt auf das Notwendige und möglichst unter Anlehnung an die bewährten arbeitsrechtlichen Vorgaben.
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Mitarbeiter (Arbeitsvertrag)
Für angestellte Mitarbeiter – vom Softwareentwickler bis zum Vertriebsleiter – gelten nach Ende des Arbeitsverhältnisses die speziellen Regeln der §§ 74 ff. HGB. Diese seit langem kodifizierten Vorschriften stellen sicher, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot nur unter strengen Voraussetzungen verbindlich ist. Hintergrund ist, dass ein solches Verbot einen erheblichen Eingriff in die berufliche Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers darstellt. Wer seinem ehemaligen Arbeitgeber Konkurrenz fernhalten will, muss im Gegenzug dem Arbeitnehmer gewisse Zusagen (v. a. Entschädigung) machen, damit das Verbot ausgewogen und gerecht ist.
Gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzungen (§§ 74 ff. HGB)
Nach § 74 HGB ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gegenüber einem Arbeitnehmer nur verbindlich, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
Schriftliche Vereinbarung: Das Wettbewerbsverbot muss schriftlich niedergelegt und von beiden Parteien unterzeichnet sein. Im Arbeitsvertrag selbst oder in einer separaten Vereinbarung ist die Klausel aufzunehmen. Fehlt die Schriftform, ist das Verbot nichtig. (Hinweis: Üblicherweise erhalten Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils ein Original – die Schriftform des § 126 BGB ist erforderlich.)
Aushändigung: Zwar nicht ausdrücklich in § 74 HGB geregelt, aber anerkannt: Der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer spätestens bei Vertragsende eine Ausfertigung der Wettbewerbsabrede übergeben. Andernfalls kann er sich später nicht darauf berufen (vgl. § 74b Abs. 2 HGB a. F., heute in der Rechtsprechung fortwirkend).
Höchstfrist von 2 Jahren: Die Dauer der nachvertraglichen Bindung darf maximal zwei Jahre betragen. Längere Karenzzeiten sind gesetzlich unzulässig. Ist dennoch eine längere Zeit vereinbart, so ist das Verbot insoweit unverbindlich – der Arbeitnehmer kann also nach zwei Jahren wieder frei konkurrieren, selbst wenn der Vertrag etwas anderes vorsieht. Praktisch werden Vertragsklauseln daher auf 12 oder 24 Monate befristet.
Berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers: Die Wettbewerbsklausel muss sachlich durch ein legitimes Interesse des Unternehmens gerechtfertigt sein. Typische Schutzinteressen sind z. B. der Schutz von Betriebsgeheimnissen, Know-how, Kundenbeziehungen oder spezifischem Firmenwissen, das der Mitarbeiter im Laufe seiner Tätigkeit erworben hat. Kein berechtigtes Interesse besteht, wenn das Verbot nur dazu dient, lästige Konkurrenz zu unterdrücken, ohne dass der Mitarbeiter in sensiblen Bereichen tätig war. Eine Konkurrenzklausel sollte daher idealerweise angeben, welche Interessen sie schützen soll (z. B. „zum Schutz der vertraulichen Kunden- und Produktinformationen des Arbeitgebers“). Fehlt ein schutzwürdiges Interesse völlig, ist das Verbot unverbindlich.
Keine unbillige Erschwerung des beruflichen Fortkommens: Das Verbot darf den Arbeitnehmer nicht unbillig in seiner beruflichen Entwicklung behindern. Das bedeutet, es muss in räumlicher, fachlicher und branchenmäßiger Hinsicht so bemessen sein, dass der Arbeitnehmer trotz des Verbots noch eine angemessene Möglichkeit hat, seinem Beruf nachzugehen. Ein totaler Branchenwechsel oder Umzug sollte nicht die einzige verbleibende Option für den Mitarbeiter sein. Übermäßig weite Verbote (z. B. „weltweit in jeglicher Tätigkeit der IT-Branche“) genügen diesem Kriterium nicht und wären unverbindlich Die Klausel sollte daher das konkrete Wettbewerbsfeld benennen, etwa beschränkt auf bestimmte Produkte, Kundenkreise oder Regionen, in denen der ehemalige Mitarbeiter nicht tätig werden darf. Was als angemessen gilt, richtet sich nach dem Einzelfall (Position des Mitarbeiters, Markt, Spezialisierung etc.).
