Viele Startups setzen in der Gründungs- und Wachstumsphase auf die Zusammenarbeit mit Freelancern. Diese bieten Flexibilität, spezifisches Know-how und sind oft eine kosteneffiziente Lösung, um Projekte schnell umzusetzen. Doch die rechtliche Einordnung von Freelancern birgt Risiken: Wenn die Zusammenarbeit nicht klar geregelt ist, besteht die Gefahr der Scheinselbstständigkeit. Dies kann für Startups erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben – von Nachzahlungen für Sozialversicherungsbeiträge bis hin zu Bußgeldern.
In diesem Beitrag zeige ich, was Scheinselbstständigkeit ist, welche Kriterien Gerichte und Behörden anlegen und wie Startups rechtssicher mit Freelancern zusammenarbeiten können. Ziel ist es, jungen Unternehmen eine klare Orientierung zu geben, wie sie diese Risiken minimieren und gleichzeitig von der Zusammenarbeit mit Freelancern profitieren können.
Was ist Scheinselbstständigkeit?
Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn ein Freelancer formal als selbstständig gilt, tatsächlich aber wie ein Arbeitnehmer in das Unternehmen eingegliedert ist. In solchen Fällen wird die Selbstständigkeit nur „zum Schein“ angenommen, um arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Pflichten zu umgehen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) sowie Arbeitsgerichte prüfen in solchen Fällen genau, ob eine echte Selbstständigkeit vorliegt oder ob es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Entscheidend ist dabei nicht der Vertragstext allein, sondern wie die Zusammenarbeit in der Praxis ausgestaltet ist. Selbst wenn ein Vertrag ausdrücklich eine selbstständige Tätigkeit beschreibt, kann die tatsächliche Durchführung zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen.
Die Folgen einer Scheinselbstständigkeit können für Startups gravierend sein: Neben hohen Nachzahlungen für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge drohen Bußgelder sowie mögliche arbeitsrechtliche Ansprüche des Freelancers – etwa auf Kündigungsschutz oder bezahlten Urlaub. Auch steuerrechtlich kann es problematisch werden, wenn das Finanzamt rückwirkend Lohnsteuerforderungen erhebt. Besonders kritisch wird es, wenn die DRV im Rahmen einer Betriebsprüfung mehrere Fälle von Scheinselbstständigkeit aufdeckt – hier können Nachzahlungen schnell existenzbedrohende Summen erreichen. Daher sollten Startups frühzeitig sicherstellen, dass ihre Zusammenarbeit mit Freelancern rechtlich sauber gestaltet ist.
Kriterien zur Abgrenzung: Selbstständig oder scheinselbstständig?
Ob ein Freelancer tatsächlich selbstständig ist oder scheinselbstständig arbeitet, hängt von einer Gesamtabwägung verschiedener Kriterien ab. Diese Kriterien werden von der Deutschen Rentenversicherung sowie von Gerichten herangezogen und beziehen sich sowohl auf den Vertrag als auch auf die tatsächliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit. Ein zentrales Kriterium ist die Eingliederung in den Betrieb: Arbeitet der Freelancer wie ein Angestellter im Team des Unternehmens mit und nutzt dessen Infrastruktur, spricht dies eher für eine Scheinselbstständigkeit. Ebenso kritisch wird es, wenn der Freelancer festen Arbeitszeiten unterliegt oder regelmäßig an internen Meetings teilnimmt.
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist die Weisungsgebundenheit. Selbstständige arbeiten typischerweise unabhängig und entscheiden selbst über Arbeitszeit, Arbeitsort und Art der Auftragsausführung. Wenn ein Freelancer jedoch detaillierte Anweisungen erhält und eng kontrolliert wird, deutet dies auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hin. Auch das Unternehmerrisiko spielt eine Rolle: Selbstständige tragen ein eigenes wirtschaftliches Risiko und treten am Markt als Unternehmer auf – etwa durch Werbung oder mehrere Auftraggeber. Arbeiten sie hingegen ausschließlich für ein Unternehmen und erhalten eine feste Vergütung unabhängig vom Projekterfolg, kann dies problematisch sein. Die Anzahl der Auftraggeber ist ebenfalls relevant: Freelancer sollten idealerweise mehrere Kunden haben, um ihre Unabhängigkeit zu dokumentieren.
Wie können Startups Scheinselbstständigkeit vermeiden?
Klare vertragliche Regelungen
Ein gut gestalteter Vertrag bildet die Grundlage jeder Zusammenarbeit mit Freelancern und kann helfen, das Risiko einer Scheinselbstständigkeit zu minimieren. Der Vertrag sollte klar regeln, dass der Freelancer eigenverantwortlich arbeitet und nicht in betriebliche Abläufe eingebunden ist. Dazu gehört auch eine Beschreibung des Projekts oder der Dienstleistung sowie Regelungen zur freien Zeiteinteilung und Ortswahl. Wichtig ist außerdem eine Klausel zur eigenverantwortlichen Steuer- und Sozialversicherungspflicht des Freelancers – diese zeigt an, dass beide Seiten sich über ihre Rollen im Klaren sind.
