Viele Influencer träumen davon, dem deutschen Winter und den hiesigen Pflichten zu entfliehen – sei es nach Dubai, Madeira oder auf die nächste tropische Insel. Die vermeintliche Freiheit im Ausland wird gerne mit Mythen über rechtliche und steuerliche „Schlupflöcher“ begründet. Hast auch du schon gehört, „Im Ausland kann mich kein deutsches Gericht belangen“ oder „Wenn ich 183 Tage nicht in Deutschland bin, muss ich keine Steuern zahlen“? Klingt verlockend, oder?
Leider sieht die Realität anders aus. Egal ob es um Klagen in Deutschland, die Zustellung von Gerichtspost, eingefrorene Bankkonten, 30 Jahre Vollstreckung oder Steuerfallen geht – hier erfährst du, warum ein Wohnsitz in Dubai & Co dich nicht automatisch vor deutscher Gerichtsbarkeit und dem Finanzamt schützt.
1. Zivilklagen: Warum du auch ohne Wohnsitz in Deutschland verklagt werden kannst
Mythos: „Ohne Wohnsitz in Deutschland kann ich nicht verklagt werden – ich bin ja im Ausland außer Reichweite.“
Realität: Ob du in Dubai auf dem Hochhaus thronst oder in Madeira am Strand liegst – wenn deine Handlungen in Deutschland wirken, können deutsche Gerichte zuständig sein. Es kommt nämlich nicht nur darauf an, wo du sitzt, sondern wo der Erfolg oder Schaden deiner Handlung eintritt. Juristen nennen das den Erfolgsort. Gerade im Internet gilt: Ist dein Content in Deutschland abrufbar und betrifft er deutsche Personen oder Verbraucher, dann tritt der Erfolg (bzw. Schaden) auch in Deutschland ein.
Konkret bedeutet das:
- Persönlichkeitsrechtsverletzungen: Beleidigst oder verleumdest du jemanden online, kann der oder die Betroffene in Deutschland klagen, wenn ihr Ruf hier beeinträchtigt wird. Beispiel: Du veröffentlichst aus Dubai ein „Enthüllungsvideo“ über einen deutschen Unternehmer, das dessen Ruf bei Millionen deutschen Zuschauern schädigt. Dann wird ein deutsches Gericht sagen: Der Inhalt war auf Deutsch, die Zuschauer sind überwiegend in Deutschland – also sind wir zuständig! Dein Auslandswohnsitz schützt dich nicht vor einer Unterlassungs- oder Schadensersatzklage.
- Wettbewerbsverstöße: Hältst du dich nicht an deutsche Werbevorschriften, können Mitbewerber oder Verbände dich auch aus der Ferne abmahnen und verklagen. Zum Beispiel Schleichwerbung (fehlende Kennzeichnung von Werbung) oder irreführende Angaben über Produkte lösen das deutsche Wettbewerbsrecht (UWG) aus, sofern sich die Werbung an das deutsche Publikum richtet. Selbst wenn du „nur“ von Dubai aus deine Instagram-Story postest: Sobald sie deutsche Verbraucher erreicht oder der Markt betroffen ist, bist du im Visier deutscher Gerichte.
- Urheberrechtsverletzungen: Nutzst du geschütztes Material (Musik, Fotos, Videos), das von Deutschland aus abrufbar ist, kann der Rechteinhaber vor deutschen Gerichten gegen dich vorgehen. Ein Beispiel wäre, du lädst in Madeira ein Video mit einem fremden Song hoch – ein deutscher Musiker könnte vor einem deutschen Gericht Unterlassung und Lizenzgebühren einfordern, weil Nutzer in Deutschland das Video mitsamt Musik streamen können.
Typischer Denkfehler: „Ich bin ja nicht mehr in Deutschland gemeldet, also gelten deutsche Gesetze nicht für mich.“ Falsch! Entscheidend ist nicht deine Meldeadresse, sondern wo deine Taten wirken. Das deutsche Gericht schaut: Gibt es einen Inlandsbezug? Wenn ja, wird es die Klage zulassen. Übrigens ist das nicht nur deutsche Eigenart – auch auf EU-Ebene ist anerkannt, dass bei Internetdelikten jedes Land zuständig sein kann, in dem der Inhalt abrufbar ist und Schäden verursacht. Im Zweifel kann sogar an deinem „Hauptinteressensort“ (oft dem Heimatland des Opfers) umfassend geklagt werden.
Praxis-Beispiel: Ein deutscher Consultant wurde in YouTube-Videos eines Influencers in Dubai als „Betrüger“ bezeichnet – ohne Belege, reine Diffamierung. Das Landgericht Frankfurt hat 2024 trotz Auslandswohnsitz des YouTubers eine einstweilige Verfügung gegen ihn erlassen und die Videos verbieten lassen. Begründung: Die haltlosen Betrugsvorwürfe wurden millionenfach von deutschen Zuschauern gesehen und schädigten den Ruf in Deutschland. Ergebnis: Sitz in Dubai hin oder her – die deutsche Gerichtsbarkeit griff durch.
Merke: Ein Leben als „Digitaler Nomade“ entbindet dich nicht von Verantwortung für das, was du online anstellst. „Kein Wohnsitz = keine Klage“ ist ein Mythos. Wenn du Personen, Unternehmen oder Rechte in Deutschland verletzt, kannst du vor deutschen Zivilgerichten landen – egal wo du gerade wohnst.