Karenzentschädigung: Entscheidend ist die finanzielle Gegenleistung: Der Arbeitgeber muss sich verpflichten, dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots eine Karenzentschädigung von mindestens 50 % der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen zu zahlen. Diese Entschädigungspflicht ist in § 74 Abs. 2 HGB zwingend vorgeschrieben. Erfasst wird das zuletzt erhaltene Gesamtverdienstpaket: in die Berechnung fließen das zuletzt gezahlte Grundgehalt plus variable Vergütungen, Boni, anteiliges Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Provisionen, Sachbezüge etc. ein. Beispiel: Verdiente der Mitarbeiter zuletzt 80.000 € Jahresgehalt plus Bonus und Dienstwagen zur Privatnutzung im Wert von weiteren 20.000 €, so beträgt die jährliche Mindestentschädigung 50.000 € (also 50 % von 100.000 €), mithin ca. 4.167 € pro Monat während der Karenzzeit. – Die Vereinbarung einer höheren Karenzentschädigung (z. B. 100 %) ist zulässig; unterhalb der 50 %-Grenze ist sie unwirksam. Fehlt im Vertrag jegliche Entschädigungszusage, ist das Wettbewerbsverbot nichtig (absolut unwirksam) Ist die Entschädigung zugesagt, aber zu niedrig bemessen (<50 %), so ist das Verbot unverbindlich – dazu gleich mehr.
Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Konkurrenzklausel verbindlich, d. h. der Arbeitnehmer muss sie nachvertraglich beachten und hat im Gegenzug Anspruch auf die vereinbarte Entschädigung. Fehlt auch nur eine Voraussetzung, hat dies gravierende Folgen: Das Verbot ist dann rechtlich nicht durchsetzbar. Allerdings unterscheidet man – wie angedeutet – zwischen zwei Abstufungen der Unwirksamkeit:
Nichtigkeit: Bei ganz erheblichen Mängeln (insbesondere Formverstoß oder keinerlei Entschädigung) ist das Verbot nichtig und entfaltet keinerlei rechtliche Wirkung Der Arbeitnehmer darf konkurrenzlos tätig werden und es besteht auch kein Anspruch auf Karenzentschädigung, da die Klausel so behandelt wird, als hätte es sie nie gegeben.
Unverbindlichkeit: Liegt zwar eine Klausel vor, die aber bestimmte inhaltliche Mindestanforderungen verfehlt (z. B. zu geringe Entschädigung, überlange Dauer, fehlendes Interesse), so ist das Verbot zwar nicht per se unwirksam, aber für den Arbeitnehmer „unverbindlich“. Das bedeutet: Der Arbeitnehmer hat ein Wahlrecht. Er kann zu Beginn der Karenzzeit entscheiden, ob er sich an das Verbot halten will und dafür Entschädigung beansprucht, oder ob er auf das Verbot verzichtet und damit auch keine Entschädigung erhält. Dieses Wahlrecht muss unverzüglich ausgeübt werden, praktisch also unmittelbar nach Ende des Arbeitsverhältnisses. Übt der Arbeitnehmer sein Wahlrecht nicht ausdrücklich aus, wird man annehmen können, dass er durch Aufnahme einer konkurrierenden Tätigkeit konkludent die Loslösung wählt.
Unverbindlichkeit tritt gesetzlich insbesondere in folgenden Fällen ein (vgl. § 74 Abs. 2 HGB und § 74a HGB):
die Karenzentschädigung ist unter 50 % des letzten Verdienstes vereinbar,
die Dauer des Verbots überschreitet 2 Jahre,
es fehlt jedes berechtigte geschäftliche Interesse des Arbeitgebers am Verbo,
das Verbot würde eine unangemessene Erschwerung des beruflichen Fortkommens bedeuten (z. B. zu weites Tätigkeitsfeld,
das Verbot ist als bedingtes Wettbewerbsverbot ausgestaltet (z. B. gilt nur, wenn der Arbeitgeber willkürlich darauf besteht).
In diesen Konstellationen kann der Mitarbeiter sich also aussuchen, ob er das Konkurrenzverbot beachtet oder nicht. Hält er sich daran, kann er vom Arbeitgeber die vertragliche (mindestens aber die gesetzliche Mindest-)Karenzentschädigung verlangen. Ignoriert er das Verbot, erhält er keinerlei Entschädigung, da dann auch der Zweck entfällt. Der Arbeitgeber seinerseits kann in diesem Fall gegen den Mitarbeiter nichts aus dem nicht verbindlichen Vertrag herleiten.
