Der Generalanwalt des EuGH hat sich heute zum Thema Musik-Sampling geäußert und vertritt die Meinung, dass Sampling, also das elektronische Kopieren von Musikfragmenten die Rechte der ursprünglichen Rechteeinhaber verletzten würde, wenn diese der Verwendung nicht zustimmen.
Das Sampling stellt eine echte juristische Herausforderung dar und lieg darin begründet, dass es sich nicht um die im Urheberrecht klassische Beziehung zwischen zwei Werken handelt, sondern um die Beziehung zwischen einem Tonträger, einem kommerziellen Produkt, und einem Werk, einem Ergebnis künstlerischen Schaffens.
Entsprechend ist die Entscheidung des Generalanwalts auch das letzte Teilstück einer langen Odyssee (seit fast 20 Jahren) durch die nationale bundesdeutsche Gerichtsbarkeit, in deren Verlauf sich schon zwei der höchsten deutschen Gerichte geäußert haben.
Der BGH ersuchte zuletzt den EuGH, ob Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass die Entnahme eines Ausschnitts eines Tonträgers zur Verwendung auf einem anderen Tonträger (Sampling) einen Eingriff in das ausschließliche Recht des Herstellers des ersten Tonträgers darstellt, die Vervielfältigung seines Tonträgers im Sinne dieser Bestimmung zu erlauben oder sie zu verbieten, wenn sie ohne seine Erlaubnis erfolgt.
Die Meinung des Generalanwalts, die sich der EuGH in den überwiegenden Fällen anschließt, lautet wie folgt:
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Revisionskläger einen etwa zwei Sekunden langen Ausschnitt aus der Rhythmussequenz des Tonträgers des Werks „Metall auf Metall“ reproduziert und dem Tonträger des Werks „Nur mir“ mit minimalen Veränderungen und in erkennbarer Weise als in einer Dauerschleife wiederholte Rhythmussequenz unterlegt haben(10).
[…] Meines Erachtens steht außer Frage, dass eine solche Handlung eine Vervielfältigung im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2001/29 darstellt, weil diese Vorschrift, wie bereits ausgeführt, jede „unmittelbar oder mittelbar, vorübergehend oder dauerhaft … auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise“ vorgenommene Vervielfältigung des Schutzgegenstands betrifft. Im Fall des Sampling handelt es sich (zumeist) um eine unmittelbare und dauerhafte Vervielfältigung eines Teils eines Tonträgers mit digitalen Mitteln und in digitaler Form. Somit scheint hinreichend klar zu sein, dass eine solche Handlung ein Eingriff in das Recht der Hersteller des in Rede stehenden Tonträgers ist, eine solche Vervielfältigung zu erlauben oder zu verbieten, wenn sie ohne ihre Erlaubnis erfolgt. […]
In Kombination mit den weiteren Vorlagefragen führt dies zum Ergebnis:
1. Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass die Entnahme eines Ausschnitts aus einem Tonträger zum Zweck seiner Verwendung auf einem anderen Tonträger (Sampling) ein Eingriff in das ausschließliche Recht des Herstellers des ersten Tonträgers ist, eine Vervielfältigung seines Tonträgers im Sinne dieser Vorschrift zu erlauben oder zu verbieten, wenn sie ohne seine Erlaubnis erfolgt.
2. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung) ist dahin auszulegen, dass ein Tonträger, der von einem anderen Tonträger übertragene Ausschnitte (Samples) enthält, keine Kopie dieses anderen Tonträgers im Sinne dieser Bestimmung ist.
3. Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 ist dahin auszulegen, dass er es nicht zulässt, eine innerstaatliche Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats wie die des § 24 Abs. 1 des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965, dem zufolge ein selbständiges Werk in freier Benutzung eines anderen Werks ohne Zustimmung des Urhebers dieses Werks geschaffen werden darf, auf Tonträger anzuwenden, weil dies den Rahmen der in Art. 5 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen und Beschränkungen der ausschließlichen Rechte überschreitet.
4. Die in Art. 5 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2001/29 vorgesehene Ausnahme für Zitate ist nicht anwendbar, wenn ein Ausschnitt aus einem Tonträger ohne den ersichtlichen Willen, mit diesem Tonträger in Interaktion zu treten, so in einen anderen Tonträger eingefügt wird, dass er vom Rest dieses zweiten Tonträgers nicht zu unterscheiden ist.
5. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, in ihrem innerstaatlichen Recht den Schutz der in den Art. 2 bis 4 der Richtlinie 2001/29 aufgeführten ausschließlichen Rechte sicherzustellen, wobei eine Einschränkung dieser Rechte nur im Rahmen der Anwendung der Ausnahmen und Beschränkungen zulässig ist, die in Art. 5 dieser Richtlinie abschließend aufgeführt sind. Den Mitgliedstaaten bleibt jedoch die Wahl der Mittel überlassen, die zu ergreifen sie für zweckmäßig erachten, um dieser Verpflichtung nachzukommen.
6. Das ausschließliche Recht der Tonträgerhersteller, gemäß Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29 die teilweise Vervielfältigung ihrer Tonträger zu erlauben oder zu verbieten, verstößt im Fall ihrer Verwendung zu Zwecken des Sampling nicht gegen die in Art. 13 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Freiheit der Kunst.
Den gesamten Schlussantrag des Generalanwalts findet man hier.