Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), das am 28. Juni 2025 in Kraft tritt, bringt erhebliche rechtliche Verpflichtungen für eine Vielzahl von Unternehmen mit sich. Es ist entscheidend, dass betroffene Unternehmen die juristischen Konsequenzen verstehen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um rechtliche Risiken zu minimieren.
Anwendungsbereich und Verpflichtungen
Das BFSG erfasst ein breites Spektrum von Wirtschaftsakteuren, darunter E-Commerce-Unternehmen und Onlineshops, Anbieter von Bankdienstleistungen, Telekommunikationsunternehmen, Verkehrsunternehmen im überregionalen Personenverkehr sowie Hersteller und Händler von Computern, Smartphones und E-Book-Readern. Auch Anbieter von E-Books und Software sind betroffen. Diese Unternehmen sind verpflichtet, ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Eine wichtige Ausnahme besteht für Kleinstunternehmen bei Dienstleistungen, die weniger als 10 Mitarbeiter beschäftigen und einen Jahresumsatz von maximal 2 Millionen Euro haben; diese Ausnahme gilt jedoch nicht für Produkte.
Rechtliche Fristen und Übergangsregelungen
Der Stichtag 28. Juni 2025 markiert den Beginn der rechtlichen Verpflichtungen. Ab diesem Datum müssen alle neuen Produkte und Dienstleistungen den Anforderungen des BFSG entsprechen. Für bestehende Angebote gibt es Übergangsfristen: Digitale Angebote müssen bis 2030 barrierefrei sein, während Selbstbedienungsterminals eine Übergangsfrist von 15 Jahren haben. Unternehmen wird dringend geraten, diese Fristen nicht auszureizen, sondern die Umsetzung deutlich früher abzuschließen, um etwaige Rechtsrisiken zu minimieren.
Mögliche rechtliche Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Die Nichteinhaltung des BFSG kann erhebliche rechtliche und finanzielle Folgen haben:
– Bußgelder: Das Gesetz sieht Bußgelder von bis zu 100.000 Euro vor. Bei schwerwiegenden Verstößen können diese auch wiederholt verhängt werden.
– Abmahnungen: Es besteht das Risiko von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen durch Konkurrenten oder Verbraucherschutzverbände. Diese können zu erheblichen Kosten führen und eine Unterlassungserklärung erfordern.
– Zivilrechtliche Klagen: Betroffene Personen könnten Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn ihnen durch die mangelnde Barrierefreiheit ein Schaden entstanden ist.
– Behördliche Anordnungen: Die zuständigen Behörden können die Beseitigung von Verstößen anordnen und bei Nichtbefolgung Zwangsgelder verhängen.
– Reputationsschäden: Neben den direkten rechtlichen Konsequenzen können Verstöße gegen das BFSG zu erheblichen Reputationsschäden führen, die indirekt weitere rechtliche Auseinandersetzungen nach sich ziehen können.
Juristische Handlungsempfehlungen
Um rechtliche Risiken zu minimieren, sollten Unternehmen folgende Schritte unternehmen:
1. Prüfung des Anwendungsbereichs: Unternehmen sollten umgehend prüfen, ob ihre Produkte und Dienstleistungen unter das BFSG fallen.
2. Entwicklung einer Compliance-Strategie: Es ist ratsam, eine detaillierte Strategie zur Umsetzung der Barrierefreiheitsanforderungen zu entwickeln. Alle Schritte sollten sorgfältig dokumentiert werden, um im Falle behördlicher Überprüfungen die Bemühungen nachweisen zu können.
3. Vertragsanpassungen: Verträge mit Zulieferern und Dienstleistern sollten überprüft und aktualisiert werden, um sicherzustellen, dass diese ebenfalls die Anforderungen des BFSG erfüllen.
4. Mitarbeiterschulungen: Regelmäßige Schulungen für relevante Mitarbeiter sind notwendig, um das Bewusstsein für die rechtlichen Anforderungen zu schärfen und Compliance sicherzustellen.
5. Monitoring und Audits: Ein kontinuierliches Monitoring-System sollte implementiert werden, begleitet von regelmäßigen internen Audits zur Gewährleistung der Einhaltung des BFSG.
6. Juristische Beratung: Die frühzeitige Hinzuziehung spezialisierter Rechtsberater ist empfehlenswert, um die spezifischen Anforderungen für das jeweilige Unternehmen zu klären und eine rechtssichere Umsetzung zu gewährleisten.
Beispiele für fehlende Barrierefreiheit
Viele Websites weisen häufige Barrieren auf, die im Rahmen des BFSG adressiert werden müssen:
– Unzureichende Textalternativen: Bilder ohne Alternativtexte erschweren es Screenreader-Nutzern, den Inhalt zu verstehen.
– Fehlende Tastaturnavigation: Websites müssen vollständig per Tastatur bedienbar sein; dies ist oft nicht der Fall.
– Videos ohne Untertitel oder Audiodeskription: Hörgeschädigte Nutzer benötigen Untertitel oder alternative Beschreibungen.
– Komplexe Formulare: Formulare sollten einfach strukturiert sein und Hilfestellungen bieten.
– Farbabhängige Informationen: Inhalte sollten nicht ausschließlich über Farben kommuniziert werden.
Fazit
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz stellt Unternehmen vor erhebliche juristische Herausforderungen. Eine proaktive Herangehensweise ist unerlässlich, um rechtliche Risiken zu minimieren und kostspielige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Unternehmen sollten die verbleibende Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes nutzen, um umfassende Compliance-Strategien zu entwickeln und umzusetzen.