Beispiel: Im Arbeitsvertrag ist ein einjähriges Wettbewerbsverbot vereinbart, der Arbeitgeber verspricht aber nur 30 % der letzten Bezüge als Karenzentschädigung. Dies liegt unter dem gesetzlichen Minimum. Der Entwickler kündigt und gründet ein eigenes Startup in derselben Branche. Er kann nun frei entscheiden: Entweder er hält sich an das Verbot, stellt seine Tätigkeit für ein Jahr zurück und fordert 50 % seines letzten Gehalts (die gesetzlich geschuldete Mindestentschädigung) ein. Oder er betrachtet das Verbot als für ihn nicht bindend – dann kann er sofort sein Startup betreiben, verzichtet aber auf die 30 % Entschädigung. Da 30 % des Gehalts kaum den Verdienstausfall kompensieren, wird er sich vermutlich für die Wettbewerbstätigkeit entscheiden. – Ergebnis: Die Klausel verfehlt ihren Zweck; der Arbeitgeber kann ihn mangels Verbindlichkeit nicht an der Konkurrenz hindern.
Hinweis: Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, ein unverbindliches Verbot proaktiv aus der Welt zu schaffen, bevor der Arbeitnehmer sein Wahlrecht ausübt. Erkennt der Arbeitgeber z. B., dass die Klausel wegen zu geringer Entschädigung unverbindlich ist, kann er gemäß § 75a HGB vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich auf das Wettbewerbsverbot verzichten, um die Unsicherheit zu beseitigen. Dann entfällt das Verbot und der Arbeitnehmer darf konkurrenzieren – allerdings muss der Arbeitgeber für bis zu ein Jahr trotzdem die Hälfte der Vergütung zahlen (siehe unten).
Typische Inhalte einer Konkurrenzklausel im Arbeitsvertrag
Ein gut gestaltetes nachvertragliches Wettbewerbsverbot im Arbeitsvertrag umfasst folgende Kernelemente:
Geltungsbereich der Verbots: Es wird präzise beschrieben, welche Tätigkeiten unter das Verbot fallen. Meist wird auf das konkrete Geschäftsfeld des Arbeitgebers abgestellt, z. B. „der Arbeitnehmer darf nicht für ein Unternehmen tätig werden, das mit der XYZ GmbH auf dem Gebiet der Entwicklung von Zahlungssoftware in Wettbewerb steht“. Auch bestimmte Kunden oder Projekte können einbezogen werden. Je konkreter der Tätigkeitsbereich umrissen ist, desto eher gilt das Verbot als angemessen.
Räumliche Ausdehnung: Das Verbot sollte das geografische Gebiet nennen, in dem es gilt – etwa „innerhalb Deutschlands“ oder „im Markt der DACH-Region“. Ein globales Verbot ist nur gerechtfertigt, wenn das Unternehmen weltweit operiert. Andernfalls sollte die Klausel auf relevante Länder oder Regionen beschränkt sein, um nicht unverhältnismäßig zu wirken.
Dauer (Karenzzeit): Üblich sind 6 bis 24 Monate. Die Maximaldauer beträgt 24 Monate ab Ende des Arbeitsverhältnisses. Empfehlenswert ist es, konkret das Enddatum oder die genaue Monatszahl festzuhalten, z. B. „für die Dauer von einem Jahr nach Ausscheiden“. Ein überlanger Zeitraum würde wie erwähnt automatisch auf 2 Jahre begrenzt; dennoch sollte man nicht darüber hinausgehen.
Karenzentschädigung: Die Klausel muss die Höhe der Entschädigung festlegen, mindestens „50 % der zuletzt erhaltenen vertragsmäßigen Vergütung“. Oft wird genau dieser Wortlaut aus dem Gesetz übernommen. Alle Vergütungsbestandteile sollten einbezogen werden. Häufig vereinbaren Arbeitgeber aus Gleichbehandlungsgründen exakt 50 %, obwohl auch 60 % oder mehr möglich wären. Die Entschädigung ist für jeden Monat der Karenzzeit zu zahlen (meist nachträglich monatlich). Die Klausel kann außerdem regeln, dass dem Arbeitnehmer auf Verlangen ein angemessener Vorschuss gezahlt wird (§ 74b HGB).