2. Zustellung im Ausland: Wenn der Postbote nicht klingeln kann…
Mythos: „Man kann mir ja keine Klageschrift zustellen, wenn ich in Dubai bin. Ohne Zustellung kein Prozess – also bin ich sicher.“
Realität: Die fehlende deutsche Anschrift macht die Zustellung zwar komplizierter, aber unmöglich ist sie nicht. Deutsche Gerichte haben Wege, dich auch im Ausland zu „erreichen“ – notfalls mit öffentlicher Zustellung.
Schauen wir uns das Schritt für Schritt an:
- Normale Auslandszustellung: Befindet sich dein Wohnsitz im Ausland, versucht das deutsche Gericht zunächst auf offiziellem Weg zuzustellen. Innerhalb der EU läuft das meist relativ reibungslos dank einheitlicher Vorschriften. Außerhalb der EU – z.B. in den VAE (Dubai) – wird’s schwieriger. Dort muss die Klageschrift oft über das Justizministerium oder konsularische Kanäle zugestellt werden, meist mit beglaubigter Übersetzung in die Landessprache. Das kostet Zeit und Nerven. Einige Länder (wie die VAE) haben keine direkten Abkommen mit Deutschland für sowas, verweigern teils sogar die Annahme ausländischer Gerichtsdokumente. Kurzum: Die normale Zustellung in Dubai kann sich ewig hinziehen oder scheitern.
- Öffentliche Zustellung (§ 185 ZPO): Genau für solche Fälle gibt es in der Zivilprozessordnung die Möglichkeit, öffentlich zuzustellen. Klingt dramatisch, heißt aber: Das Gericht bringt die Schriftstücke an seiner Amtstafel oder im Internet an und macht die Zustellung in einem offiziellen Blatt bekannt. Nach einer bestimmten Frist gilt die Sendung dann als zugestellt, auch wenn du persönlich nie einen Umschlag in der Hand hattest. Öffentlich zugestellt wird, wenn eine gewöhnliche Zustellung im Ausland unmöglich oder unzumutbar verzögert wäre. Und was „unzumutbar“ ist, legen Gerichte großzügig aus – z.B. wenn unklar ist, wie lange die Emirate zur Bearbeitung brauchen oder ob sie überhaupt kooperieren. Schon die drohende extreme Verzögerung rechtfertigt die öffentliche Zustellung.
- Konsequenz: Ab dem vom Gericht festgelegten Zeitpunkt gilt die Klage oder Verfügung als zugestellt und das Verfahren läuft weiter, selbst wenn du in Dubai von alledem nichts mitbekommst. Du kannst also im fernen Strandcafé sitzen und gar nicht ahnen, dass in Deutschland schon ein Versäumnisurteil gegen dich ergeht, weil du auf die Klage nicht reagiert hast. Unwissen schützt hier nicht, denn aus Sicht des Gerichts hast du die Unterlagen ja „wirksam erhalten“.
Praxis-Beispiel: In dem oben genannten Fall in Frankfurt (Influencer in Dubai) ordnete das Gericht die öffentliche Zustellung der einstweiligen Verfügung an, weil eine normale Zustellung in den VAE zu langwierig gewesen wäre. Die Beschlüsse wurden also per Aushang und Bekanntmachung offiziell verkündet. Für den Influencer heißt das: Die Uhr tickt, auch wenn der Postbote nie geklingelt hat. Sobald die Zustellfrist ablief, war der Beschluss rechtswirksam zugestellt – ob er ihn gelesen hat oder nicht.
Verteidigungsmöglichkeiten: Natürlich kann man sich fragen: „Ist das nicht unfair? Ich weiß ja von nix!“ Es gibt theoretisch die Möglichkeit, Wiedereinsetzung zu beantragen, also die Wiederherstellung deiner Frist, wenn du wirklich unverschuldet nichts wusstest. In der Praxis ist das aber ein steiniger Weg. Du müsstest nachträglich darlegen, warum du von der öffentlichen Zustellung absolut keine Kenntnis hattest und trotz zumutbarer Sorgfalt nicht haben konntest. Das gelingt selten – schließlich warst du es, der keinen ladungsfähigen Wohnsitz in Deutschland mehr hatte. Die Gerichte argumentieren dann gerne: Wer ins Rechts-Niemandsland „flüchtet“, nimmt das Risiko einer öffentlichen Zustellung eben in Kauf.
Merke: Sich auf „Ich bekomme die Klage ja nie“ zu verlassen, ist brandgefährlich. Deutsche Gerichte lassen dich notfalls per Anschlag suchen und finden. Wenn du Pech hast, läuft ein Verfahren gegen dich voll durch, ohne dass du es rechtzeitig mitbekommst. Im Ergebnis stehst du plötzlich mit einem deutschen Urteil oder einer einstweiligen Verfügung da – obwohl du dachtest, in Dubai lande keine Post vom Amtsgericht.
3. Dinglicher Arrest und einstweilige Maßnahmen: Dein Geld im Visier trotz Auslandswohnsitz
Mythos: „Wenn jemand in Deutschland Geld von mir will, soll er doch klagen – hier im Ausland kommt eh kein Gerichtsvollzieher ran. Mein Vermögen ist sicher außer Reichweite.“
Realität: Komplett außer Reichweite ist nur, wer gar nichts in Deutschland oder der EU hat – und wirklich nie wiederkommt. In allen anderen Fällen gibt es Mittel und Wege, schnell und präventiv Druck auszuüben. Zwei wichtige Stichworte: einstweilige Verfügungen (für Unterlassungs- und Handlungsgebote) und dinglicher Arrest (für Geldforderungen).
