Der Bundesgerichtshof hat kürzlich ein interessantes Urteil zu einem eigentlich alten Phänomen gefällt, den sogenannten Abbruchjägern.
Im jetzt entschiedenen Fall bot jemand im April 2012 einen Pirelli-Radsatz für einen Audi A6 mit einem Startpreis von 1 € zum Verkauf an. Er beendete die Auktion vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger Höchstbietender mit einem Gebot von 201 €. Nach den seinerzeit geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay kam ein Kaufvertrag mit dem Höchstbietenden auch bei vorzeitiger Beendigung der Auktion zustande, es sei denn, der Anbieter war zur Rücknahme des Angebots “gesetzlich” berechtigt. Der Verkäufer machte geltend, der Radsatz sei aus der Garage eines anderen entwendet worden, wovon der Verkäufer erst unmittelbar vor dem Abbruch der Auktion erfahren habe.
Der jetzige Kläger hatte seit dem Jahr 2009 in großem Umfang Gebote bei eBay-Auktionen abgegeben. Mit E-Mail vom 4. April 2012 forderte der Kläger den Beklagten vergeblich auf, den angebotenen Radsatz, dem er zuletzt einen Wert von mindestens 1.701 € zugemessen hatte, gegen Zahlung von 201 € herauszugeben. Mit Schreiben vom 24. Januar 2013 trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück und forderte Schadensersatz. Die auf Zahlung von 1.500 € nebst Zinsen gerichtete Klage hat vor dem Amtsgericht dem Grunde nach Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Der BGH entschied dazu jedoch, dass bei der Beurteilung, ob das Verhalten eines Bieters, der an einer Vielzahl von Auktionen teilgenommen hat, als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist, abstrakte, verallgemeinerungsfähige Kriterien, die den zwingenden Schluss auf ein Vorgehen als “Abbruchjäger” zulassen, nicht aufgestellt werden können. Es hänge vielmehr von einer dem Tatrichter obliegenden Gesamtwürdigung der konkreten Einzelfallumstände ab, ob die jeweils vorliegenden Indizien einen solchen Schluss tragen.
Die Revision hatte daher keinen Erfolg.
Im Wesentlichen bejahte der BGH den Entscheidungen der Instanzgerichte, wonach der Verkäufer besondere Umstände eines Rechtsmissbrauchs nicht nachweisen konnte, ebenso nicht, dass er rechtlich zum Abbruch berechtigt war.
Zusätzlich betonte der BGH:
Schließlich bleibt auch der Verweis der Revision auf den in einem obiter dictum des Senats (Senatsurteil vom 24. August 2016 – VIII ZR 182/15, WM 2016, 2145 Rn. 13) bejahten Rechtsmissbrauch in einem Fall, in welchem das dortige Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch eines “Abbruchjägers” wegen rechtsmissbräuchlichen Bieterverhaltens verneint hatte (LG Görlitz, Urteil vom 8. Juli 2015 – 2 S 213/14, juris), ohne Erfolg. Jenes Berufungsgericht hat insoweit zu Recht darauf abgestellt, dass seinerzeit neben dem Mitbieten bei einer Vielzahl von Auktionen zusätzliche besonders zu missbilligende Umstände im Verhalten des damaligen Bieters hinzutraten. So hat dieser Bieter bei einer nachfolgenden, ihm bekannt gewordenen Auktion über denselben Gegenstand nicht mitgeboten, seine (vermeintlichen) Ansprüche an einen Zeugen abgetreten und dieser seinen Schadensersatzanspruch anschließend erst sehr spät gerichtlich geltend gemacht, als er davon ausgehen konnte, dass der Gegenstand bereits an einen Dritten veräußert worden war.
Diese Besonderheiten liegen im vorliegenden Fall jedoch nicht vor. Denn anders als in dem dem vorgenannten Senatsurteil zugrundeliegenden Fall, in dem der dortige Käufer davon ausgehen konnte, dass der Verkäufer lange Zeit nach der Auktion den angebotenen Gegenstand anderweitig veräußert hatte und er deshalb Schadensersatz statt der Leistung geltend machen konnte, schied hier eine zwischenzeitliche anderweitige Veräußerung des angebotenen Radsatzes bereits deshalb aus, weil der Beklagte einen Diebstahl des Radsatzes geltend gemacht hatte. Damit war auch eine anderweitige, etwa schutzwürdige Disposition des Beklagten im Vertrauen auf das Ausbleiben (weiterer) Forderungen im hier vorliegenden Fall zwischen erstmaliger Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs und einer gerichtlichen Durchsetzung in einem Zeitraum von über zwei Jahren nicht berührt.