Anrechnung anderweitigen Verdienstes: Gesetzlich darf der Arbeitnehmer während der Karenz woanders arbeiten, muss sich aber anrechnen lassen, was er dort verdient, soweit Entschädigung + neues Gehalt > 110 % des früheren Einkommens ausmacht. Mit anderen Worten: Dem Arbeitnehmer soll insgesamt max. 110 % seines alten Gehalts zufließen; darüber hinausgehender Verdienst wird von der Karenzentschädigung abgezogen. Eine gute Vertragsklausel erwähnt diese „110 %-Regel“ und verpflichtet den Arbeitnehmer, dem früheren Arbeitgeber seine neuen Einkünfte mitzuteilenfirma.de. So kann der Arbeitgeber überhöhte Zahlungen vermeiden. Beispiel: Verdient der Ex-Mitarbeiter im neuen Job 80 % seines alten Gehalts, erhält er vom alten Arbeitgeber trotz des neuen Verdienstes weiterhin die vollen 50 % Karenzentschädigung (denn 80 % + 50 % = 130 % > 110 % – bis zur 110 %-Schwelle kann also ein Abzug von 20 % erfolgen, sodass letztlich 30 % vom alten Arbeitgeber gezahlt würden). Verdient er hingegen bereits 120 % des früheren Gehalts, muss der alte Arbeitgeber nichts zahlen, da die Schwelle überschritten ist.
Vertragsstrafe (optional): Um die Einhaltung zu sichern, versehen manche Arbeitgeber die Klausel mit einer Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung. Beispielsweise kann vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer für jeden Fall der schuldhaften Verletzung eine pauschale Strafe (etwa ein Monatsgehalt) zahlt. Allerdings ist Vorsicht geboten: Eine zu hohe oder unbestimmte Vertragsstrafe kann selbst unwirksam sein oder das Verbot in der Gesamtschau unverhältnismäßig erscheinen lassen. Zudem ersetzt sie nicht den gesetzlichen Schadensersatz: Unabhängig von einer Strafe kann der Arbeitgeber bei Verstoß Schadensersatz verlangen, etwa herausverlangen, was der Arbeitnehmer an Gewinnen durch die konkurrierende Tätigkeit erzielt hat (§ 61 HGB). Viele Wettbewerbsverbote kommen auch ohne Vertragsstrafe aus, da dem Mitarbeiter klar ist, dass er bei Verstoß zumindest seine Entschädigung riskiert und mit Unterlassungsklagen rechnen muss.
Zusätzlich kann im Vertrag vermerkt werden, dass §§ 74 ff. HGB ergänzend gelten, um keine Zweifel offenzulassen. Oft werden auch die Kündigungskonstellationen (dazu gleich) erwähnt, z. B. ein Hinweis, dass das Verbot bei einer arbeitgeberseitigen Kündigung entfällt. Insgesamt sollte die Formulierung transparent, eindeutig und vollständig sein – wie es auch die AGB-rechtliche Kontrolle verlangt, falls es sich um einen standardisierten Arbeitsvertrag handelt.
Rechtsfolgen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ob eine vereinbarte Wettbewerbsabrede tatsächlich greift, hängt entscheidend davon ab, wie das Arbeitsverhältnis beendet wird. Das HGB trifft hierzu differenzierende Regelungen, um Fairness herzustellen (§ 75 HGB):
Arbeitnehmer kündigt ordentlich: Endet das Arbeitsverhältnis durch Kündigung seitens des Mitarbeiters, tritt das nachvertragliche Wettbewerbsverbot wie vereinbart in Kraft. Der Arbeitnehmer hat sich dann an die Konkurrenzklausel zu halten und erhält im Gegenzug die Karenzentschädigung.
Arbeitnehmer kündigt fristlos aus wichtigem Grund (§ 626 BGB) wegen Arbeitgeberverschulden: Löst der Arbeitnehmer den Vertrag aus vom Arbeitgeber zu vertretenden Gründen (z. B. wegen ausbleibender Gehaltszahlungen oder grober Vertragsverletzungen), so wäre es unbillig, ihn dennoch an die Konkurrenz zu fesseln. Daher bestimmt § 75 Abs. 1 HGB: In diesem Fall wird das Wettbewerbsverbot unwirksam, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats nach der Kündigung schriftlich erklärt, dass er sich nicht daran gebunden erachtet. Mit dieser Erklärung (einer einseitigen Lösungserklärung) entfällt das Verbot vollständig. Unterlässt der Arbeitnehmer die Erklärung, bleibt das Verbot grundsätzlich bestehen – er könnte sich also auch entscheiden, trotz Kündigung aus wichtigem Grund die Entschädigung zu nehmen; praktisch wird aber fast immer der Verzicht erklärt.