- Einstweilige Verfügungen: Wie bereits im Beispiel des LG Frankfurt gezeigt, können Gerichte per Eilverfahren Verfügungen erlassen, z.B. um weitere Rechtsverstöße sofort zu unterbinden. Diese Verfahren laufen oft ohne mündliche Verhandlung und manchmal sogar ohne vorherige Anhörung der Gegenseite (also ohne dass du dich vorab verteidigen kannst), wenn besondere Eile geboten ist. Für Influencer relevant: Unterlassungsverfügungen wegen Rufschädigung, falscher Tatsachenbehauptungen oder Wettbewerbsverstößen. Solch eine Verfügung ist ein gerichtlicher Befehl, bestimmte Inhalte zu entfernen oder künftig nicht mehr zu verbreiten. Verstößt du dagegen, drohen Ordnungsgeld (bis zu 250.000 € je Verstoß) oder Ordnungshaft. Auch wenn du persönlich weit weg bist – die Verfügung kann z.B. gegenüber Plattformen (YouTube, Instagram) durchgesetzt werden, sodass dein Content gesperrt/gelöscht wird. Du stehst dann vor der Wahl: Entweder du hältst dich dran, oder du riskierst hohe Geldstrafen und Eskalationen, sobald du greifbar bist.
- Dinglicher Arrest: Das ist kein Strafbefehl, sondern ein zivilrechtlicher Sicherungsbeschluss gegen dein Vermögen. Angenommen, jemand hat in Deutschland eine Geldforderung gegen dich (z.B. Schadensersatz, Rückzahlung, Vertragsstrafe) und befürchtet, dass du als Schuldner dein Geld in Sicherheit bringst – dann kann er einen Arrestantrag stellen. Wird dem stattgegeben, kann das Gericht dein greifbares Vermögen einfrieren, bevor das Hauptverfahren überhaupt abgeschlossen ist. Beispiele: Man kann dein Bankguthaben in Deutschland vorläufig blockieren, Wertgegenstände oder Immobilien per Beschluss sichern lassen. Der Clou: Der Arrest kann auch ohne Vorankündigung kommen, damit du nicht vorher alles wegschaffst.
- Fluchtgefahr als Arrestgrund: Ein wichtiger Arrestgrund ist die Annahme, dass ohne Arrest die spätere Vollstreckung vereitelt würde. Dein Wegzug ins Ausland kann hier als starkes Indiz dienen. Wenn du kurz vor oder nach Entstehen der Forderung deinen Wohnsitz nach Dubai verlegt hast, wird der Gläubiger argumentieren: „Offensichtlich will er sich dem Zugriff entziehen – Fluchtgefahr!“ Gerichte verlangen zwar konkrete Anhaltspunkte, dass du Vermögen beiseiteschaffen wirst, aber ein plötzlicher Auslandsumzug erleichtert dem Gläubiger die Glaubhaftmachung enorm. Der Wohnsitz im Ausland allein ist noch nicht automatisch ein Arrestgrund – doch kombiniert mit auffälligem Verhalten (z.B. du verkaufst schnell dein Haus in Deutschland oder räumst Konten leer) kann sehr schnell ein Arrestbefehl ergehen.
- Beispiel Szenario: Stell dir vor, du schuldest einem ehemaligen Geschäftspartner 100.000 €. Kurz nach dem Streit wanderst du Richtung Madeira aus. Dein ehemaliger Partner beantragt Arrest und legt dar, dass du bereits begonnen hast, dein deutsches Vermögen zu liquidieren (Auto verkauft, Wohnung gekündigt). Ein deutsches Gericht wird wahrscheinlich sagen: Ja, bevor am Ende nichts mehr da ist, sichern wir vorsorglich das, was noch in Deutschland greifbar ist. Schwupps wird vielleicht dein verbleibendes Bankguthaben oder deine Eigentumswohnung per Gerichtsbeschluss beschlagnahmt – du kannst nicht mehr frei darüber verfügen.
- „Digitale Nomaden“ und die Illusion der Unantastbarkeit: Viele, die ständig um den Globus jetten, glauben, sie hätten dem System ein Schnippchen geschlagen. Allerdings: Wenn du wirklich nirgendwo mehr Vermögen hast, das man greifen kann, stellt sich die Frage, ob du überhaupt liquide bist – und ob es erstrebenswert ist, keine verwertbaren Werte mehr zu besitzen, nur um Gläubiger zu frustrieren. Die meisten Influencer haben ja doch irgendwas: ein Geschäftskonto, laufende Verträge, vielleicht Eigentum oder wenigstens wertvolle Markenrechte. Das alles kann prinzipiell Gegenstand von Sicherungsmaßnahmen sein. Selbst Forderungen, die du hast (z.B. Zahlungsansprüche gegen Werbepartner oder gegen YouTube/TikTok auf Auszahlung deiner Einnahmen), können in Deutschland gepfändet werden, solange diese Firmen oder Vertragspartner eine Niederlassung hier haben und dem deutschen Beschluss Folge leisten müssen. Mit anderen Worten: Verdient dein Unternehmen Geld mit deutschen Kunden oder hast du Verträge mit Firmen in der EU, können Gläubiger sich diese Zahlungsströme schnappen, bevor das Geld dich im Ausland erreicht.
Merke: Die Reichweite der Gerichte endet nicht zwingend an der Landesgrenze, zumindest was Eilverfahren angeht. Ein Auslandswohnsitz kann sogar das Risiko erhöhen, dass harte Maßnahmen ohne vorherige Anhörung gegen dich ergehen – aus der berechtigten Sorge heraus, du könntest dich sonst der Vollstreckung entziehen. Dein Konto kann eingefroren, dein Eigentum in Deutschland blockiert werden, ohne dass du rechtzeitig “Stopp” sagen kannst. Erst im Nachhinein könntest du versuchen, gegen den Arrest vorzugehen – aber bis dahin sind womöglich Fakten geschaffen.
