Wenn ich in meiner Kanzlei mit Agenturinhabern spreche, erkenne ich oft die gleichen Herausforderungen wieder, die ich selbst als ehemaliger Agenturinhaber erlebt habe. Die Kreativbranche lebt von Vertrauen, Handschlagqualität und schnellen Entscheidungen. Aber gerade deshalb ist ein solider Agenturvertrag das Fundament für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Kunden. Nach 25 Jahren als Unternehmer in der Digitalbranche und fast 20 Jahren als Rechtsanwalt möchte ich heute meine wichtigsten Erkenntnisse zur rechtssicheren Vertragsgestaltung mit euch teilen.
Warum “Standard-AGBs” für Agenturen nicht ausreichen
Erst letzte Woche saß eine Agenturinhaberin in meiner Kanzlei, die ihre bestehenden AGBs überprüfen lassen wollte. Als ich mir die Dokumente ansah, wurde schnell klar: Die von einem Branchenverband übernommenen Standardtexte passten überhaupt nicht zu ihrem spezifischen Geschäftsmodell.
Als jemand, der selbst Agenturen gegründet und geführt hat, kenne ich beide Seiten des Tisches – die unternehmerische und die rechtliche. Was für eine klassische Werbeagentur funktioniert, kann für eine Performance-Marketing-Agentur völlig ungeeignet sein.
Die wichtigsten Bausteine eines modernen Agenturvertrags
Leistungsbeschreibung – mehr als nur Buzzwords
Ein Beispiel aus meiner Praxis: Eine Digital-Agentur hatte in ihrem Vertrag “Full-Service Online-Marketing” als Leistungsbeschreibung stehen. Als der Kunde später SEO-Optimierung, Content-Erstellung und Social Media Management als “selbstverständlichen” Teil des Pakets einforderte, gab es böses Erwachen.
Was ich meinen Mandanten daher immer rate:
– Definiert eure Leistungen präzise und unmissverständlich
– Grenzt Basis- und Zusatzleistungen klar ab
– Beschreibt den Prozess für Änderungen und Erweiterungen
– Legt Verantwortlichkeiten und Mitwirkungspflichten des Kunden fest
Vergütung – clever und sicher gestalten
Als Investor in einer Marketingagentur kenne ich die Bedeutung stabiler Cashflows. Ein gut strukturiertes Vergütungsmodell schützt nicht nur die Agentur, sondern schafft auch Transparenz für den Kunden.
Besonders wichtig sind:
– Klare Zahlungsbedingungen und -termine
– Regelungen zu Abschlagszahlungen bei größeren Projekten
– Transparente Handhabung von Zusatzleistungen
– Mechanismen zur Absicherung bei Zahlungsverzug
Nutzungsrechte – der oft übersehene Hebel
Ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, da ich die Herausforderungen aus eigener Erfahrung kenne: Die Übertragung von Nutzungsrechten. Viele Agenturen verschenken hier bares Geld, indem sie zu weitreichende Rechte einräumen.
Meine Empfehlungen aus der Praxis:
– Staffelt die Rechteeinräumung nach Nutzungsumfang
– Koppelt erweiterte Nutzungsrechte an zusätzliche Vergütung
– Behaltet euch Rechte für Eigenwerbung vor
– Sichert eure Rechte an Templates und Frameworks
Moderne Herausforderungen rechtssicher meistern
Agile Projektumsetzung vertraglich abbilden
Die Zeiten starrer Wasserfallmodelle sind vorbei. Als Rechtsanwalt, der täglich mit digitalen Projekten zu tun hat, rate ich zu flexiblen Vertragsstrukturen, die agile Arbeitsweisen ermöglichen:
– Rahmenvereinbarungen mit konkreten Projektanlagen
– Klare Prozesse für Änderungen im Projektverlauf
– Definition von Entscheidungswegen und Eskalationsstufen
– Transparente Dokumentation von Projektfortschritten
Remote-Zusammenarbeit und internationale Kunden
Die Digitalisierung macht Agenturarbeit zunehmend ortsunabhängig. Aus meiner Beratungspraxis weiß ich, dass dies besondere vertragliche Regelungen erfordert:
– Klare Kommunikationswege und Ansprechpartner
– Regelungen zu Zeitzonenunterschieden und Erreichbarkeit
– Vereinbarungen zu Tools und Plattformen
– Datenschutzrechtliche Absicherung
Praxistipps für Agenturen
Nach fast zwei Jahrzehnten Rechtsberatung für Agenturen hier meine wichtigsten Tipps:
1. Investiert in gute Verträge
– Sie sind euer wichtigstes Werkzeug zur Absicherung
– Standardverträge sind nur ein Ausgangspunkt
– Regelmäßige Überprüfung und Anpassung ist wichtig
2. Dokumentiert wichtige Abstimmungen
– Auch bei langjährigen Kundenbeziehungen
– Besonders bei Änderungen im Projektverlauf
– E-Mail-Bestätigungen von wichtigen Absprachen
3. Schafft klare Prozesse
– Für Änderungswünsche und Zusatzleistungen
– Bei der Abnahme von Leistungen
– Für die Rechnungsstellung und Zahlungsverfolgung
Fazit
Als jemand, der sowohl die unternehmerische als auch die rechtliche Seite der Agenturarbeit kennt, kann ich nur betonen: Ein gut gemachter Agenturvertrag ist kein Hindernis für vertrauensvolle Zusammenarbeit, sondern ihre Grundlage. Er gibt beiden Seiten die Sicherheit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: großartige kreative Arbeit.
Braucht ihr Unterstützung bei der Gestaltung eurer Agenturverträge? Als Rechtsanwalt mit eigener Erfahrung in der Digitalbranche verstehe ich nicht nur die rechtliche Seite, sondern auch eure praktischen Herausforderungen. Lasst uns gemeinsam Vertragsstrukturen entwickeln, die zu eurer Agentur passen und euch den Rücken für eure kreative Arbeit freihalten.