Arbeitgeber kündigt ordentlich (betriebs- oder personenbedingt): Spricht der Arbeitgeber seinerseits eine ordnungsgemäße Kündigung aus, so wird das Wettbewerbsverbot unwirksam, § 75 Abs. 2 HGB. Diese – für viele überraschende – Regel soll verhindern, dass ein Mitarbeiter doppelt benachteiligt wird: Erst verliert er auf Veranlassung des Unternehmens seinen Job, dann dürfte er nicht einmal woanders in seinem Beruf arbeiten. Daher entfällt das Verbot, wenn der Arbeitgeber gekündigt hat. Ausnahme: Kündigt der Arbeitgeber aus einem erheblichen, in der Person des Mitarbeiters liegenden Anlass (d.h. aus verhaltensbedingten Gründen, z. B. Diebstahl, schwere Pflichtverletzung), bleibt das Verbot bestehen. Denn hier hat der Arbeitnehmer durch sein Verhalten die Kündigung provoziert; es erscheint gerechtfertigt, ihn gleichwohl an die vorher vereinbarte Konkurrenzklausel zu binden – anderenfalls würde ein Fehlverhalten ihn sogar von der Pflicht entlasten.
Arbeitgeber kündigt fristlos aus wichtigem Grund (Verhaltensbedingte Kündigung): Auch hier sieht § 75 Abs. 3 HGB vor, dass das Wettbewerbsverbot weiterhin gelten kann. Allerdings entfällt in diesem Fall die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der Karenzentschädigung. Hintergrund: Wenn der Arbeitnehmer durch eine außerordentliche Kündigung wegen eigenen Fehlverhaltens ausscheidet (z. B. Vertrauensbruch, Konkurrenz während des Arbeitsverhältnisses etc.), soll er nicht noch mit einer Entschädigung „belohnt“ werden, während er gleichzeitig von der Konkurrenz ferngehalten wird. Das Gesetz ermöglicht dem Arbeitgeber also, bei berechtigter fristloser Kündigung das Verbot ohne Entschädigung durchzusetzen. In der Praxis ist dieser Fall selten – meist ziehen es Arbeitgeber vor, auf das Verbot zu verzichten, um keine unnötigen Rechtsstreitigkeiten zu riskieren.
Verzicht durch den Arbeitgeber (§ 75a HGB): Der Arbeitgeber kann jederzeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses einseitig auf das vereinbarte Wettbewerbsverbot verzichten, um sich von der Bindung zu lösen. Der Verzicht muss schriftlich erklärt werden. Durch eine solche Verzichtserklärung wird der Arbeitnehmer sofort von der Konkurrenzklausel befreit. Allerdings bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, noch für 12 Monate die Karenzentschädigung zu zahlen (oder für die restliche kürzere Dauer des Verbots, falls dieses unter einem Jahr lag). Faktisch kann der Arbeitgeber sich somit „freikaufen“. In vielen Fällen zeigt sich erst nach einiger Zeit, dass das Wettbewerbsverbot doch nicht so wichtig war (etwa weil der Mitarbeiter gar keinen kritischen Einblick hatte). Dann ist der Verzicht eine Option, um künftige Entschädigungszahlungen zu sparen – allerdings mit der erwähnten Ein-Jahres-Nachwirkung: Verzichtet der Arbeitgeber etwa zum Kündigungszeitpunkt, muss er noch ein volles Jahr ab Austritt zahlen, selbst wenn der Mitarbeiter sofort bei der Konkurrenz anfängt. Praxis-Tipp: Da die finanziellen Folgen erheblich sind, sollte ein Arbeitgeber nur für Schlüsselpersonen überhaupt ein Wettbewerbsverbot vereinbaren. Ein übervorsorgliches „Standard“-Wettbewerbsverbot für jeden Angestellten führt oft dazu, dass man später per Verzicht wieder herausmuss und dennoch zahlen darf.
Durchsetzung und Folgen bei Verstoß
Hält sich ein ehemaliger Mitarbeiter an das wirksam vereinbarte Wettbewerbsverbot, erhält er monatlich die Karenzentschädigung. Verstößt er jedoch dagegen – z. B. indem er heimlich doch für einen Konkurrenten arbeitet oder selbst ein konkurrierendes Projekt startet –, hat dies mehrere Konsequenzen:
Verlust der Entschädigung: Der Arbeitgeber ist bei Verletzung des Verbots berechtigt, die Karenzentschädigung zu verweigern bzw. einzustellen. Schließlich war diese das Entgelt für die Unterlassung der Konkurrenztätigkeit. Oft vereinbaren Verträge ausdrücklich, dass der Entschädigungsanspruch verfällt, wenn der Arbeitnehmer gegen das Verbot verstößt. Selbst ohne ausdrückliche Klausel würde zumindest ein schwerer Verstoß dazu führen, dass der Arbeitgeber nicht länger zahlen muss (gegebenenfalls rückwirkend ab Verstoß).
