Go-Shop Provision
Eine Go-Shop Provision ist eine Klausel in Fusionen und Übernahmen (M&A), die dem Verkäufer oder Zielunternehmen für einen begrenzten Zeitraum nach der Unterzeichnung eines Übernahmevertrags erlaubt, aktiv nach alternativen, potenziell besseren Angeboten zu suchen. Diese Bestimmung steht im Gegensatz zu den üblicheren No-Shop Klauseln und bietet dem Verkäufer die Möglichkeit, den Markt nach dem bestmöglichen Angebot zu sondieren.
Hauptzwecke und Funktionen:
1. Maximierung des Shareholder Value: Ermöglicht es dem Verkäufer, potenziell höhere Angebote zu erhalten.
2. Erfüllung treuhänderischer Pflichten: Unterstützt den Vorstand bei der Erfüllung seiner Pflichten gegenüber den Aktionären.
3. Markttest: Bietet die Möglichkeit, den vereinbarten Transaktionspreis am Markt zu validieren.
4. Rechtliche Absicherung: Reduziert das Risiko von Aktionärsklagen wegen unzureichender Marktprüfung.
Typische Elemente einer Go-Shop Provision:
1. Zeitrahmen: Festlegung einer spezifischen Periode (meist 30-45 Tage) für die aktive Suche nach alternativen Angeboten.
2. Erlaubte Aktivitäten: Definition der zulässigen Handlungen während der Go-Shop-Periode, wie:
– Kontaktaufnahme mit potenziellen Bietern
– Bereitstellung von Unternehmensinformationen
– Führung von Verhandlungen
3. Informationspflichten: Verpflichtung, den ursprünglichen Bieter über konkurrierende Angebote zu informieren.
4. Matching Rights: Recht des ursprünglichen Bieters, sein Angebot anzupassen oder zu verbessern.
5. Break-Up Fee: Oft niedrigere Gebühren während der Go-Shop-Periode im Vergleich zur Zeit danach.
6. Übergangsregelungen: Bestimmungen für den Umgang mit Angeboten, die während der Go-Shop-Periode eingehen, aber erst danach finalisiert werden.
Rechtliche und praktische Aspekte:
1. Treuhänderische Pflichten: Unterstützt den Vorstand bei der Erfüllung seiner Sorgfaltspflicht.
2. Vertragsrecht: Sorgfältige Ausgestaltung zur Vermeidung von Konflikten mit anderen Vertragsklauseln.
3. Wettbewerbsrecht: Beachtung kartellrechtlicher Bestimmungen bei der Informationsweitergabe.
4. Vertraulichkeit: Balancierung zwischen Offenheit für alternative Angebote und Schutz sensibler Informationen.
Vor- und Nachteile für den Verkäufer:
Vorteile:
– Möglichkeit, einen höheren Verkaufspreis zu erzielen
– Reduziertes Risiko von Aktionärsklagen
– Flexibilität in der Transaktionsgestaltung
Nachteile:
– Potenziell negative Auswirkungen auf die Beziehung zum ursprünglichen Bieter
– Risiko der Marktverunsicherung
– Zusätzlicher Zeit- und Ressourcenaufwand
Vor- und Nachteile für den Käufer:
Vorteile:
– Kann zu einer schnelleren anfänglichen Einigung führen
– Möglichkeit, günstigere Bedingungen in anderen Bereichen auszuhandeln
Nachteile:
– Risiko, die Transaktion an einen konkurrierenden Bieter zu verlieren
– Mögliche Notwendigkeit, das Angebot nachzubessern
– Unsicherheit während der Go-Shop-Periode
Verhandlungsstrategien:
1. Zeitliche Begrenzung: Aushandlung einer angemessenen Dauer der Go-Shop-Periode
2. Aktivitätsumfang: Präzise Definition der erlaubten Such- und Verhandlungsaktivitäten
3. Informationsmanagement: Festlegung von Regeln für die Weitergabe von Unternehmensinformationen
4. Anreizstrukturen: Gestaltung der Break-Up Fees zur Balancierung von Flexibilität und Verbindlichkeit
5. Matching Rights: Verhandlung über Umfang und Prozess der Angebotsanpassung
Branchenspezifische Überlegungen:
– Öffentliche Unternehmen: Besondere Relevanz aufgrund erhöhter Scrutiny und Offenlegungspflichten
– Private Equity: Häufige Verwendung zur Absicherung gegen Unterbewertungsvorwürfe
– Technologiesektor: Anpassung an schnelllebige Marktdynamiken und Bewertungsvolatilität
Trends und Entwicklungen:
– Zunehmende Verwendung in bestimmten Marktsegmenten, insbesondere bei Private Equity Transaktionen
– Differenziertere Strukturierung der Go-Shop-Perioden und damit verbundener Gebühren
– Integration von Technologie zur effizienteren Durchführung von Go-Shop-Prozessen
Gerichtliche Auslegung und Präzedenzfälle:
– Analyse relevanter Gerichtsentscheidungen zur Angemessenheit und Durchführung von Go-Shop-Prozessen
– Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Bewertung der Sorgfaltspflichterfüllung durch Vorstände
Dokumentation und Implementierung:
– Sorgfältige Ausarbeitung der Go-Shop-Bestimmungen in Übernahmeverträgen
– Entwicklung detaillierter Prozesse und Zeitpläne für die Durchführung der Go-Shop-Aktivitäten
– Schulung relevanter Teammitglieder bezüglich der Durchführung und rechtlichen Implikationen
Fazit:
Go-Shop Provisions stellen ein wichtiges Instrument in der M&A-Landschaft dar, das darauf abzielt, die Interessen von Verkäufern, Käufern und Aktionären in Einklang zu bringen. Sie bieten Verkäufern die Möglichkeit, den Markt nach dem bestmöglichen Angebot zu sondieren, während sie gleichzeitig eine gewisse Transaktionssicherheit für den ursprünglichen Bieter gewährleisten.
Die effektive Gestaltung und Umsetzung von Go-Shop Provisions erfordert ein sorgfältiges Abwägen rechtlicher, wirtschaftlicher und strategischer Faktoren. Während sie einerseits die Chance auf einen höheren Verkaufspreis und rechtliche Absicherung bieten, können sie andererseits die Transaktionsdynamik komplizieren und zusätzliche Unsicherheiten schaffen.
In einem sich ständig weiterentwickelnden M&A-Umfeld bleiben Go-Shop Provisions ein relevantes, aber oft kontrovers diskutiertes Element. Ihre Verwendung und Ausgestaltung sollte stets im Kontext der spezifischen Transaktionsumstände, Marktbedingungen und rechtlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Mit der richtigen Balance können Go-Shop Provisions dazu beitragen, faire und wertmaximierende Transaktionen zu fördern und gleichzeitig die treuhänderischen Pflichten des Managements zu erfüllen.