Das Bundesverfassungsgericht hat zugunsten meines Mandanten eine sehr kontroverse Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden revidiert und einer Verfassungsbeschwerde des Mandanten stattgegeben.
In dem rechtskräftig abgeschlossenen Erkenntnisverfahren, das dem beschwerdegegenständlichen Vollstreckungsverfahren zugrunde liegt, nahm Blizzard Entertainment meinen Mandanten erfolgreich auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Urheberrechtsverletzung in Anspruch. Nach weitgehender Zurückweisung der Revision des Beschwerdeführers durch den Bundesgerichtshof (Urteil vom 6. Oktober 2016 – I ZR 25/15 -, GRUR 2017, S. 266 – World of Warcraft I) ist der Unterlassungstitel des Landgerichts dadurch in dem Umfang rechtskräftig geworden, dass es dem Beschwerdeführer unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt ist,
„selbst oder durch Dritte (einschließlich einer von ihm vertretenen juristischen Person) die Client-Software für die Online-Spiele […] ganz oder teilweise, dauerhaft oder vorübergehend zu gewerblichen Zwecken zu vervielfältigen, insbesondere indem er selbst oder durch Dritte Teile der Client-Software für die Online-Spiele […] auf die Festplatte eines PC kopiert und/oder in den Arbeitsspeicher lädt […], um zu gewerblichen Zwecken eine Automatisierungssoftware für diese Spiele herzustellen und/oder zu bearbeiten“.
Nach dem BGH-Urteil sorgte mein Mandant dafür, dass in der Bundesrepublik Deutschland keine Vervielfältigungen mehr stattfanden. Trotzdem kam es zu einem Vollstreckungsverfahren. Blizzard Entertainment begehrte gemäß § 890 ZPO die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Mandanten wegen Verstößen gegen das titulierte Unterlassungsgebot. Der Beschwerdeführer habe Veränderungen an der Bot-Software vorgenommen, die zwingend das Ablaufenlassen der Client-Software voraussetze.
Nachdem mein Mandant geltend gemacht hatte, dass seine inländischen Mitarbeiter schriftlich angewiesen worden seien, die Client-Software von Blizzard Entertainment nicht weiterzuverwenden und es feststand, dass weitere Mitarbeiter, die in die Entwicklung der Bot-Software eingebunden seien, nicht in Deutschland, sondern im Ausland verweilten, wies das Landgericht Leipzig die Anträge auf Verhängung von Ordnungsmitteln zurück. Das Landgericht konnte nicht erkennen, dass die Vervielfältigungen in der Bundesrepublik Deutschland stattfanden.
Auf die sofortige Beschwerde von Blizzard Entertainment hin, entschied das Oberlandesgericht Dresden grotesker Weise anders.
Zwar komme nach dem Territorialitätsprinzip die Verletzung eines inländischen Schutzrechts durch eine Auslandshandlung grundsätzlich nicht in Betracht. im vorliegenden Falle liege aber keine reine Auslandshandlung vor. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens sei nicht auf eine Verletzungshandlung gegen das inländische Schutzrecht, sondern auf eine Zuwiderhandlung gegen das auf das Inland begrenzte Verbot des Titels abzustellen. Zudem genüge es, wenn ein Teil der Handlung im Inland begangen sei. Im Streitfall sei die Zuwiderhandlung gegen den Titel im Inland erfolgt. Der Umfang des Verbotstitels erstrecke sich auch auf eine im Inland begangene Beteiligung an einer Vervielfältigung durch Dritte. Dass die Vervielfältigung ihrerseits unterbunden werden könne, was im Ausland nicht der Fall sei, setze das Titelverbot einer Beteiligung nicht voraus. Der Titel verlange vom Schuldner nicht nur, im Inland alles zu unterlassen, sondern im Inland auch alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich war, um künftige Vervielfältigungen der Client-Software des Spiels durch Dritte – und sei es auch im Ausland – zu verhindern.