Allerdings reicht ein Vertrag allein nicht aus: Entscheidend ist immer die tatsächliche Durchführung der Zusammenarbeit. Wenn ein Startup beispielsweise einen Vertrag abschließt, in dem freie Zeiteinteilung vereinbart wird, den Freelancer aber dennoch zu festen Zeiten ins Büro bestellt, entsteht ein Widerspruch zwischen Vertragstext und Realität – was bei Prüfungen schnell auffallen kann. Daher sollten Startups darauf achten, dass alle vertraglichen Regelungen auch in der Praxis eingehalten werden.
Vermeidung von betrieblichen Strukturen
Freelancer sollten nicht wie festangestellte Mitarbeiter behandelt werden – weder organisatorisch noch sozial. Das bedeutet konkret: Sie sollten keine festen Arbeitszeiten haben oder an internen Meetings teilnehmen müssen (außer projektbezogen). Auch die Nutzung betrieblicher E-Mail-Adressen oder Visitenkarten sollte vermieden werden, da dies nach außen den Eindruck erweckt, der Freelancer sei Teil des Unternehmens.
Ein weiterer Aspekt betrifft den Zugang zu internen Systemen oder Ressourcen: Während es bei bestimmten Projekten notwendig sein kann, dass Freelancer Zugriff auf bestimmte Tools oder Daten erhalten, sollte dies immer auf das Minimum beschränkt bleiben. Je stärker ein Freelancer in betriebliche Strukturen eingebunden wird, desto größer ist das Risiko einer Scheinselbstständigkeit. Startups sollten daher klare Grenzen ziehen und sicherstellen, dass Freelancer als externe Dienstleister wahrgenommen werden – sowohl intern als auch extern.
Nachweis mehrerer Auftraggeber
Ein zentrales Kriterium für die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit ist die Anzahl der Auftraggeber des Freelancers. Wenn ein Freelancer ausschließlich oder überwiegend für ein einziges Unternehmen arbeitet, besteht ein erhöhtes Risiko für Scheinselbstständigkeit – insbesondere dann, wenn er langfristig eingebunden ist. Startups können dieses Risiko minimieren, indem sie keine Exklusivitätsklauseln vereinbaren und darauf achten, dass ihre Freelancer auch für andere Kunden tätig sind.
Ein weiterer Vorteil mehrerer Auftraggeber liegt darin, dass dies den Status des Freelancers als eigenständiger Unternehmer unterstreicht. In Zweifelsfällen kann dies als wichtiges Argument dienen, um den Vorwurf der Scheinselbstständigkeit zu entkräften. Startups sollten daher regelmäßig prüfen, ob ihre Freelancer auch andere Projekte betreuen – beispielsweise durch Gespräche oder entsprechende Nachweise.
Erfolgsabhängige Vergütung
Die Art der Vergütung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit. Eine feste monatliche Vergütung spricht eher für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis – insbesondere dann, wenn keine konkreten Ergebnisse vereinbart wurden. Selbstständige hingegen arbeiten typischerweise erfolgsabhängig: Sie erhalten ihre Vergütung erst nach Abschluss eines Projekts oder bei Erreichen bestimmter Meilensteine.
Startups können dieses Modell nutzen, um die Unabhängigkeit ihrer Freelancer zu unterstreichen und gleichzeitig klare Leistungsziele zu definieren. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, dass die Vergütung fair gestaltet ist und dem Umfang des Projekts entspricht – andernfalls könnte dies als Indiz für eine Umgehung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten gewertet werden.
Prüfung durch externe Berater
Eine rechtliche Prüfung durch einen spezialisierten Anwalt oder Steuerberater kann helfen, potenzielle Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren. Dabei wird nicht nur der Vertragstext geprüft, sondern auch die tatsächliche Durchführung der Zusammenarbeit analysiert – etwa im Hinblick auf Weisungsgebundenheit oder betriebliche Eingliederung.
Gerade bei langfristigen Projekten oder wichtigen Schlüsselpositionen lohnt sich diese Investition: Eine frühzeitige Beratung kann dazu beitragen, teure Nachzahlungen oder Bußgelder zu vermeiden und gleichzeitig Rechtssicherheit zu schaffen. Externe Berater können außerdem dabei helfen, alternative Modelle wie Werkverträge oder projektbasierte Anstellungen zu entwickeln.
Fazit: Rechtssichere Zusammenarbeit mit Freelancern
Die Zusammenarbeit mit Freelancern bietet Startups viele Vorteile – doch ohne klare Regelungen besteht das Risiko der Scheinselbstständigkeit. Durch sorgfältige Vertragsgestaltung, die Vermeidung betrieblicher Strukturen und die Dokumentation der Unabhängigkeit des Freelancers können diese Risiken minimiert werden.
Als Rechtsanwalt mit Erfahrung im Arbeitsrecht unterstütze ich Startups dabei, rechtssichere Lösungen für die Zusammenarbeit mit Freelancern zu entwickeln – sei es durch die Gestaltung individueller Verträge oder durch Beratung zur tatsächlichen Umsetzung der Projekte. Denn nur wer rechtlich abgesichert handelt, kann sich voll auf den Erfolg seines Unternehmens konzentrieren!