4. Vollstreckung und Rückkehrrisiko: Ein deutscher Titel verfolgt dich 30 Jahre
Mythos: „Soll’n sie mich doch in Deutschland verklagen – selbst wenn die ein Urteil kriegen, in Dubai können sie es eh nicht vollstrecken. Ich bleib einfach hier, Problem erledigt.“
Realität: Ja, eine Vollstreckung im Ausland ist tricky. Aber ein deutsches Urteil ist kein Papiertiger: Es hat eine verdammt lange Lebensdauer und entfaltet seine Wirkung vielleicht später – manchmal genau dann, wenn du es am wenigsten erwartest. Und innerhalb der EU gilt ohnehin: flüchtest du nur bis Madeira, holt dich die Vollstreckung viel schneller ein als gedacht.
Schauen wir zunächst auf zwei Szenarien – EU-Ausland (z.B. Madeira/Portugal) vs. Drittland (z.B. Dubai/VAE):
- Innerhalb der EU: Hier greift die EU-Rechtszusammenarbeit. Ein deutsches Urteil (etwa vom Landgericht oder Amtsgericht) wird in Portugal, Spanien und Co grundsätzlich anerkannt. Dank EU-Verordnungen ist die Vollstreckung fast Formsache: Der Gläubiger kann sich vom deutschen Gericht einen europäischen Vollstreckungstitel ausstellen lassen und damit direkt zum portugiesischen Gerichtsvollzieher marschieren. Das bedeutet: Wenn du z.B. auf Madeira eine Villa oder ein prall gefülltes Bankkonto hast, kann der deutsche Gläubiger diese Vermögenswerte durch die portugiesischen Behörden pfänden lassen. Portugal muss das deutsche Urteil nicht nochmal inhaltlich prüfen, es wird EU-weit wie ein heimisches Urteil behandelt. Kurzum, innerhalb Europas gibt es keinen sicheren Hafen vor deutschen Schuldtiteln – die Justiz der Mitgliedsstaaten arbeitet Hand in Hand.
- Außerhalb der EU (Beispiel Dubai): Hier sieht die Lage für Gläubiger schlechter aus – und für dich vermeintlich besser. Es gibt kein Vollstreckungsabkommen zwischen Deutschland und den VAE für Zivilurteile. Die Gerichte in Dubai erkennen ausländische Urteile nur sehr zurückhaltend an. In der Praxis heißt das: Ein deutsches Urteil gegen dich ist in Dubai zunächst wertlos. Der Gläubiger müsste in den VAE nochmals klagen und dort gewinnen, um an dein dortiges Vermögen zu kommen – was aufgrund anderer Gesetze und Sprachbarrieren kaum erfolgversprechend ist. Tatsächlich lehnen Dubai-Gerichte die Vollstreckung ausländischer Urteile oft ab, mit der Begründung, sie selbst wären eigentlich zuständig gewesen (und sehen ihre Souveränität verletzt). Das klingt nach einem Freifahrtschein für dich, hat aber einen großen Haken: Ein deutscher Titel verjährt erst nach 30 Jahren. Will heißen: Der Gläubiger kann seine Forderung drei Jahrzehnte lang immer wieder aufleben lassen, Zinsen draufpacken und auf eine Gelegenheit warten, doch noch Kasse zu machen.
Rückkehrrisiko – die unsichtbare Leine: Vielleicht planst du „für immer“ in Dubai zu bleiben. Doch das Leben schreibt seine Geschichten – und nicht selten kehren Auswanderer irgendwann heim (sei es aus Heimweh, geänderten Lebensumständen oder weil die Steuervorteile bröckeln, dazu später mehr). Sobald du wieder deutschen Boden betrittst, holt dich das alte Urteil ein. Konkret drohen:
- Gerichtsvollzieher und Pfändung: Hast du in Deutschland noch offene Titel gegen dich, kannst du hier kein ruhiges Leben führen. Legst du dir beispielsweise irgendwann wieder ein Bankkonto in Deutschland zu oder erwirbst ein Auto oder eine Immobilie – Gläubiger mit einem 10 Jahre alten Urteil können sofort zugreifen. Die Pfändungs- und Überwachungsmaßnahmen können praktisch nahtlos wieder aufgenommen werden, sobald du greifbar bist oder Besitz in Deutschland auftaucht. Ein Schuldtitel vermehrt sich zudem durch Zinsen: Jahr für Jahr wächst der Betrag (üblich sind 5 Prozentpunkte über Basiszins an Verzugszinsen bei Urteilssummen). Aus 50.000 € Schulden können nach einigen Jahren leicht 70.000 € werden. Du kommst also womöglich zurück und stellst fest: Die alte Forderung ist inzwischen noch größer.
- Schuldnerverzeichnis und Schufa: Wenn du dich einer Zahlung verweigerst und auch die Vermögensauskunft (dazu gleich) nicht abgibst, landest du im offiziellen Schuldnerverzeichnis (§ 882c ZPO). Diese Daten werden z.B. an die Schufa und andere Auskunfteien übermittelt. Das bedeutet: Solltest du später in Deutschland irgendetwas finanzieren wollen – Handyvertrag, Auto-Leasing, Wohnung mieten – wirst du es extrem schwer haben. Jeder, der eine Bonitätsprüfung macht, sieht dann: „Achtung, der hat einen harten Negativvermerk.“ Selbst Geschäftspartner oder größere Auftraggeber könnten so etwas prüfen und zurückschrecken. Sprich, deine wirtschaftliche Reputation ist ruiniert. Dieser Eintrag bleibt normalerweise drei Jahre bestehen nach Begleichung der Schuld – solange du nicht zahlst, ohnehin. Und der Witz ist: Du kriegst den Eintrag auch dann, wenn du gemütlich in Dubai weilst und das deutsche Gericht dir erfolglos hinterher vollstreckt. Das heimatliche Register vermerkt dich als zahlungsunwilligen Schuldner – egal wo du dich sonnst. Es ist also ein langfristiger Schatten auf deiner finanziellen Vita.
