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EuGH: Waren aus von Israel besetzen Gebieten müssen gekennzeichnet werden

12. November 2019
in EU-Recht
Lesezeit: 3 Minuten Lesezeit
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Leitsatz?

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1. Leitsatz?
2. Im Detail
3. Feststellungen des EuGH
4. Die Entscheidung
4.1. Author: Marian Härtel

Auf Lebensmitteln aus vom Staat Israel besetzten Gebieten muss ihr Ursprungsgebiet und, wenn sie aus einer israelischen Siedlung in diesem Gebiet kommen, zusätzlich diese Herkunft angegeben werden

Wichtigste Punkte
  • Der EuGH entschied, dass Lebensmittel aus vom Israel besetzten Gebieten ihren Ursprungsort angeben müssen.
  • Auf israelischen Siedlungen in diesen Gebieten muss die spezifische Herkunft zusätzlich angegeben werden.
  • Angaben zur Herkunft verhindern Irreführung der Verbraucher über den tatsächlichen Ursprung der Produkte.
  • Der Begriff Ursprungsland wird laut dem Zollkodex der Union definiert.
  • Lebensmittel aus besetzten Gebieten müssen klar als solche gekennzeichnet werden, um ethische Entscheidungen zu ermöglichen.
  • Der Begriff Herkunftsort bezieht sich auf einen spezifischen geografischen Bereich innerhalb des Ursprungslandes.
  • Verbraucher sollten informiert werden, um Entscheidungen bezüglich humanitärer und völkerrechtlicher Aspekte treffen zu können.

Im Detail

In seinem Urteil Organisation juive européenne und Vignoble Psagot (C-363/18) vom 12. November 2019 zur Auslegung der Verordnung (EU) Nr. 1169/20111 hat der EuGH entschieden, dass auf Lebensmitteln aus vom Staat Israel besetzten Gebieten ihr Ursprungsgebiet und, wenn sie aus einer Ortschaft oder einer Gesamtheit von Ortschaften kommen, die innerhalb dieses Gebiets eine israelische Siedlung bildet, zusätzlich diese Herkunft angegeben werden muss.

Im Ausgangsverfahren, in dem sich die Organisation juive européenne und die Vignoble Psagot Ltd einerseits und der französische Minister für Wirtschaft und Finanzen andererseits  gegenüber standen, ging es um die Rechtmäßigkeit eines Erlasses über die Angabe der Herkunft von Waren aus den vom Staat Israel seit Juni 1967 besetzten Gebieten, der für diese Lebensmittel die in Rede stehenden Angaben vorschreibt. Der Erlass erging im Anschluss an die Veröffentlichung einer Mitteilung der Europäischen Kommission zu Auslegungsfragen über die Ursprungsbezeichnung von Waren aus diesen Gebieten.

Feststellungen des EuGH

Der Gerichtshof hat erstens festgestellt, dass gemäß den Art. 9 und 26 der Verordnung Nr. 1169/2011 das Ursprungsland oder der Herkunftsort eines Lebensmittels anzugeben ist, wenn ohne diese Angabe eine Irreführung der Verbraucher möglich wäre, weil bei ihnen der Eindruck erweckt würde, dass dieses Lebensmittel aus einem anderen als seinem tatsächlichen Ursprungsland oder Herkunftsort kommt. Außerdem darf die Angabe des Ursprungslands oder des Herkunftsorts auf dem Lebensmittel nicht so gestaltet sein, dass der Verbraucher getäuscht wird.

Zweitens hat der Gerichtshof erläutert, wie die Begriffe „Ursprungsland“ sowie „Land“ und „Gebiet“ im Sinne der Verordnung Nr. 1169/2011 auszulegen sind. Insoweit hat er ausgeführt, dass der Begriff des Ursprungslands in Art. 2 Abs. 3 der Verordnung durch einen Verweis auf den Zollkodex der Union definiert wird, wonach als Ursprungswaren eines bestimmten „Landes“ oder „Gebiets“ Waren gelten, die entweder in diesem Land oder Gebiet vollständig gewonnen oder hergestellt oder aber dort der letzten wesentlichen Be-oder Verarbeitung unterzogen wurden.

