In einem von mir vertretenen Fall stellt sich, neben zahlreichen weiteren Problemen, aktuell die Frage, ob das von vielen Publisher verwendete Free2Play Modell, häufig auch noch garniert mit den aktuell sehr umstrittenen Lootboxen, nicht gegen deutsches Recht verstößt.
Vorab möchte ich betonen, dass die nachfolgenden Ausführungen – noch – sehr akademischer Natur sind, es oft auf die konkrete Ausgestaltung ankommt und zu diesem Problem bislang kaum Schrifttum und schon gar nicht Rechtsprechung existiert. Politisch und juristisch formieren sich aber Proteste gegen die extensive Ausgestaltung des Free2Play Modells. Dies gilt für Lootboxen für die Benelux-Staaten und für die Fragen der Preistransparenz für das Vereinigte Königreich.
Die Ausführungen beziehen sich somit durchaus auf eine, wie ich finde durchaus vertretbare, Meinung. Ich verzichte darauf, den Text ständig mit einem „in meiner Meinung“ oder „unter Umständen“ zu überfrachten. Der Artikel versucht bestimmte Rechtsfragen auch zu vereinfachen. Gerne stelle ich mich der Diskussion und kann einzelne Punkte auch mit Schrifttumzitaten garnieren!
Wie erwähnt könnte das Free2Play Modell, in zahlreichen Ausgestaltungenn, im deutschen Recht eine Unlauterkeit wegen Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG zur Folge haben. Nach § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist unzulässige geschäftliche Handlung stets dann gegeben, wenn das Angebot einer Ware oder Dienstleistung als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder dergleichen dargestellt wird und wenn der Nutzer hierfür gleichwohl aber Kosten zu tragen hat. Dies soll nur dann nicht gelten, wenn die Kosten im Zusammenhang mit dem Eingehen auf das Waren- oder Dienstleistungsangebot oder für die Abholung oder Lieferung der Ware oder die Inanspruchnahme der Dienstleistung unvermeidbar sind. Solche unvermeidbaren Kosten wären bei einem Onlinespiel etwa die Strom- oder Providerkosten des Nutzers.
Die Vorschrift knüpft hinsichtlich ihres Zwecks an die Lockwirkung eines kostenlos angebotenen Produktes an. Sie will den Verbraucher vor einer Irreführung durch die Verwendung von Begriffen „kostenlos“ oder „gratis“ und insbesondere vor einer Irreführung über die Kosten schützen, die bei Inanspruchnahme des Angebots anfallen, sofern sie nicht unvermeidbar sind. Sie zwingt damit indirekt den Unternehmer, den Verbraucher über diese Kosten ausreichend zu informieren.
Wesentlicher Zweck dieser per-se Verbotsnorm ist also die Preistransparenz.
Der Tatbestand setzt (1) das Angebot eines kostenlosen Produktes voraus und (2) die Verpflichtung zur Tragung von Kosten, die (3) nicht unvermeidbar sind. Bei der Bewertung, ob der Tatbestand erfüllt ist, ist der Gesamteindruck maßgeblich.
Die erste Tatbestandsvoraussetzung ist oft erfüllt, denn meist werden Spiele, beispielsweise im Appstore, kostenlos angeboten und auch aggressiv derart beworben. Aber auch die weiteren Voraussetzungen sind oft erfüllt, denn der Nutzer trägt in der Folge regelmäßig Kosten, die nicht unvermeidbar sind.
Hierunter sind zum einen Kosten zu verstehen, die entstehen, wenn der Nutzer das Angebot annimmt, also im Zeitpunkt des Downloads bzw. der Registrierung. Hierbei kann es jedoch nicht allein bleiben, denn der Begriff der Kosten im Sinne dieser Vorschrift ist zur Gewährleistung der Preistransparenz in einem weiten Sinne zu verstehen und erfasst auch die im Gesamtangebot (erg.: also im gesamten Spiel) versteckten (erg.: späteren) Kosten.
Somit fallen unter die Norm nicht nur Kosten, die im Zeitpunkt der Annahme (also im Zeitpunkt des Downloads und der anschließenden Registrierung) bereits vollumfänglich feststehen, denn eine so restriktive Auslegung der Vorschrift wäre weder richtlinienkonform, noch würde sie dem Sinn und Zweck der Norm entsprechen.
Im Text der Richtlinie EG/29/2005 heißt es im Anhang unter Ziffer 20 ausdrücklich:
„Ein Produkt wird als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder Ähnliches beschrieben, obwohl der Verbraucher weitere Kosten als die Kosten zu tragen hat, die im Rahmen des Eingehens auf die Geschäftspraktik und für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidbar sind.“
Nimmt man den Wortlaut der Richtlinie, aber auch den Sinn und Zweck der Norm ernst, so kann es keinen Unterschied machen, ob die Kosten bereits bei Annahme des Angebotes feststehen oder nicht. Denn auch bei Kosten, die sich erst im Verlauf der Nutzung der Hauptleistung variabel ergeben, muss der Grundsatz der Preistransparenz vollumfänglich gelten.