Mein Mandant könne sich nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt sei, sondern müsse auch auf Dritte einwirken, soweit deren Handeln in seinem Einflussbereich liege und ihm wirtschaftlich zugutekomme. Dem habe der Beschwerdeführer nicht genügt. So sei bereits nicht ersichtlich, dass er vom Inland aus alle Mitarbeiter seines Unternehmens ausreichend belehrt und angewiesen habe. Hinzukomme, dass mein Mandant über eine im Inland registrierte und abrufbare Internetdomäne Daten und Informationen für die Weiterentwicklung seiner verfahrensgegenständlichen Bots im Falle von Softwareänderungen der Gläubigerin habe bereitstellen lassen, ohne hiergegen, wie vom Titel verlangt, einzuschreiten. Bei diesen Änderungen sei die Client-Software der Klägerin durch Dritte, die dem Einfluss des Beschwerdeführers unterlägen, vervielfältigt worden.
Nachdem das Oberlandesgericht Dresden auch eine Gehörsrüge zurückgewiesen hatte, mussten wir Verfassungsbeschwerde einreichen und die Verletzung der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, des Willkürverbots aus Art. 3 Abs. 1 GG, des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG sowie des Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG, hilfsweise aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG rügen.
Dieser Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht nunmehr stattgegeben!
Das BVerfG entschied, dass der angegriffene Beschluss meinen Mandanten jedenfalls in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzte.
Gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Verbot objektiver Willkür (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher – ohne dass es auf schuldhaftes Handeln ankäme – der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Das ist anhand objektiver Kriterien festzustellen. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung allerdings noch nicht objektiv willkürlich. Schlechterdings unhaltbar ist eine fachgerichtliche Entscheidung vielmehr erst dann, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird.
Das BVerfG äußerte sich dabei klar und unmissverständlich:
So z.B.
Eine Vervielfältigung der Client-Software im Inland hat das Oberlandesgericht […] nicht festgestellt. Bei einer solchen Ausgangslage sind dann aber weder Teilnahmehandlungen an Vervielfältigungen im Ausland noch die bloße Verwertung der dabei erlangten Informationen vom beschwerdegegenständlichen Unterlassungstenor umfasst.
oder
Soweit das Oberlandesgericht diesen darin sieht, dass der Beschwerdeführer das Geschäftsmodell der GmbH entworfen und das rechtsverletzende Verhalten der Mitarbeiter veranlasst habe, verkennt es, dass das Geschäftsmodell als solches gerade keinen urheberrechtlichen Störungszustand darstellt.
Ebenso ein Schlag vor das Gesicht eines Oberlandesgerichtes, sind folgende Aussagen des BVerfG:
Das Oberlandesgericht legt auch selbst zunächst dar, dass nach dem Territorialitätsprinzip eine Verletzung eines inländischen Schutzrechts durch eine Auslandshandlung nicht in Betracht kommt. Dann widerspricht es sich aber insoweit, dass der Unterlassungstenor auch die inländische Pflicht umfassen soll, alles zu tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige Vervielfältigungen durch Dritte im Ausland zu verhindern. Ein Verstoß gegen diese Handlungspflicht soll dann eine urheberrechtlich relevante Vervielfältigungshandlung im Inland darstellen. Diese rechtliche Konstruktion einer täterschaftlichen Verletzung ist aufgrund der inkonsequenten Anwendung des Territorialitätsprinzips in sich widersprüchlich, weil selbst eine urheberrechtlich relevante Teilnahmehandlung eine rechtswidrige und damit zumindest teilweise inländische Haupttat voraussetzt.
oder
Die rechtliche Konstruktion der etablierten Handlungspflicht ist nach Maßgabe der obigen Ausführungen unter keinen denkbaren Gesichtspunkten tragfähig und zudem in sich widersprüchlich. Es drängt sich vielmehr der Schluss auf, dass die angenommene Handlungspflicht auf sachfremden Erwägungen beruht. Das Oberlandesgericht untersagt im Ergebnis die weltweite Herstellung der Bot-Software selbst, beziehungsweise bereits das mangelnde Einwirken darauf, dass diese nicht durch mit dem Beschwerdeführer verbundene Dritte im Ausland hergestellt werde. Das ist von dem Unterlassungstitel indes offensichtlich nicht erfasst, weil es bereits nicht Gegenstand des Erkenntnisverfahrens war, das allein auf die Untersagung von Vervielfältigungshandlungen an der verfahrensgegenständlichen Software der Gläubigerin gerichtet war.
Die gesamte Entscheidung gibt es hier. Danke übrigens an die Kollegen von Härting Rechtsanwälte, die die Verfassungsbeschwerde vorbildlich betreut haben und mit denen immer eine sehr konstruktive Arbeit möglich war!