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Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital

Definition und rechtliche Grundlagen:

Eine Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital (InvAG) ist eine spezielle Form der Aktiengesellschaft, die als Investmentfonds konzipiert ist. Sie ist eine offene Investmentgesellschaft, bei der das Grundkapital variabel ist und sich durch die Ausgabe und Rücknahme von Aktien ständig verändert. Die rechtliche Grundlage für InvAGs findet sich im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB), insbesondere in den §§ 108-123 KAGB.

Die InvAG wurde mit dem Investmentmodernisierungsgesetz 2004 in Deutschland eingeführt und durch das KAGB 2013 weiter reguliert. Sie stellt eine Alternative zu den klassischen Investmentfonds in Vertragsform dar und orientiert sich an internationalen Vorbildern wie der SICAV (Société d’Investissement à Capital Variable) in Luxemburg und Frankreich.

Hauptmerkmale:

1. Veränderliches Kapital: Das Grundkapital passt sich durch Ausgabe und Rücknahme von Aktien automatisch an.

2. Offene Struktur: Anleger können jederzeit in die Gesellschaft einsteigen oder ihre Anteile zurückgeben.

3. Trennung von Verwaltung und Vermögen: Eine externe Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) verwaltet das Fondsvermögen.

4. Anlagegrenzen und Risikostreuung: Unterliegt den Vorschriften des KAGB zur Diversifikation.

5. Steuerliche Transparenz: Bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen steuerlich begünstigt.

Arten von InvAGs:

1. OGAW-InvAG: Entspricht den EU-Richtlinien für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW).
2. AIF-InvAG: Alternative Investmentfonds mit möglicherweise breiteren Anlagestrategien.

Struktur und Organe:

1. Vorstand: Verantwortlich für die Geschäftsführung, aber nicht für die Anlageverwaltung.
2. Aufsichtsrat: Überwacht den Vorstand und bestellt die externe KVG.
3. Hauptversammlung: Beschließt über grundlegende Angelegenheiten der Gesellschaft.
4. Verwahrstelle: Verwahrt die Vermögensgegenstände und überwacht bestimmte Vorgänge.
5. Externe KVG: Verantwortlich für die Portfolioverwaltung und das Risikomanagement.

Gründung und Zulassung:

Die Gründung einer InvAG erfordert:

1. Erstellung der Satzung und des Verkaufsprospekts
2. Bestellung einer externen KVG und einer Verwahrstelle
3. Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
4. Eintragung ins Handelsregister

Das Mindestkapital bei Gründung beträgt 300.000 Euro. Die InvAG muss innerhalb von sechs Monaten nach Zulassung ein Nettovermögen von mindestens 1,25 Millionen Euro erreichen.

Aktienarten und Anteilsscheine:

InvAGs können verschiedene Aktienklassen mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten ausgeben:

1. Unternehmensaktien: Werden von den Gründern gehalten und verleihen Stimmrechte.
2. Anlageaktien: Werden an Investoren ausgegeben und repräsentieren die Beteiligung am Fondsvermögen.

Die Aktien sind in der Regel Namensaktien und können als Stückaktien oder Nennbetragsaktien ausgestaltet sein.

Anlagepolitik und Risikomanagement:

Die Anlagepolitik einer InvAG muss den Vorgaben des KAGB entsprechen und im Verkaufsprospekt sowie in den Anlagebedingungen detailliert beschrieben werden. Je nach Art der InvAG (OGAW oder AIF) gelten unterschiedliche Anlagegrenzen und Risikostreuungsvorschriften.

Die externe KVG ist für die Umsetzung der Anlagepolitik und das Risikomanagement verantwortlich. Sie muss über geeignete Risikomanagementsysteme verfügen, um alle relevanten Risiken zu identifizieren, messen, steuern und überwachen.

Bewertung und Preisfestsetzung:

Der Wert der Aktien (Net Asset Value, NAV) wird regelmäßig, mindestens jedoch einmal pro Woche, ermittelt. Die Bewertung der Vermögensgegenstände erfolgt nach den im KAGB festgelegten Regeln. Der Ausgabe- und Rücknahmepreis der Aktien basiert auf dem NAV, kann aber Zu- oder Abschläge enthalten.

Steuerliche Aspekte:

Bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen genießen InvAGs steuerliche Vorteile:

1. Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer auf Fondsebene
2. Besteuerung der Erträge erst auf Anlegerebene
3. Möglichkeit der Anwendung des Teilfreistellungsverfahrens für bestimmte Fondstypen

Die genaue steuerliche Behandlung hängt von der Art der InvAG und der Zusammensetzung des Fondsvermögens ab.

Vor- und Nachteile:

Vorteile:
– Flexibilität durch variables Kapital
– Möglichkeit der Börsennotierung
– Transparente Unternehmensstruktur
– Potenzielle steuerliche Vorteile
– Anpassungsfähigkeit an verschiedene Anlagestrategien

Nachteile:
– Komplexere Struktur im Vergleich zu klassischen Investmentfonds
– Höhere Gründungs- und Verwaltungskosten
– Strengere regulatorische Anforderungen
– Geringere Bekanntheit bei Anlegern

Aktuelle Entwicklungen und Trends:

1. Zunehmende Bedeutung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) in der Anlagepolitik
2. Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen
3. Wachsende Nachfrage nach spezialisierten und thematischen Fonds
4. Anpassung an neue regulatorische Anforderungen (z.B. Nachhaltigkeitsberichterstattung)

Zusammenfassung:

Die Investmentaktiengesellschaft mit veränderlichem Kapital stellt eine innovative und flexible Rechtsform für Investmentfonds in Deutschland dar. Sie kombiniert die Vorteile einer Aktiengesellschaft mit denen eines offenen Investmentfonds und bietet Anlegern eine transparente und regulierte Anlagemöglichkeit. Obwohl die InvAG in Deutschland bisher weniger verbreitet ist als klassische Investmentfonds, bietet sie interessante Möglichkeiten für spezialisierte Anlagestrategien und könnte in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Für Anleger und Fondsmanager ist es wichtig, die spezifischen rechtlichen, steuerlichen und operativen Aspekte dieser Rechtsform sorgfältig zu prüfen, um ihre Vor- und Nachteile im Vergleich zu anderen Fondsstrukturen abzuwägen.

 

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