Als Rechtsanwalt, der viele junge Startups und Influencer Marketing Agenturen berät, höre ich oft die Meinung, dass schriftliche Verträge langweilig, abschreckend und unnötig seien. Gerade in der hippen, schnelllebigen Startup-Szene scheint der Glaube zu herrschen, dass Verträge eher hinderlich sind und gute Geschäftsbeziehungen auf Vertrauen statt Papier basieren sollten.
Doch in meiner langjährigen Erfahrung als Anwalt kann ich sagen: Diese Einstellung ist kurzsichtig und riskant. Tatsächlich legen gerade die professionellsten und erfolgreichsten Geschäftspartner größten Wert auf sauber ausgearbeitete, schriftliche Verträge. Und das aus gutem Grund:
Klarheit und Transparenz
Ein detaillierter Vertrag zwingt beide Seiten dazu, sich im Vorfeld gründlich Gedanken zu machen: Was genau ist die Leistung? Wie sieht die Gegenleistung aus? Welche Pflichten und Rechte hat jede Partei? Indem man all das vorab klärt und schriftlich festhält, schafft man Transparenz und stellt sicher, dass beide Parteien die gleichen Erwartungen haben. So vermeidet man spätere Enttäuschungen und Streit.
Gerade bei komplexeren Projekten und Investitionen wäre es fahrlässig, auf eine klare vertragliche Grundlage zu verzichten. Denn je mehr auf dem Spiel steht, desto wichtiger ist es, dass alle Beteiligten genau wissen, worauf sie sich einlassen.
Schriftliche Vereinbarungen sind nicht nur im Streitfall hilfreich, sondern auch im Alltag. Sie dienen als verbindlicher Fahrplan und Gedächtnisstütze für beide Seiten. Gerade bei längerfristigen Projekten kann man so jederzeit nachschlagen, was genau vereinbart war. Das schafft Struktur und Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit. Auch Personalwechsel oder eine Übergabe an Nachfolger werden so erleichtert.
Professionalität
Seriöse Geschäftspartner scheuen keine Verträge, im Gegenteil: Sie bestehen darauf. Denn ein professionell ausgearbeiteter Vertrag signalisiert, dass man es mit der Zusammenarbeit ernst meint und die Beziehung langfristig und auf Augenhöhe gestalten will.Wer dagegen auf Verträge verzichtet, wirkt unseriös und wenig vertrauenswürdig. Schließlich würde man ja auch kein Haus kaufen, ohne einen notariellen Kaufvertrag zu unterzeichnen. Warum sollte das in der Geschäftswelt anders sein?
Gerade im B2B-Bereich sind schriftliche Verträge ein absolutes Muss für jede seriöse Geschäftsbeziehung. Sie schaffen nicht nur Klarheit über die gegenseitigen Rechte und Pflichten, sondern sind auch ein Zeichen von Professionalität und Wertschätzung. Ein Unternehmen, das auf schriftliche Agreements besteht, zeigt damit, dass es seinen Partnern mit Respekt begegnet und die Zusammenarbeit auf ein solides Fundament stellen will.Natürlich bedeutet das nicht, dass jede Kleinigkeit vertraglich geregelt werden muss. Aber bei allen wesentlichen Punkten einer B2B-Kooperation – von Leistungsumfang über Zahlungsmodalitäten bis hin zu Haftungsfragen – sollte man unbedingt auf einem unterschriebenen Vertrag bestehen. Alles andere wäre fahrlässig und könnte im Konfliktfall fatale Folgen haben.
Zumal professionelle Verträge heute dank digitaler Tools keine bürokratischen Monster mehr sein müssen. Mit den richtigen Vorlagen und E-Signature-Lösungen lassen sich auch komplexe Agreements schnell, einfach und rechtssicher abschließen. Wer als Unternehmen auf diese Möglichkeiten verzichtet, verschenkt nicht nur wertvolle Zeit, sondern setzt seine Geschäftsbeziehungen unnötig aufs Spiel.
Schutz im Konfliktfall
Natürlich hofft man immer, dass es nicht zum Streit kommt. Doch wenn doch, sind schriftliche Vereinbarungen Gold wert. Denn selbst wenn sich beide Seiten einig waren, können Erinnerungen täuschen. Ohne Vertrag steht dann Aussage gegen Aussage.