- Haftbefehl zur Erzwingung der Vermögensauskunft (§ 802g ZPO): Jetzt wird’s drastisch. Wenn ein Gläubiger einen vollstreckbaren Titel hat und du nicht zahlst, kann er verlangen, dass du die Hosen runterlässt – sprich, eine Vermögensauskunft abgibst (früher sagte man Offenbarungseid). Weigerst du dich oder tauchst du einfach unter, erlässt das Gericht einen Haftbefehl. Das ist kein Strafbefehl, sondern ein zivilrechtlicher Haftbefehl, um dich zur Abgabe der Vermögensauskunft zu zwingen. Mit so einem Erzwingungshaftbefehl kann die Polizei dich in Gewahrsam nehmen. In Abwesenheit schlummert der Haftbefehl ggf. jahrelang in der Schublade – aber stell dir vor, du kommst eines Tages nach Deutschland zurück, und bei einer normalen Polizeikontrolle (z.B. im Straßenverkehr) oder bei der Passkontrolle am Flughafen stellen die Beamten fest: Gegen diese Person liegt ein Haftbefehl vor. Dann wanderst du u.U. direkt in Beugehaft. Das kann bis zu 6 Monate dauern (§ 802j ZPO) – jedenfalls so lange, bis du entweder die Vermögensauskunft abgibst oder man dich entlässt. Was für ein Empfang! Selbst wenn du nur zu Besuch kommst, riskierst du da unschöne Szenen. Und glaube nicht, dass so ein Haftbefehl dich in 30 Jahren vergisst: Er wird zwar gelöscht, sobald du die Auskunft lieferst oder sich die Sache erledigt, aber wenn nie etwas passiert, kann der ewig bestehen bleiben.
Auch im Ausland wirken deutsche Titel indirekt weiter: Selbst wenn du nie zurückkehrst, kann ein deutscher Gläubiger dir das Leben schwermachen. Er kann zum Beispiel regelmäßig versuchen, dein inländisches Umfeld unter Druck zu setzen – vielleicht sind noch Familienangehörige in Deutschland mit dir geschäftlich verbunden oder du hast eine deutsche Firma am Laufen. Gerichtliche Auskunftsbeschlüsse können Dritte zwingen, Informationen über dein Vermögen herauszugeben (z.B. Banken, Geschäftspartner). So etwas kann dein Netzwerk belasten. Zudem könntest du dich irgendwann in einem anderen Land niederlassen wollen, das mit Deutschland kooperiert. Dann taucht das Problem wieder auf, nur in neuer Form.
Merke: Weg ist nicht gleich weg. Ein deutscher Schuldtitel klebt dir wie Kaugummi am Schuh. Selbst wenn du ihn in Dubai abschütteln kannst, wird er hart, sobald du europäischen Boden betrittst. 30 Jahre sind eine lange Zeit, in der viel passieren kann. Überleg dir also gut, ob du dich wirklich lebenslang ins „Exil“ begeben willst, nur um einem Urteil zu entkommen. Die meisten unterschätzen, wie einschränkend das auf Dauer ist.
Kleiner Realitäts-Check: Einige Influencer, die lautstark die Steuerfreiheit Dubais priesen, kehrten nach wenigen Jahren reumütig nach Deutschland zurück – zum Beispiel, als bekannt wurde, dass deutsche Behörden Daten von Dubai-Heimkehrern angekauft und ausgewertet haben. Plötzlich stand die Frage im Raum: Was ist mit all den Altlasten? So mancher „Rückkehrer“ sah sich daheim mit Forderungen und Verfahren konfrontiert, die in der Zwischenzeit aufgelaufen waren.
5. Steuerfallen: 183-Tage-Regel, Wegzugsbesteuerung & Co – Irrtümer rund ums Auswandern
Kommen wir zum Lieblingsthema vieler Auswanderer: Steuern sparen. Im Internet kursieren zig Tipps und Halbwahrheiten à la „In Dubai zahlst du keine Einkommensteuer!“ oder „Wenn du weniger als 183 Tage in Deutschland bist, wirst du hier nicht besteuert.“ Was ist dran, worauf musst du achten?
5.1 Unbeschränkte Steuerpflicht – wann bist du raus aus der deutschen Steuer?
Mythos: „Ich melde mich einfach in Deutschland ab und verbringe weniger als 6 Monate im Jahr dort. Dann bin ich nicht mehr steuerpflichtig in Deutschland – 183-Tage-Regel, oder?“
Realität: So einfach ist das nicht. Zunächst: Die 183-Tage-Regel wird oft missverstanden. Diese Regel (in Doppelbesteuerungsabkommen und dem deutschen Recht) besagt vereinfacht: Bist du mehr als 183 Tage in einem Land, wirst du dort auf jeden Fall ansässig (steuerlich). Der Umkehrschluss gilt aber nicht automatisch! Nur weil du in Deutschland unter 183 Tagen weilst, heißt das nicht per se, dass Deutschland dich in Ruhe lässt. Entscheidend ist die Frage: Hast du einen Wohnsitz im Inland (§ 8 Abgabenordnung) oder deinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hier?