Schadensersatzansprüche: Darüber hinaus kann der Arbeitgeber Schadensersatz verlangen (§ 280 BGB i. V. m. Wettbewerbsabrede). Gesetzlich ist in § 61 HGB geregelt, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber jeden Gewinn herauszugeben hat, den er durch verbotene Konkurrenz erzielt hat. Alternativ kann der Arbeitgeber verlangen, dass Geschäfte, die der Arbeitnehmer für eigene oder fremde Rechnung während der Karenzzeit gemacht hat, als für Rechnung des alten Arbeitgebers vorgenommen gelten (§ 61 Abs. 1 HGB) Diese Regel zielt vor allem auf kaufmännische Angestellte, kommt aber entsprechend zum Tragen: Der Mitarbeiter soll durch illoyale Konkurrenz keine Vorteile behalten dürfen. In der Praxis ist der Schaden oft schwer konkret zu beziffern – daher der erwähnte Ansatz, ggf. eine Vertragsstrafe zu vereinbaren, um die Sanktion zu pauschalieren. Ist eine Vertragsstrafe im Vertrag vorgesehen und angemessen, kann der Arbeitgeber sie sofort einfordern, ohne den tatsächlichen Schaden nachweisen zu müssen. Allerdings ersetzt dies nicht weitergehenden Schadenersatz, sofern der Schaden höher ist.
Unterlassungsanspruch: Wichtig aus Unternehmenssicht ist auch der präventive Rechtsschutz. Verstößt ein Ex-Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsverbot, kann der frühere Arbeitgeber per einstweiliger Verfügung gerichtlich untersagen lassen, dass der Mitarbeiter weiter für den Konkurrenten tätig ist. Voraussetzung ist die Vereinbarung eines wirksamen Verbots und ein aktueller Verstoß oder drohender Verstoß. Gerichte bestätigen solche Verfügungen, wenn die Klausel klar und verbindlich ist, rechtlich nicht zu beanstanden ist und ein Verstoß glaubhaft gemacht wird. Gerade in sensiblen Bereichen (Abwerbung von Schlüsselkunden, Verwendung von Insiderwissen) ist dies das schärfste Schwert: Der Mitarbeiter muss dann seine konkurrierende Tätigkeit unverzüglich einstellen oder sieht sich im Contempt of Court. Startups sollten also im Ernstfall nicht zögern, diesen Rechtsweg zu beschreiten, um ihre Geschäftsgeheimnisse zu schützen.
Alternativen und Ergänzungen zur Mitarbeiterbindung
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote sind – wie gezeigt – mit finanziellem Aufwand und rechtlichen Hürden verbunden. In der Praxis prüfen Arbeitgeber daher genau, für wen sich eine solche Klausel lohnt. Oftmals gibt es Alternativen, um Know-how-Träger ans Unternehmen zu binden, ohne gleich ein entschädigungspflichtiges Wettbewerbsverbot zu vereinbaren:
Nachvertragliches Abwerbeverbot: Eine mildere Maßnahme ist das Verbot, nach dem Ausscheiden Kunden oder Mitarbeiter abzuwerben. Solche Abwerbeverbote (Nichtabwerbungsklauseln) untersagen z. B. für 1–2 Jahre, aktiv auf ehemalige Kunden des Arbeitgebers zuzugehen oder Kollegen zum Wechsel zu motivieren. Diese Klauseln greifen weniger stark in die Berufsfreiheit ein, da der Mitarbeiter an sich im Wettbewerb tätig werden darf, nur bestimmte Abwerbehandlungen unterlässt. Nach herrschender Meinung fallen reine Abwerbeverbote nicht unter § 74 HGB – sie sind also auch ohne Karenzentschädigung wirksam, sofern sie inhaltlich angemessen befristet und sachlich gerechtfertigt sind. Ihr Vorteil ist, dass der Mitarbeiter durchaus zur Konkurrenz gehen oder ein eigenes Geschäft eröffnen kann, aber z. B. nicht gezielt den bisherigen Arbeitgeber „leerräumen“ darf. Abwerbeverbote sind insbesondere zum Schutz eingearbeiteter Teams oder des Kundenstamms sinnvoll. Zu beachten ist, dass ein zu weites Abwerbeverbot (etwa jegliche ehemaligen Kunden, ohne zeitliche Begrenzung) wiederum als sittenwidrig angesehen werden könnte. Richtig eingesetzt bieten solche Klauseln jedoch einen guten Kompromiss zwischen Schutz und Flexibilität.
