Der Bundesgerichtshof (BGH) hat angekündigt, zeitnah ein Grundsatzurteil in Form einer Leitentscheidung zu den Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem 2021 entdeckten massiven Datenleck bei Facebook fällen zu wollen. Damit macht der BGH von einer neuen gesetzlichen Option Gebrauch, die erst kürzlich in die Zivilprozessordnung (ZPO) eingeführt wurde.
Neues Instrument des Leitentscheidungsverfahrens
Nach dem neuen § 552b ZPO kann der BGH ein bei ihm anhängiges Revisionsverfahren zu einem Leitentscheidungsfall hochstufen, wenn die Revision Rechtsfragen aufwirft, deren Entscheidung für eine Vielzahl von Verfahren von Bedeutung ist. Ziel ist es, durch eine frühzeitige höchstrichterliche Klärung von Rechtsfragen bei Massenverfahren die Justiz zu entlasten und Rechtssicherheit für Betroffene und Rechtsanwender zu schaffen.
Der BGH kann aus mehreren bei ihm anhängigen Revisionen ein geeignetes Verfahren auswählen, das ein möglichst breites Spektrum an offenen Rechtsfragen bietet. Durch Beschluss wird dieses Verfahren dann zum Leitentscheidungsverfahren bestimmt. Der Beschluss muss eine Darstellung des Sachverhalts und der zu entscheidenden Rechtsfragen enthalten.
Leitentscheidung auch bei Verfahrensbeendigung
Das Besondere: Der BGH entscheidet über die Rechtsfragen in Form der Leitentscheidung auch dann, wenn die Parteien die Revision zurücknehmen oder sich das Revisionsverfahren auf andere Weise als durch Urteil erledigt. Damit soll verhindert werden, dass eine höchstrichterliche Klärung durch prozesstaktische Revisionsrücknahmen oder Vergleiche verzögert wird.
Die Leitentscheidung ergeht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ist auf die Entscheidung der maßgeblichen Rechtsfragen beschränkt. Sie entfaltet zwar keine formale Bindungswirkung, dient den Instanzgerichten und der Öffentlichkeit aber als wichtige Orientierung.
Erstes Leitentscheidungsverfahren zum Facebook-Datenskandal
Im Fall des Facebook-Datenskandals haben weltweit zehntausende Nutzer den Mutterkonzern Meta wegen unerlaubten Scrapings ihrer persönlichen Daten verklagt. Unbekannte hatten sich Facebooks Kontaktimport-Funktion zunutze gemacht, um in großem Umfang öffentlich zugängliche Nutzerdaten abzugreifen. Die Kläger machen geltend, dass Meta keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen habe.
Nun hat der BGH das Revisionsverfahren VI ZR 10/24 zum ersten Leitentscheidungsverfahren in diesem Komplex bestimmt ([Pressemitteilung des BGH](https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/2024206.html)). In dem für den 11. November 2024 anberaumten Verfahren sollen grundlegende Rechtsfragen geklärt werden, die für eine Vielzahl anhängiger Verfahren von Bedeutung sind. Dazu zählen insbesondere:
– Haftungsvoraussetzungen für Datenschutzverstöße nach der DSGVO
– Anforderungen an den Nachweis eines kausalen Schadens
– Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden wie Ärger und Kontrollverlust
Die mit gleichgelagerten Fällen befassten Instanzgerichte können ihre Verfahren nun bis zur BGH-Entscheidung aussetzen.
Fazit
Das neue Instrument der Leitentscheidung bietet dem BGH die Möglichkeit, in Massenverfahren frühzeitig für Rechtssicherheit zu sorgen und die Justiz zu entlasten. Ob sich die Erwartungen in der Praxis erfüllen, bleibt abzuwarten. Der Facebook-Datenskandal ist nun der erste Anwendungsfall. Die Leitentscheidung des BGH wird mit Spannung erwartet und dürfte richtungsweisend für eine Vielzahl von Verfahren sein.