- Wohnsitz: Einen Wohnsitz in steuerlichem Sinne hast du, wenn du eine Wohnung innehast, die auf Dauer angelegt ist und die du jederzeit nutzen kannst. Wichtig: Du musst sie nicht mal wirklich oft nutzen – schon die Verfügbarkeit reicht! Heißt im Klartext: Selbst wenn du offiziell abgemeldet bist, aber z.B. deine Eigentumswohnung in Deutschland behältst und sie vielleicht möbliert leer steht (oder nur gelegentlich von dir genutzt wird), unterstellt das Finanzamt, du hast weiterhin einen Wohnsitz in Deutschland. Die formale Abmeldung beim Bürgeramt alleine beendet nicht die Steuerpflicht. Es zählen die tatsächlichen Verhältnisse. Erst wenn du wirklich keine eigene Unterkunft mehr hier hast – also z.B. Wohnung verkauft oder dauerhaft fremdvermietet, kein eigener Schlüssel, keine Verfügungsmacht mehr – erst dann ist der Wohnsitz in Deutschland aufgegeben.
- Gewöhnlicher Aufenthalt: Selbst ohne festen Wohnsitz kann dich Deutschland packen, nämlich wenn du dich „gewöhnlich“ hier aufhältst. Gewöhnlich heißt: zusammenhängend länger als 6 Monate pro Jahr (Kurzbesuche unterbrechen das nicht). Für digitale Nomaden, die herumreisen, ist das relevant: Wenn du z.B. jedes Jahr 5 Monate in Deutschland bei Familie/Freunden untertauchst und 7 Monate weltweit herumtingelst, könnte man argumentieren, dein gewöhnlicher Aufenthalt ist trotzdem in Deutschland (weil über 183 Tage in einem 12-Monatszeitraum hier, falls man die Zeiten zusammenrechnet). Allerdings wird bei versprengten Aufenthalten genau geprüft. Grundsätzlich gilt: Wer weder Wohnsitz noch >183 Tage physisch in Deutschland ist, fällt erstmal aus der unbeschränkten Steuerpflicht raus.
- Lebensmittelpunkt und DBA-Tie-Breaker: Wenn du in zwei Ländern wohnen könntest (z.B. du hast eine Wohnung in Deutschland nicht völlig aufgegeben und eine Wohnung im Ausland), dann kommt es auf deinen Lebensmittelpunkt an. Wo sind deine wichtigsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen? Das entscheidet letztlich, wo du als ansässig giltst. Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und anderen Ländern (sofern vorhanden, mit den VAE gibt es übrigens keins!) regeln solche Fälle mit Kriterien: ständige Wohnung, Mittelpunkt der Lebensinteressen, gewöhnlicher Aufenthalt, Staatsbürgerschaft usw. Für dich heißt das: Halbe-halbe funktioniert nicht gut. Wenn du noch viele Bindungen in Deutschland belässt (Familie, Vereinsmitgliedschaften, Firmenbeteiligungen, etc.), könnte Deutschland argumentieren, dein Lebensmittelpunkt sei trotz Auswanderung weiterhin hier. Dann bleibst du unbeschränkt steuerpflichtig – selbst wenn du physisch überwiegend woanders bist.
Beispiel: Du ziehst nach Dubai, aber deine Ehefrau und Kinder bleiben in Deutschland im gemeinsamen Haus wohnen, und du kommst alle paar Monate mal für ein paar Wochen heim. In so einem Fall ist es sehr wahrscheinlich, dass das Finanzamt dich weiter als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt. Denn dein Zentrum des Lebens (Familie, Haus) ist offenkundig noch in Deutschland. Die 183 Tage in Dubai nützen dir dann wenig; Deutschland wird sagen: Steuerpflicht bleibt bestehen. Das Erwachen kommt meist ein, zwei Jahre später, wenn das Finanzamt Nachweise fordert, wo du wie lange warst und wo dein Lebensmittelpunkt ist. Wenn du dann nicht überzeugend darlegen kannst, dass Deutschland wirklich passé ist, drohen saftige Steuernachforderungen.
Merke: Vollständige Steuerfreiheit „nirgendwo“ gibt es legal praktisch nicht. Irgendein Land will dich immer als Steuerbürger haben. Wenn du Deutschland entkommst, musst du nachweisen können, dass dich stattdessen ein anderes Land als ansässig betrachtet (z.B. durch Residence Permit, Steuerbescheinigung etc.). Einfach nur herumreisen und hoffen, in keinem Land aufzuschlagen, ist gefährlich: Deutschland könnte dich trotzdem als „stateless“ steuerpflichtig ansehen, solange nicht klar ist, wo du sonst Besteuerungsrecht hast. Im Zweifel unterstellt das Finanzamt lieber eine Steuerpflicht, als eine Lücke zu lassen – und du bist in der Beweispflicht, das Gegenteil zu zeigen.
5.2 Wegzugsbesteuerung: Wenn das Finanzamt beim Abschied die Hand aufhält
Eine fiese Falle schnappt gerne bei Unternehmern und Anteilseignern zu: die Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG).
Mythos: „Ich gründe meine Firma in Dubai oder nehme meine GmbH-Anteile einfach mit – dann entgehe ich der deutschen Steuer auf Verkäufe.“
Realität: Der deutsche Fiskus hat genau für solche Fälle vorgesorgt. Besitzt du innerhalb der letzten 5 Jahre vor dem Wegzug mindestens 1% an einer Kapitalgesellschaft (z.B. Anteile an einer GmbH, AG oder auch größere Aktienpakete), dann behandelt dich Deutschland beim Wegzug so, als würdest du deine Anteile verkaufen – und versteuert den fiktiven Gewinn! Das heißt, auch wenn du gar kein Geld tatsächlich bekommen hast, entsteht eine Steuer auf dem Papiergewinn, den dein Unternehmen seit Anschaffung der Anteile gemacht hat. Diese Steuer wird festgesetzt, sobald du in Deutschland nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig bist (also Wegzug). Im Ergebnis kann ein dicker Steuerbescheid ins Haus flattern, gerade wenn dein Business erfolgreich gewachsen ist. Man nennt das Wegzugssteuer oder Exit Tax. Sie soll verhindern, dass Leute ins Ausland ziehen, um dann dort steuerfrei ihr Unternehmen zu Geld zu machen.
