Hin und wieder hab ich als Rechtsanwalt den Verdacht, dass es Kollegen und Gerichte doch zu langweilig ist, wenn diese im Alltag über Prioritäten von Rechtsfragen entscheiden. Es gibt nun wirklich viele spannende Rechtsprobleme, die ungeklärt sind. Im IT-Recht, im internationalen Urheberrecht und in vielen weiteren Bereichen.
Ob und wie genau nun auf einer Onlineplattform ein Link zur Online-Streitbeilegungsplattform der EU (OS), die, jedenfalls im Verhältnis zur Entwicklung des Onlinehandels, so gut wie kaum benutzt wird, eingebunden werden muss, gehört – finde ich – nicht dazu.
Und trotzdem gibt es immer wieder Abmahnungen zu dem Thema. Erstmals hat sich nun sogar der Bundesgerichtshof mit der konkreten Einbindung beschäftigen müssen. Ich kann da nur den Kopf schütteln.
Der BGH hatte dabei zu entscheiden, ob es ausreichend ist, wenn ein Händler mitteilt, dass dieser hin und wieder doch an der Plattform teilnehmen würde. Dies jedoch im Einzelfall entscheiden würde.
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Jeder Händler hat die Möglichkeit, diese – meiner Meinung nach – völlig unnütze Plattform zu verlinken, aber im gleichen Atemzug mitzuteilen, dass er diese nicht nutzt und zur Teilnahme nicht bereit ist. Will sich der Händler aber die mögliche Teilnahme freihalten und hilft dieser somit eventuell doch der Verbreitung der Plattform, kann er abgemahnt werden und verliert letzten Endes noch am Bundesgerichtshof.
Das kann man sich nicht ausdenken.
Der BGH dazu:
Die auf einer Webseite und/oder in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen
eines Unternehmers enthaltene Mitteilung, die Bereitschaft zu einer Teilnahme
an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle
könne “im Einzelfall” erklärt werden, ist nicht ausreichend klar und verständlich
im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG. Sie lässt offen, von welchen Kriterien der
Unternehmer seine Entscheidung abhängig macht, sich auf eine Teilnahme an
einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle einzulassen, und zwingt den Verbraucher daher zu Nachfragen. Zudem impliziert sie,
dass der Unternehmer – anders als von § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG vorausgesetzt –
noch gar keine Entscheidung über seine Teilnahmebereitschaft getroffen hat.
Zwar muss man dem Bundesgerichtshof natürlich zugutehalten, dass er letzten Endes nur auf Basis des § 36 Abs. 1 Nr. 1 Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) argumentiert und unter anderem das Risiko der Verjährungshemmung für den Verbraucher ins Feld führt. Das ändert aber nicht daran, dass genau solche Urteile doch nur dazu führen, dass noch mehr Händler definitiv den Ausschluss der Plattform erklären und die Situation noch unsinniger wird.
Auf jeden Fall am Zug wäre der Gesetzgeber, denn dieser hat strengere Maßstäbe als die Richtlinie selbst in das Gesetz eingeführt.
Für die von der Revision angeführte richtlinienkonforme Auslegung dahin, dass Informationspflichten nur den zur Teilnahme verpflichteten Unternehmer treffen, besteht jedoch kein Anlass und kein Raum. Denn die Richtlinie setzt lediglich einen Mindeststandard fest und hindert die Mitgliedstaaten nicht, im Interesse des Verbraucherschutzes strengere Anforderungen an die Hinweispflichten des Unternehmers zu stellen. Dies kommt in Art. 2 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie zum Ausdruck, der vorsieht, dass die Mitgliedstaaten “über die Vorschriften dieser Richtlinie hinausgehende Regelungen beibehalten oder einführen [können], um ein höheres Maß an Verbraucherschutz zu gewährleisten
Von dieser Möglichkeit hat der deutsche Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG Gebrauch gemacht.