Mit einem unterschriebenen Vertrag hat man dagegen eine objektive Grundlage, auf die man sich berufen kann. Im Zweifelsfall spart man sich so teure Rechtsstreitigkeiten. Denn ein wasserdichter Vertrag ist immer noch günstiger als der beste Anwalt.
Mein Zivilrechtsprofessor pflegte immer zu sagen: “Verträge sind zum Vertragen da”. Damit spielte er auf die landläufige Meinung an, dass das Wort “Vertrag” von “vertragen” im Sinne von “sich einigen” oder “miteinander auskommen” abstammt. Tatsächlich leitet sich “Vertrag” aber vom mittelhochdeutschen “vertrac” ab, was so viel wie “Übereinkunft” oder “Abmachung” bedeutet. Der Begriff hat also etymologisch nichts mit “Verträglichkeit” zu tun.
Dennoch steckt in der Aussage meines Professors ein wahrer Kern. Denn in meiner langjährigen Erfahrung als Rechtsanwalt habe ich festgestellt: Wo ein solider schriftlicher Vertrag existiert, wird tendenziell weniger gestritten. Das liegt daran, dass ein gut ausgearbeiteter Vertrag von vornherein Klarheit schafft: über Leistung und Gegenleistung, Rechte und Pflichten, Fristen und Konsequenzen. So werden Missverständnisse und falsche Erwartungen, die später oft zu Konflikten führen, schon im Keim erstickt.
Natürlich garantiert auch der beste Vertrag keine absolute Harmonie. Aber er bildet eine solide Basis für eine reibungslose Zusammenarbeit und ein geordnetes Miteinander. Kommt es doch einmal zu Meinungsverschiedenheiten, lässt sich anhand des Vertrags meist schnell klären, wer Recht hat. So werden langwierige und kostspielige Rechtsstreitigkeiten vermieden.
Insofern würde ich die Aussage meines Professors heute umformulieren in: “Verträge sind zwar nicht etymologisch, aber praktisch zum Vertragen da”. Denn sie fördern ein einvernehmliches Miteinander – auch wenn der Wortstamm etwas anderes suggeriert. Als Anwalt kann ich daher nur jedem empfehlen, die Mühe einer sorgfältigen vertraglichen Regelung auf sich zu nehmen. Das erspart in den meisten Fällen viel Ärger, Zeit und Geld.
Investition in die Zukunft
Ja, das Ausarbeiten von Verträgen kostet zunächst Zeit und Geld. Doch es ist eine Investition, die sich auszahlt. Denn rechtliche Sicherheit ist die Basis für eine vertrauensvolle, langfristige Zusammenarbeit, von der am Ende alle profitieren.
Gerade junge Unternehmen und Influencer, die nachhaltigen Erfolg anstreben, sollten hier nicht am falschen Ende sparen. Denn wer solide Verträge scheut, riskiert auf lange Sicht weit mehr als ein paar Anwaltskosten.
Zugegeben, die Zeiten der Papierberge sind vorbei. Dank digitaler Tools lassen sich Verträge heute einfacher denn je erstellen, prüfen und verwalten. Vom elektronischen Versand bis zur digitalen Unterschrift ist alles möglich. Gerade für junge, agile Unternehmen bietet die Digitalisierung enorme Chancen, ihre vertraglichen Prozesse zu optimieren. Wer diese Möglichkeiten clever nutzt, spart Zeit, Geld und Nerven – ohne auf rechtliche Sicherheit zu verzichten.
Mein Fazit als Anwalt: Verträge sind nicht “uncool”, sondern ein Zeichen von Weitsicht und Seriosität. Wer auf wasserdichte Agreements verzichtet, handelt nicht geschäftsfreundlich, sondern geschäftsschädigend. Denn egal ob Influencer-Kampagne oder Startup-Finanzierung: Auf dem Weg nach oben sind klare vertragliche Spielregeln für alle Beteiligten ein Muss.
Natürlich müssen Verträge nicht immer lang und kompliziert sein. Auch kurze, verständliche Agreements können ihren Zweck erfüllen. Entscheidend ist, dass die wesentlichen Punkte schriftlich fixiert sind.
Mein Rat an alle Jungunternehmer und Kreativen lautet daher: Scheut keine Verträge, sondern nutzt sie als Chance! Mit den richtigen Verträgen schafft ihr die Grundlage für erfolgreiche, vertrauensvolle Partnerschaften. Und das ist unbezahlbar – nicht nur juristisch gesehen.