- Beispiel: Stell dir vor, du hast vor ein paar Jahren eine Influencer-Agentur als GmbH gegründet. Dein Anteil daran ist inzwischen ein kleines Vermögen wert – die Firma läuft super. Du beschließt, nach Madeira zu ziehen und meldest dich in Deutschland ab. Überraschung: Das Finanzamt berechnet den Wert deiner GmbH-Anteile zum Zeitpunkt des Wegzugs und stellt fest, dass sich erhebliche stille Reserven gebildet haben (Wertsteigerung). Auf diesen Gewinn aus Anteilswertsteigerung will das Finanzamt jetzt Kapitalertragssteuer. Bei angenommenen 500.000 € Wertzuwachs könnten da rund 25% = 125.000 € Steuer anfallen (vereinfacht gerechnet). Diese Steuer wird fällig, obwohl du gar nichts verkauft hast!
- Zahlungsaufschub? Früher konnte man bei Wegzug in ein EU-Land die Steuer stunden (aufschieben), solange man die Anteile nicht tatsächlich verkauft. In ein Nicht-EU-Land wie Dubai hingegen musste man immer sofort zahlen. Seit 2022 sind die Regeln noch verschärft: Der Aufschub ist zeitlich begrenzt und mit Ratenzahlung verknüpft, selbst in EU-Fälle. Ziehst du nach Dubai, gibt’s i.d.R. keinen Aufschub – die Steuer ist mit dem Bescheid fällig. Wenn du sie nicht zahlst, wächst dein Steuerschuldenberg an. Und vergiss nicht: Steuerschulden sind auch nur Schulden. Zahlschmerzen hin oder her, Deutschland kann versuchen zu vollstrecken (soweit möglich) und dich bei Nichtzahlung ebenfalls ins Schuldnerverzeichnis bringen oder gar ein Steuerstrafverfahren einleiten, wenn es so aussieht, als hättest du mit Absicht die Zahlung vereitelt.
- Gestaltungsmissbrauch und Rückkehrfälle: Was viele überlegen: „Ich geh für ein oder zwei Jahre ins Ausland, verkaufe in der Zeit meine Firma steuerfrei und komm dann zurück.“ Pass bloß auf – das kann als Gestaltungsmissbrauch gewertet werden. Wenn das Finanzamt erkennt, dass dein Wegzug nur dazu diente, einen einmaligen Steuervorteil mitzunehmen, könnte man dir bei Rückkehr die Sache nachträglich besteuern. Es gibt im Gesetz gewisse Fristen: Kommst du binnen 5 oder 7 Jahren (je nach Fallgruppe) nach Deutschland zurück, kann die vorher erlassene Wegzugssteuer wieder aufleben bzw. erlassenes nachgefordert werden. Die Gesetzgebung ist hier komplex, aber die Tendenz klar: “Kurz mal ausreisen, Kasse machen, heimkommen” – dieses Modell funktioniert immer schlechter. Die Behörden schauen genau hin, ob ein Auslandsumzug ernsthaft dauerhaft gemeint ist oder nur ein Steuerspar-Zwischenstopp war.
5.3 Typische Fehlannahmen von Influencern in Steuerfragen
Lass uns einige gängige Irrtümer in Kurzform entlarven:
- „In Dubai muss ich gar keine Steuern zahlen – Paradies!“ – Stimmt, die VAE erheben keine Einkommensteuer auf Privatpersonen. ABER: Damit das für dich gilt, musst du wirklich deinen steuerlichen Wohnsitz nach Dubai verlegen und in Deutschland komplett raus sein (siehe oben). Außerdem verlangen die VAE in der Regel, dass du dort einen festen Status hast (z.B. ein Investment, Firmengründung oder Job, damit du ein Residence Visa bekommst). Einfach in Dubai im Hotel leben und hoffen, dass man dich dort als steueransässig akzeptiert, reicht nicht. Hast du den Umzug aber korrekt vollzogen, kannst du tatsächlich legal sehr niedrig besteuert sein. Viele unterschätzen jedoch den Aufwand, der dahinter steckt, um es wirklich sauber hinzukriegen.
- „Ich bin 183 Tage nicht in Deutschland, also bin ich hier steuerfrei.“ – Falsch, wie erklärt. Hast du noch irgendwelche Anknüpfungspunkte in Deutschland (Wohnung, Familie, Geschäftsleitung einer Firma, etc.), kann die Steuerpflicht weiter bestehen. Selbst ohne solche Anknüpfungen kann es Zwischenfälle geben: Beispiel, du trittst während eines längeren Deutschland-Aufenthalts bezahlte Jobs an oder nimmst Honorar für einen Auftritt entgegen – zack, hast du in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte generiert, obwohl du offiziell Auswanderer bist. Steuerfreiheit hängt nicht an der magischen Zahl von 183 Tagen, sondern an den gesamten Lebensumständen.
