Die nur auf inländische Investmentfonds anwendbare Steuerbefreiungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG a.F. ist mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren. Dies hat das Hessische Finanzgericht entschieden.
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob § 11 InvStG in den in den Jahren 2009 bis 2013 gültigen Fassungen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.
Geklagt hatte eine in Luxemburg ansässige Société d’Investissiment á Capital Variable (SICAV) in der Rechtsform einer Société Anonyme (S.A.). Sie hielt Aktien deutscher Unternehmen und bezog, ohne über eine Niederlassung in Deutschland zu verfügen, in den Streitjahren 2009 bis 2013 Ausschüttungen inländischer Kapitalgesellschaften, auf die – unter Berücksichtigung des auf das DBA-Luxemburg gestützten und von der Depotbank der Klägerin durchgeführten Erstattungsverfahrens – im Ergebnis 15 % Kapitalertragsteuer entfielen. Die Klägerin beantragte erfolglos die Erstattung dieser Kapitalertragsteuern. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass § 11 InvStG in europarechtswidriger Weise nur inländische Investmentfonds steuerfrei stelle.
Das Hessische Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab. Der Klägerin stehe kein (Kapitalertragsteuer-)Erstattungsanspruch zu. Sie falle als ausländischer Investmentfonds nicht unter die nationale nur für inländische Investmentfonds geltende Steuerbefreiungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG.
Die unterschiedliche Behandlung von in- und ausländischen Investmentfonds stelle keinen Verstoß gegen die europarechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit dar.
Zwar liege eine Ungleichbehandlung von ausländischen und inländischen Investmentfonds durch die Regelung des § 11 Abs. 1 InvStG vor, doch sei diese durch Kohärenz und die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt.
Kohärenz setze den Ausgleich von Vor- und Nachteilen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung des Anteilseigners voraus, wobei der Ausgleichweder mathematisch zu verstehen sei noch in derselben Person eintreten müsse. Aufgrund des bei der inländischen Fondsbesteuerung geltenden Transparenzprinzips bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Besteuerung des Investmentfonds und des Anteilseigners, so dass bei der Vergleichsbetrachtung der Steuerbelastung die Besteuerung des Anteilseigners mit einzubeziehen ist.
Unter Berücksichtigung der Besteuerung des Anteilseigners werde im Rahmen einer Gesamtbetrachtung durch die nationale Befreiungsvorschrift eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gewahrt. Denn die Einheit von Fonds und Anteilsinhaber werde unter Einbeziehung der Anrechnungsvorschriften im Ergebnis nur einmal belastet. Im Rahmen der Vergleichsbetrachtung sei dabei nicht nur eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Investmentfonds, sondern auch eine Unterscheidung danach vorzunehmen, ob es sich beim Anteilsinhaber um einen Steuerinländer oder einen Steuerausländer handele und ob er an einem inländischen oder ausländischen Investmentfonds beteiligt sei.
Eine verbleibende Ungleichbehandlung bei der Steueranrechnung sei entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vorrangig durch eine europarechtskonforme Auslegung, hier des § 4 Abs. 2 InvStG, auszugleichen.
Die Regelung ist nach Auffassung des Senats auch vor dem Hintergrund der neueren EuGH-Rechtsprechung europarechtskonform.
Das Urteil vom 21.08.2019 ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. I R 1/20 anhängig.