Gerade wurde ich beim Surfen auf LinkedIn auf ein spanendes Urteil des Landgericht Köln (14 O 29/21) aufmerksam. Obwohl das Urteil bereits im letzten Jahr erging, ist es bemerkenswert, dass es bisher relativ wenig Beachtung gefunden hat. Besonders überraschend ist dies, da Content Delivery Networks (CDNs) – in diesem speziellen Fall vermutlich Cloudflare – von vielen Unternehmen genutzt werden. Die Frage zur Zulässigkeit von Diensten wie Cloudflare ist in der Tat eine häufig gestellte Frage, die viele Interessierte zu meinem Blog führt.
In Anbetracht der Wichtigkeit des Themas und da die Haftung von IT-Unternehmen – insbesondere die Frage, wann die Geschäftsführung persönlich haftet – gerade ein zentrales Thema in meiner Arbeit ist, möchte ich dieses Urteil trotz seiner bisher geringen Beachtung aufgreifen und diskutieren. Denn dieses Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf die Haftung von IT-Infrastrukturanbietern haben und damit die gesamte Branche vor neue Herausforderungen stellen.
Bevor wir jedoch die volle Tragweite dieses Urteils erörtern können, ist es notwendig, die zugrundeliegenden rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären.
Die rechtlichen Grundlagen
Die Störerhaftung im deutschen Urheberrecht ist ein Konzept, das sich auf die Verantwortung einer Partei für Urheberrechtsverletzungen bezieht. Grundsätzlich besagt es, dass eine Partei haftbar gemacht werden kann, wenn sie auf irgendeine Weise dazu beiträgt, dass ein Dritter eine Urheberrechtsverletzung begeht. Interessanterweise kann dies auch dann gelten, wenn die Partei selbst nicht unmittelbar an der Urheberrechtsverletzung beteiligt war, aber dennoch eine entscheidende Rolle bei deren Durchführung gespielt hat.
In dem aktuellen Kontext betrifft dies insbesondere die Betreiber von Content Delivery Networks (CDNs). CDNs sind Netzwerke von verteilten Servern, die darauf ausgelegt sind, Inhalte an Benutzer zu liefern, basierend auf deren geografischer Nähe zu einem der Server des Netzwerks. Dies geschieht, um die Effizienz der Auslieferung zu maximieren und die Latenzzeit für den Endbenutzer zu minimieren.
In dem hier relevanten Urteil hat das Gericht argumentiert, dass CDN-Betreiber eine Mitverantwortung für Urheberrechtsverletzungen tragen können. Sie liefern Inhalte – einschließlich solcher, die Urheberrechte verletzen – an Endbenutzer. Dies bedeutet, dass sie, wenn sie Kenntnis von solchen Urheberrechtsverletzungen haben und nichts unternehmen, um sie zu unterbinden, als Beitragende zur Verletzung angesehen werden können. Dies kann auch dann gelten, wenn sie selbst nicht die Verletzung verursacht haben, da sie dennoch eine wesentliche Rolle bei deren Ausführung spielen.
Dieses Urteil erweitert die Anwendung des Störerhaftungsprinzips im deutschen Urheberrecht und könnte weitreichende Auswirkungen auf die Verantwortlichkeiten von CDN-Betreibern und anderen IT-Infrastrukturanbietern haben. Sie sollten sich daher der potenziellen Rechtsfolgen bewusst sein und möglicherweise ihre Strategien zur Verwaltung und Kontrolle der Inhalte, die sie liefern, überdenken.
Die Entscheidung des Landgerichts Köln
In seiner Entscheidung stellte das Gericht fest, dass der betroffene CDN-Betreiber durch die Bereitstellung seiner Dienste eine Urheberrechtsverletzung ermöglicht hat und daher als Störer haftbar ist. Bei genauerer Betrachtung stellte das Gericht fest, dass der CDN-Betreiber durch das Hosting und die Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material ohne die notwendige Zustimmung der Urheber einen Beitrag zur Urheberrechtsverletzung leistete.
Dieses Urteil ist spannend, aber auch problematisch zugleich, und könnte wegweisend für ähnliche Fälle in Deutschland sein. Es ist das erste Urteil seiner Art, das einen CDN-Betreiber als Störer einer Urheberrechtsverletzung identifiziert.
Interessanterweise ist dieses Urteil nicht isoliert, sondern folgt einem ähnlichen Trend, den das Landgericht Leipzig in einem früheren Fall festgestellt hat. In diesem Fall wurde ein DNS-Resolver, ein wichtiger Bestandteil des Internets, der Anfragen von Benutzern nach bestimmten Websites in IP-Adressen umwandelt, als Täter einer Urheberrechtsverletzung identifiziert.
Obwohl beide Fälle derzeit in der Berufung sind, zeigen sie eine wachsende Bereitschaft der Gerichte, die Haftung für Urheberrechtsverletzungen auf Anbieter von IT-Infrastrukturen auszuweiten. Dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass wir uns auf eine neue Ära der Haftung für solche Anbieter zubewegen, in der die Gerichte von ihnen verlangen, dass sie stärkere Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ihre Dienste nicht zur Durchführung von Urheberrechtsverletzungen genutzt werden.
Die Implikationen für die Branche
Diese Entwicklungen deuten darauf hin, dass ein Präzedenzfall für die Haftung von Hostern nicht mehr weit entfernt sein könnte. Für Anbieter von IT-Infrastruktur, wie Hostern, CDN-Betreibern und anderen Dienstleistern, ist es nun wichtiger denn je, ihre Verträge, Compliance-Prozesse und Verhaltensnormen zu überprüfen und anzupassen.
Es ist nicht zu leugnen, dass diese Gerichtsentscheidungen ein Weckruf für die IT-Branche sein sollten. Selbst wenn die Berufungen in diesen Fällen erfolgreich sind, bleibt das Risiko bestehen, dass zukünftige Urteile in ähnlicher Weise entscheiden könnten.
Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass IT-Infrastruktur-Anbieter proaktiv Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ihre Dienste nicht zur Unterstützung von Urheberrechtsverletzungen genutzt werden können. Dies könnte die Implementierung strengerer Kontrollen, die Verbesserung von Überwachungssystemen oder die enge Zusammenarbeit mit Urheberrechtsinhabern beinhalten.
Fazit
Das aktuelle Urteil des Landgerichts Köln markiert einen potenziellen Wendepunkt in der Haftung von IT-Infrastrukturanbietern. Es ist eine klare Aufforderung an die Branche, ihre bestehenden Praktiken zu überdenken und Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass sie nicht unwissentlich zu Urheberrechtsverletzungen beitragen. Es ist an der Zeit zu handeln – JETZT.