Für Startups und innovative Unternehmen stellt eine solide finanzielle Basis einen entscheidenden Erfolgsfaktor dar. In meiner langjährigen anwaltlichen Praxis, insbesondere bei der Beratung junger, aufstrebender Unternehmen im IT- und Medienrecht, zeigt sich regelmäßig die Notwendigkeit, neben Kreativität und Innovation auch eine robuste finanzielle Ausstattung sicherzustellen. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen, denen sich innovative Unternehmen gegenübersehen, erfordern nicht nur eine durchdachte Geschäftsstrategie, sondern auch ausreichende finanzielle Reserven, um unvorhergesehene Entwicklungen abzufedern und rechtliche Risiken adäquat zu adressieren. Insbesondere in Branchen mit hoher Innovationsdynamik, wie etwa im Bereich der künstlichen Intelligenz, der Blockchain-Technologie oder der digitalen Medien, können sich regulatorische Rahmenbedingungen rasch ändern, was eine flexible Anpassung des Geschäftsmodells und gegebenenfalls zusätzliche Investitionen in Compliance-Maßnahmen erforderlich macht. Die Rechtsprechung der letzten Jahre hat gezeigt, dass Gerichte zunehmend strenge Maßstäbe an die Sorgfaltspflichten von Geschäftsführern in innovativen Branchen anlegen. So hat beispielsweise das OLG München in einem Urteil vom 21.09.2017 (Az. 23 U 2093/17) betont, dass Geschäftsführer von Technologie-Startups eine besondere Pflicht zur kontinuierlichen Beobachtung des rechtlichen und regulatorischen Umfelds trifft. Dies erfordert nicht selten die Inanspruchnahme externer Expertise, was wiederum mit erheblichen Kosten verbunden sein kann. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Empfehlung, eine substantielle finanzielle Reserve – im Fachjargon oft als “Kriegskasse” bezeichnet – aufzubauen und zu unterhalten, als essentieller Bestandteil einer nachhaltigen Unternehmensstrategie.
Die Notwendigkeit einer “Kriegskasse”
Die Empfehlung, eine ausreichende finanzielle Reserve vorzuhalten, basiert auf der rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Erfahrung, dass innovative Unternehmen häufig mit komplexen und kostenintensiven Herausforderungen konfrontiert werden. Diese Herausforderungen können vielfältiger Natur sein und reichen von der Notwendigkeit, Patente anzumelden und zu verteidigen, über die Implementierung umfangreicher Datenschutzmaßnahmen bis hin zur Abwehr wettbewerbsrechtlicher Angriffe etablierter Marktteilnehmer. Die Praxis zeigt, dass insbesondere disruptive Innovationen nicht selten rechtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen, deren finanzielle Tragweite für junge Unternehmen existenzbedrohend sein kann. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des BGH zu verweisen, der in mehreren Entscheidungen die Anforderungen an die Geschäftsführung bei der Einschätzung von Prozessrisiken konkretisiert hat (vgl. BGH, Urteil vom 04.11.2002 – II ZR 224/00). Demnach trifft Geschäftsführer eine Pflicht zur sorgfältigen Prüfung der Erfolgsaussichten rechtlicher Auseinandersetzungen, wobei im Zweifel fachkundiger Rat einzuholen ist. Die Kosten für solche Beratungen und gegebenenfalls nachfolgende Gerichtsverfahren können erheblich sein und müssen bei der Finanzplanung berücksichtigt werden. Zudem erfordert die Entwicklung und Markteinführung innovativer Produkte oder Dienstleistungen oftmals einen längeren Zeitraum als ursprünglich kalkuliert, was zusätzliche finanzielle Puffer notwendig macht. In diesem Kontext dient eine solide “Kriegskasse” nicht nur der Absicherung gegen rechtliche Risiken, sondern ermöglicht es dem Unternehmen auch, flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren und strategische Chancen wahrzunehmen, ohne dabei in finanzielle Engpässe zu geraten. Eine detaillierte Erörterung dieses Themas findet sich in dem Blogbeitrag “Je innovativer ein Unternehmen, je größer muss die Kriegskasse”.