Verlängerte Kündigungsfristen / Bindungsklauseln: Alternativ kann man versuchen, Know-how-Träger länger im Unternehmen zu halten, indem man Kündigungsfristen verlängert oder Rückzahlungsklauseln für Fortbildungen etc. vereinbart. Dadurch wird ein plötzlicher Wechsel erschwert und dem Unternehmen Zeit gegeben, auf einen angekündigten Abgang zu reagieren. Solche Maßnahmen wirken präventiv, ersetzen aber kein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach dem Ausscheiden.
Retention-Maßnahmen: Schließlich sei erwähnt, dass die Motivation zum Bleiben oft wirksamer ist als das Verbot nach dem Gehen. Aktienbeteiligungen, virtuelle Shares, Bleibe-Boni oder attraktive Karriereperspektiven können Leistungsträger an das Startup binden, ohne juristische Restriktionen bemühen zu müssen. Diese gehören zwar mehr ins Personalmanagement als ins Vertragsrecht, sind aber gerade in Startups ein übliches Mittel gegen Know-how-Abfluss.
Zusammenfassend sollte ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für Mitarbeiter immer sorgfältig abgewogen werden: Es ist ein „finanzieller Klotz am Bein“ des Arbeitgebers und nur dann sinnvoll, wenn der Mitarbeiter über sensible Kenntnisse oder Kundenkontakte verfügt, deren Verlust das Entschädigungsinvestment rechtfertigt. Ansonsten fährt man mit alternativen Mitteln oft besser. Wo man sich für eine Konkurrenzklausel entscheidet, muss man sie aber auch konsequent einhalten – inklusive Zahlung der Karenzentschädigung – und sollte bereit sein, sie nötigenfalls gerichtlich durchzusetzen.
Gestaltungstipps und Fazit
Wettbewerbsverbote können Startups helfen, ihr Geschäftsmodell und Know-how zu schützen – doch nur, wenn sie rechtssicher und maßvoll gestaltet sind. Unwirksame Klauseln bieten keinen Schutz und können im Ernstfall wertlos sein. Die wichtigsten Gestaltungstipps lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Klarheit vor Weite: Formulieren Sie das Verbot so präzise wie möglich in Bezug auf Branche, Tätigkeit und Gebiet. Vermeiden Sie pauschale Formulierungen, die im Zweifel das ganze berufliche Betätigungsfeld betreffen würden. Was genau gilt als Konkurrenz? Je genauer dies im Vertrag steht, desto besser – der gebundene Gründer oder Mitarbeiter muss erkennen können, was erlaubt und was verboten ist.
Angemessener Umfang: Beschränken Sie das Verbot auf das nötige Maß. Fragen Sie sich: Wovor genau soll das Unternehmen geschützt werden? Sind es bestimmte Kunden, Technologien, Regionen? Dies sollte der Klausel zugrunde liegen. Alles darüber Hinausgehende – z. B. generelles Fernhalten von jeder Konkurrenz – ist rechtlich angreifbar. Insbesondere gesellschaftsvertragliche Verbote sollten sich am konkreten Unternehmensgegenstand orientieren, damit sie kartellrechtlich Bestand haben.
Maximal 2 Jahre Dauer: Überschreiten Sie nicht die Zwei-Jahres-Grenze bei nachvertraglichen Verboten – weder für Gründer noch für Arbeitnehmer. Längere Verbote laufen Gefahr, insgesamt unwirksam zu sein oder vom Gericht auf 2 Jahre reduziert zu werden. Wenn ein besonderes Interesse an längerer Bindung besteht (z. B. bei Know-how-Trägern, die eine außergewöhnliche Abfindung erhalten haben), sollte unbedingt eine Karenzentschädigung vereinbart werden, die über die 50 %-Basis hinausgeht, um die Klausel abzusichern
Angemessene Karenzentschädigung bei Mitarbeitern: Hier gilt ohne Ausnahme: mindestens 50 % des letzten Gesamtverdienstes zusagen. Es schadet nicht, etwas mehr Großzügigkeit zu zeigen (z. B. 60 %), was auch für den Mitarbeiter attraktiver ist – aber unter 50 % ist keine gültige Abrede. Die Berechnungsgrundlage aller Gehaltsbestandteile sollte im Zweifel im Vertrag aufgeführt sein (Grundgehalt, Boni, Zuschläge etc.). Zudem gehört eine Anrechnungsregel für neues Einkommen hinein, idealerweise unter Verweis auf die 110 %-Grenze nach § 74c HGB.