Zum Begriff „Land“, der im EU- und im AEU-Vertrag häufig als Synonym für „Staat“   verwendet wird, hat der Gerichtshof festgestellt, dass ihm, um eine kohärente Auslegung des Unionsrechts zu gewährleisten, im Zollkodex der Union und somit in der Verordnung Nr. 1169/2011 dieselbe Bedeutung beizumessen ist. Der Begriff „Staat“ wiederum bezeichnet eine souveräne Einheit, die innerhalb ihrer geografischen Grenzen sämtliche ihr nach dem Völkerrecht zustehenden Befugnisse ausübt. Zum Begriff „Gebiet“ hat der Gerichtshof ausgeführt, dass aus dem Wortlaut des Zollkodex der Union hervorgeht, dass mit diesem Begriff andere Einheiten als „Länder“ und folglich auch andere als „Staaten“ gemeint sind. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass die Verbraucher irregeführt werden könnten, wenn auf Lebensmitteln der Staat Israel als „Ursprungsland“ angegeben wird, obwohl die Lebensmittel tatsächlich aus Gebieten stammen, die jeweils über einen eigenen völkerrechtlichen Status, der sich von dem des Staates Israel unterscheidet, verfügen, aber von diesem Staat besetzt sind und im Sinne des humanitären Völkerrechts einer beschränkten Hoheitsgewalt dieses Staates als Besatzungsmacht unterliegen.

Die Entscheidung

Der Gerichtshof hat deshalb entschieden, dass die Angabe des Herkunftsgebiets der fraglichen Lebensmittel im Sinne der Verordnung Nr. 1169/2011 verpflichtend ist, um zu vermeiden, dass die Verbraucher in Bezug auf die Tatsache irregeführt werden könnten, dass der Staat Israel in diesen Gebieten als Besatzungsmacht und nicht als souveräne Einheit präsent ist.

Was drittens und letztens den Begriff „Herkunftsort“ betrifft, so ist dieser nach Auffassung des Gerichtshofs dahin zu verstehen, dass er ein bestimmtes geografisches Gebiet im Ursprungsland oder Ursprungsgebiet eines Lebensmittels mit Ausnahme der Anschrift des
Lebensmittelunternehmens bezeichnet. Daher kann die Angabe, dass ein Lebensmittel aus einer „israelischen Siedlung“ in einem „vom Staat Israel besetzten Gebiet“ kommt, als Angabe eines „Herkunftsorts“ angesehen werden, soweit der Begriff „Siedlung“ auf einen bestimmten geografischen Ort verweist.

Darüber hinaus hat der Gerichtshof zur Frage, ob die Angabe „israelische Siedlung“ verpflichtend ist, zunächst festgestellt, dass die Siedlungen, die in bestimmten vom Staat Israel besetzten Gebieten errichtet wurden, dadurch gekennzeichnet sind, dass sich darin eine Umsiedlungspolitik manifestiert, die dieser Staat außerhalb seines Hoheitsgebiets  unter Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts umsetzt.

Er hat sodann ausgeführt, dass die Verbraucher ohne diese Angabe, wenn also lediglich das Ursprungsgebiet angegeben wird, irregeführt werden könnten. Die Verbraucher können nämlich, wenn jegliche Information fehlt, die ihnen darüber Aufschluss geben könnte, nicht wissen, ob ein solches Lebensmittel aus einer Ortschaft oder einer Gesamtheit von  Ortschaften kommt, die eine Siedlung bildet, die in einem dieser Gebiete unter Verstoß gegen die Regeln des humanitären Völkerrechts errichtet wurde. Nach der Verordnung
Nr. 1169/20118 muss die Bereitstellung von Informationen es den Verbrauchern aber ermöglichen, unter Berücksichtigung nicht nur von gesundheitsbezogenen, wirtschaftlichen, umweltbezogenen oder sozialen, sondern auch von ethischen Erwägungen oder solchen, die die Wahrung des Völkerrechts betreffen, eine fundierte Wahl zu treffen. Der Gerichtshof hat insoweit darauf hingewiesen, dass solche Erwägungen die Kaufentscheidung der Verbraucher beeinflussen können.

Marian Härtel
Author: Marian Härtel

Marian Härtel ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht mit einer über 25-jährigen Erfahrung als Unternehmer und Berater in den Bereichen Games, E-Sport, Blockchain, SaaS und Künstliche Intelligenz. Seine Beratungsschwerpunkte umfassen neben dem IT-Recht insbesondere das Urheberrecht, Medienrecht sowie Wettbewerbsrecht. Er betreut schwerpunktmäßig Start-ups, Agenturen und Influencer, die er in strategischen Fragen, komplexen Vertragsangelegenheiten sowie bei Investitionsprojekten begleitet. Dabei zeichnet sich seine Beratung durch einen interdisziplinären Ansatz aus, der juristische Expertise und langjährige unternehmerische Erfahrung miteinander verbindet. Ziel seiner Tätigkeit ist stets, Mandanten praxisorientierte Lösungen anzubieten und rechtlich fundierte Unterstützung bei der Umsetzung innovativer Geschäftsmodelle zu gewährleisten.

Tags: InformationKaufentscheidungVerbraucherVerordnung

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