Schutz für Geschäftsführer: Die D&O-Versicherung
Neben der Sicherstellung einer ausreichenden Kapitalausstattung des Unternehmens selbst, erweist sich in der Beratungspraxis die Empfehlung an Geschäftsführer, eine adäquate D&O-Versicherung (Directors and Officers Liability Insurance) abzuschließen, als ebenso wichtig. Diese spezielle Form der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung zielt darauf ab, Geschäftsführer vor den finanziellen Folgen persönlicher Haftungsansprüche zu schützen. Die Relevanz einer solchen Absicherung ergibt sich aus der zunehmenden Tendenz in der Rechtsprechung, Geschäftsführer für unternehmerische Fehlentscheidungen oder Pflichtverletzungen persönlich haftbar zu machen. Insbesondere im Kontext innovativer Startups, die oft in rechtlichen Grauzonen oder noch nicht vollständig regulierten Bereichen agieren, kann eine D&O-Versicherung einen entscheidenden Schutz vor existenzbedrohenden Haftungsrisiken bieten. Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahren die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten von Geschäftsführern kontinuierlich verschärft. So hat der BGH in seinem Urteil vom 20.10.2009 (Az. II ZR 240/08) klargestellt, dass Geschäftsführer bei unternehmerischen Entscheidungen zwar einen weiten Ermessensspielraum genießen, dieser jedoch durch die Pflicht zur angemessenen Informationsbeschaffung und sorgfältigen Risikoabwägung begrenzt wird. In einem weiteren Urteil vom 18.06.2013 (Az. II ZR 86/11) hat der BGH zudem betont, dass Geschäftsführer bei der Eingehung von Risiken die Belange der Gläubiger angemessen berücksichtigen müssen. Diese Rechtsprechung verdeutlicht die Notwendigkeit einer umfassenden Absicherung, wie sie eine D&O-Versicherung bieten kann. Eine ausführliche Darstellung der verschiedenen Haftungsrisiken für Geschäftsführer und der Bedeutung einer D&O-Versicherung findet sich in dem Artikel “Verkannte Haftungsrisiken: Was GmbH Geschäftsführer wissen müssen”.
Schutz vor abgeleiteter Geschäftsführerhaftung
Ein besonderes Augenmerk verdient im Kontext der Geschäftsführerhaftung die Problematik der abgeleiteten Haftung. Hierbei kann eine D&O-Versicherung einen wesentlichen Beitrag zur Risikominimierung leisten. Die abgeleitete Geschäftsführerhaftung tritt insbesondere in Situationen auf, in denen Geschäftsführer für Handlungen oder Unterlassungen ihrer Mitarbeiter zur Verantwortung gezogen werden. Dies basiert auf der rechtlichen Konstruktion, dass Geschäftsführer eine umfassende Organisations- und Überwachungspflicht trifft, die sie verpflichtet, adäquate Strukturen und Prozesse zu implementieren, um Rechtsverstöße innerhalb des Unternehmens zu verhindern. Die Rechtsprechung hat die Anforderungen an diese Organisationspflicht in den letzten Jahren konkretisiert und verschärft. So hat der BGH in seinem Urteil vom 10.07.2012 (Az. VI ZR 341/10) klargestellt, dass Geschäftsführer für die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Systems verantwortlich sind, das geeignet ist, Rechtsverstöße zu verhindern. In einem weiteren Urteil vom 09.07.2019 (Az. VI ZR 113/18) hat der BGH zudem betont, dass diese Organisationspflicht auch die Implementierung angemessener Kontrollmechanismen umfasst. Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang auch die Entscheidung des OLG München vom 23.01.2020 (Az. 7 U 5795/19), in der das Gericht die Haftung eines Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße von Mitarbeitern bejahte, da kein ausreichendes Compliance-System implementiert worden war. Diese Rechtsprechung verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Unternehmensorganisation und unterstreicht gleichzeitig den Wert einer D&O-Versicherung, die im Falle einer Inanspruchnahme des Geschäftsführers finanziellen Schutz bieten kann.
Fazit
Als Rechtsanwalt mit langjähriger Erfahrung in der Beratung von Startups und innovativen Unternehmen kann ich nur nachdrücklich empfehlen, die Aspekte der finanziellen Absicherung und des rechtlichen Risikomanagements von Beginn an in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Die Kombination aus einer soliden finanziellen Basis, einer umfassenden D&O-Versicherung für Geschäftsführer und der Implementierung robuster Compliance-Strukturen bildet ein starkes Fundament für nachhaltigen unternehmerischen Erfolg. Diese Maßnahmen ermöglichen es Gründern und Geschäftsführern, sich auf die Entwicklung und das Wachstum ihres innovativen Unternehmens zu konzentrieren, ohne dabei unverhältnismäßige persönliche Risiken einzugehen. Die Rechtsprechung der letzten Jahre hat die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten von Geschäftsführern kontinuierlich erhöht, was die Bedeutung einer vorausschauenden Planung und Absicherung unterstreicht. So hat der BGH in seinem Urteil vom 26.04.2022 (Az. II ZR 215/19) nochmals betont, dass Geschäftsführer bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben stets das Unternehmensinteresse im Blick haben müssen und dabei eine angemessene Risikovorsorge zu treffen haben. Dies umfasst nach Ansicht des Gerichts auch die Implementierung eines adäquaten Risikomanagementsystems, das finanzielle und rechtliche Risiken gleichermaßen berücksichtigt. In diesem Sinne ist die Einrichtung einer “Kriegskasse” und der Abschluss einer D&O-Versicherung nicht nur eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, sondern auch eine rechtliche Verpflichtung, die sich aus der Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers ergibt. Gerade in der dynamischen Welt der Startups, wo Agilität und Risikobereitschaft oft als Schlüssel zum Erfolg gesehen werden, mag eine solche vorausschauende und absichernde Herangehensweise zunächst kontraintuitiv erscheinen. Die Praxis zeigt jedoch, dass gerade diese umsichtige Planung langfristig den entscheidenden Wettbewerbsvorteil ausmachen kann.