- „Abgemeldet beim Bürgeramt = aus den Augen, aus dem Sinn (fürs Finanzamt).“ – Nope. Die Meldeabmeldung wird zwar dem Finanzamt gemeldet, aber das Finanzamt prüft dann eigenständig, ob wirklich keine Steuerpflicht mehr vorliegt. Es kann sein, dass du trotz Abmeldung aufgefordert wirst, weiterhin Steuererklärungen abzugeben, solange irgendetwas darauf hindeutet, dass du noch Einkommen mit Deutschlandbezug hast. Und vergessen wir nicht: Beschränkt steuerpflichtig bist du für bestimmte inländische Einkünfte sowieso weiterhin. Das heißt, auch wenn du insgesamt nicht mehr mit deinem Welteinkommen hier besteuert wirst, könnten z.B. Mieteinnahmen aus deiner deutschen Immobilie oder Gewinne aus einer deutschen Firma weiterhin der deutschen Steuer unterliegen (dann eben isoliert als beschränkte Steuerpflicht). Du wirst also eventuell nie ganz „weg“ sein aus dem deutschen Steuersystem, sofern du nicht alle wirtschaftlichen Wurzeln kappst.
- „Meine Firma hab ich nach Ausland verlegt, damit hab ich mit dem deutschen Finanzamt nix mehr zu tun.“ – Dieses Missverständnis sehen Steuerberater oft: Influencer gründen im Ausland (etwa Dubai Freezone) eine neue Firma, an die alle Einnahmen fließen, und denken, damit wäre Deutschland raus. Aber: Wo wird die Leistung erbracht? Wenn du persönlich aus Deutschland heraus Videos produzierst oder Aufträge ausführst, kann Deutschland argumentieren, dass die Firma nur vorgeschoben ist und die Tätigkeit eigentlich von hier aus stattfindet – dann werden die Gewinne gegebenenfalls hier versteuert (Stichwort Betriebsstätte oder Hinterziehungsverdacht). Außerdem, solange du Gesellschafter der deutschen Alt-Firma bleibst oder noch Betriebsvermögen in Deutschland hast, gibt es nachwirkende Steuerpflichten (z.B. Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer auf Altrücklagen, etc.). Solche Konstruktionen müssen wasserdicht geplant sein, sonst schnappt die Steuerfalle zu.
Merke: Gerade im Steuerrecht gilt: Halbwissen kann teuer werden. Was bei einem funktioniert hat, muss bei dir nicht klappen. Jeder Fall ist anders, und das deutsche Steuerrecht kennt bei offensichtlicher Steuerflucht wenig Gnade. Schnell steht der Vorwurf der Steuerhinterziehung im Raum, wenn du „trickst“. Dann drohen neben Nachzahlungen auch strafrechtliche Probleme. Deshalb unser Appell: Hol dir unbedingt fachkundigen Rat, bevor du solche Schritte gehst. Die 183-Tage-Regel und Co mögen in YouTube-Videos simpel dargestellt werden – die Wirklichkeit ist komplexer.
Fazit: Freiheit ja – aber bitte mit fundiertem Plan
Zusammengefasst: Ein Umzug ins sonnige Ausland kann viele Vorteile haben, rechtliche Unantastbarkeit gehört aber nicht dazu. Als Influencer oder Agentur solltest du wissen, dass deutsche Gerichte und Behörden sehr wohl noch Zugriff haben, wenn du durch deine Online-Aktivitäten in Deutschland Rechtsverletzungen begehst oder wenn du deine steuerlichen Pflichten nicht sauber regelst.
Räumen wir die Mythen abschließend in aller Kürze weg:
- Ohne Wohnsitz keine Klage: Falsch. Internetinhalte mit Wirkung in Deutschland können vor deutschen Gerichten eingeklagt werden – du bist nicht automatisch immun, nur weil auf deinem Meldezettel jetzt „Dubai“ steht.
- Zustellung klappt nicht im Ausland: Falsch. Die Justiz findet Wege, notfalls durch öffentliche Bekanntmachung. Prozess und Urteil können laufen, auch wenn du physisch weit weg bist.
- Mein Geld ist sicher außer Landes: Jein. Was in Deutschland/der EU greifbar ist, kann eingefroren oder später vollstreckt werden. Und wer wiederkommt, dessen Hab und Gut ist pfändbar – 30 Jahre lang kann ein Gläubiger nicht selten warten.
- In Dubai bin ich steuerfrei ohne Wenn und Aber: Jein. Nur wenn du wirklich alle deutschen Anknüpfungspunkte kappst und die deutschen Steuerregeln beachtest. Sonst holt dich das Finanzamt früher oder später ein – mit Wegzugsteuer oder dem Vorwurf, du seist weiterhin hier steuerpflichtig.
- 183 Tage außerhalb Deutschlands reichen: Falsch. Die Realität deiner Lebensumstände zählt, nicht bloß Kalendertage. Ein Wohnsitz oder Mittelpunkt in Deutschland macht dich steuerpflichtig, selbst bei kurzen Aufenthalten.
Mein Rat: Genieße dein Leben als globetrottender Content Creator, aber tu es mit einem klaren Verständnis der Spielregeln. Hole dir professionelle Beratung, plane deinen Wegzug rechtlich und steuerlich sauber durch und glaube nicht blind den scheinbar einfachen Hacks aus dem Netz. So vermeidest du böse Überraschungen und kannst die Vorteile des Auslandsaufenthalts entspannt auskosten, ohne dass dir alte Pflichten auf die Füße fallen.
Am Ende bedeutet echte Freiheit auch, Verantwortung zu übernehmen. Wenn du das im Blick hast, steht deinem Abenteuer im Ausland nichts im Wege – außer vielleicht der nächste Flug 😉. Viel Erfolg und bleib auf der sicheren Seite!