Zumindest hat der Betreiber eines Geschäftsmodells, dass es ganz wesentlich darauf anlegt, dass dem Kunden weitere (vermeidliche) Kosten entstehen, den Kunden bereits zu Beginn der Nutzung vollumfänglich über die Möglichkeit von Kosten und deren etwaigen Tatbestände und Höhe zu informieren. Hierzu gehört, dass der Verbraucher schon vor dem Download (der für ihn ja bereits in der Regel mit Kosten, wenn auch unvermeidbaren Kosten verbunden ist), spätestens jedoch vor der Registrierung über diese Umstände informiert wird.
Hier kann dann nicht eingewendet werden, dass die genaue Berechnung der Kosten ja vom Verhalten des Nutzers abhänge und daher im Voraus vernünftigerweise nicht berechnet werden könne. Denn in einem solchen Fall hat der Anbieter dann deutlich über die Möglichkeit von Kosten und die einzelnen Kostenparameter im Spielverlauf konkret zu informieren.
Dies ist oft der Fall, denn meist wird erst während des Spiels, also dann, wenn ein Spieler erheblichen aleatorischen Anreizen ausgesetzt ist und sich in einer Wettbewerbssituation mit anderen Mitspielern befindet, über käufliche Zusätze, Beschleunigungen oder Zeitersparnisse informiert. In einer solchen Situation ist ein Spieler dann, insbesondere wenn er bereits erhebliche Zeit in das Spiel investiert hat, umso mehr bereit auch Geld für einen weiteren Erfolg im Spiel zu zahlen, insbesondere dann, wenn er sieht, dass er aufgrund des Verhaltens seiner Mitspieler und Mitbewerber bei Fortsetzung seines – kostenlosen – Spiels erhebliche Wettbewerbsnachteile hätte. Dass es hier dann zu regelrechten Aufschaukelungseffekten im Spiel kommen kann liegt auf der Hand und dies ist bereits für Erwachsene, auf jeden Fall aber für minderjährige Spieler mit einem erheblichen Risikopotential verbunden.
Unter Gesamtwürdigung dieser Umstände fällt daher auch die konkrete Ausgestaltung vieler Free2Play-Spiele unter das Verbot des § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs.3 UWG.
Dabei sollte natürlich ausdrücklich betont werden, dass es nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechtes sein kann per se das Free2Play-Vertriebsmodell zu unterbinden, bei denen das Hauptprodukt kostenlos vergeben wird und sich der Umsatz für den Unternehmer dann aufgrund weiterer Zubehörverkäufe ergibt. Solche Vertriebsmodelle sind prinzipiell zulässig, sie unterliegen jedoch hinsichtlich des allgemein verbraucherschützenden und insbesondere jugendschützenden Gebotes der Preistransparenz besonders hohen Anforderungen, um sie rechtskonform auszugestalten.
Dies ist vor allem in Spielen mit einem großen Player vs. Player Angebot der Fall, denn in solchen Situationen kann es zu unkontrollierten Aufschaukelungseffekten beim Kauf von Zubehör, eventuell sogar in Form von Lootboxen, kommen.
Je nach Ausgestaltung des Spieles, könnte daher, aufgrund der Kombination von Preisintransparenz und produktbedingten aleatorischen und spielwettbewerblichen Anreizen, zumindest ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 UWG vorliegen.
§3 Abs. 1 UWG dient als Auffangtatbestand für solche geschäftlichen Handlungen, die von den besonderen Unlauterkeits- bzw. Verbotstatbeständen des Lauterkeitsrechts, etwa den im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG genannten nicht oder nur in Teilaspekten erfasst werden.
Die Wertungsmöglichkeiten des § 3 Abs. 1 UWG bieten daher auch Raum für neuartige Fallgestaltungen. Um eine solche neuartige Fallgestaltung handelt es sich bei dem seit einigen Jahren praktizierten Vertriebsmodell Free2Play der Spieleindustrie. Während Spiele in der Vergangenheit stets im klassischen Lizenzmodell gegen eine Einmalzahlung des Verbrauchers vertrieben wurden und somit für den Nutzer vollumfänglich preistransparent waren, stellt Free2Play“ einen bewussten Paradigmenwechsel in den Vertriebs- und Erlösstrukturen der Spielehersteller dar. Diese bewusste Entscheidung hierfür ist aber eine Entscheidung für mehr Erlöse und nicht für weniger.
Aus gutem Grund sind begegnen einzelne Ausgestaltungen dieses Vertriebsmodells erheblichen rechtlichen und auch politischen Bedenken beispielsweise der Verbraucherschutzzentralen oder aber auch der EU-Kommission.
Im nächsten Artikel widme ich mit der Frage, ob ein UWG-Verstoß vieler Free2Play Spiele aufgrund des Verstoßes gegen Preistransparenzklauseln vorliegen könnte.