Vertragliche Absicherungen: Nutzen Sie wo sinnvoll Salvatorische Klauseln, um Übermaß zu vermeiden. Beispiel: „Sollte die vereinbarte Dauer von X Monaten die höchstzulässige Karenzzeit überschreiten, gilt automatisch die zulässige Höchstdauer als vereinbart.“. So wird verhindert, dass die Klausel wegen geringfügiger Überschreitung komplett entfällt. – Bei Standardarbeitsverträgen oder vorformulierten Gesellschaftsverträgen achten Sie darauf, dass die Wettbewerbsklausel einer AGB-Prüfung standhält: keine überraschenden Nebenabreden, keine einseitigen Vorteile nur für das Unternehmen Beispielsweise wäre eine Klausel, die dem Arbeitgeber erlaubt, nach Belieben auf das Verbot zu verzichten, ohne dem Arbeitnehmer dennoch Entschädigung zu zahlen, intransparent und unwirksam.
Schutz legitimer Interessen betonen: Gerade im Gesellschaftsvertrag kann es sinnvoll sein, in der Klausel selbst den Schutzzweck zu nennen. Etwa: „…um die Gesellschaft vor der illoyalen Verwendung von im Gesellschaftsverhältnis erworbenem Know-how zu schützen.“ Dies unterstreicht, dass das Verbot kein Selbstzweck ist, sondern einem erlaubten Ziel dient. Auch im Arbeitsvertrag schadet es nicht, kurz anzudeuten, warum die Klausel vereinbart wird (z. B. Geheimnisschutz). Im Streitfall kann dies die Auslegung positiv beeinflussen.
Durchsetzbarkeit vorbereiten: Überlegen Sie vorab, wie Sie das Verbot im Ernstfall durchsetzen würden. Ist eine Vertragsstrafe sinnvoll, um Abschreckung zu bieten? Wollen Sie explizit einen Unterlassungsanspruch erwähnen? Zwar bestehen gesetzliche Ansprüche auch so, doch eine klare Androhung im Vertrag erhöht die Compliance beim Mitarbeiter. Beachten Sie aber, dass eine unverhältnismäßig hohe Vertragsstrafe wieder zur Unwirksamkeit der Klausel beitragen könnte – hier gilt Augenmaß.
Regelungen für Sonderfälle: Weisen Sie im Arbeitsvertrag am besten darauf hin, was bei bestimmten Kündigungen gilt. Zwar regelt § 75 HGB das von selbst, doch Transparenz hilft: Zum Beispiel kann man aufnehmen: „Das Konkurrenzverbot gilt nicht, wenn das Unternehmen das Arbeitsverhältnis ohne wichtigen Grund kündigt; in diesem Fall entfällt auch die Entschädigungspflicht.“ So weiß der Arbeitnehmer Bescheid, und es besteht weniger Streitpotential über die Wirksamkeit bei Beendigung.
Abschließend ist festzuhalten: Wettbewerbsverbote sind zweischneidig. Sie binden nicht nur den Gebundenen, sondern auch das Unternehmen – gerade finanziell. Ein Startup sollte sie daher gezielt einsetzen, vor allem für Personen, die wirklich einen erheblichen Schaden anrichten könnten, wenn sie unmittelbar zur Konkurrenz gehen. Für Gründer und wesentliche Gesellschafter sind Wettbewerbsverbote praktisch unverzichtbar, aber dort oft auch leichter zu rechtfertigen, weil Gründer typischerweise erheblichen Einfluss und Insiderwissen haben. Bei normalen Mitarbeitern hingegen sollte genau abgewogen werden, ob das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt. Wenn ja, müssen die Klauseln handwerklich sauber formuliert sein, damit sie im Ernstfall gerichtsfest und durchsetzbar sind. Eine gut formulierte Konkurrenzklausel, die die gesetzlichen Vorgaben einhält, stellt sicher, dass ein Startup im Wettbewerb keine bösen Überraschungen durch Abwanderung erlebt – und im Konfliktfall sowohl Rechtsansprüche auf Unterlassung als auch vertragliche Kompensation zuverlässig greifen. So werden Gründer und Mitarbeiter „sinnvoll gebunden“, ohne die rechtlichen Spielräume zu überschreiten.