Der BGH hat mit Urteil vom 7. Oktober 2025 (Az. II ZR 112/24) klargestellt, dass deutsche Verbraucher auch nach dem Brexit vor deutschen Gerichten gegen im Vereinigten Königreich ansässige Unternehmen klagen können. Damit bleibt der sogenannte „Verbrauchergerichtsstand“ nach Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 („Brüssel Ia-Verordnung“, kurz: EuGVVO), namentlich aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO, weiterhin anwendbar — selbst wenn der Anbieter seinen Sitz in Großbritannien hat.
- Deutsche Gerichte bleiben zuständig, wenn britische Online-Dienste erkennbar deutsche Verbraucher ansprechen (Sprache, Währung, Werbung).
- AGB-Gerichtsstand zugunsten UK ist regelmäßig unwirksam; Verbraucher können in Deutschland klagen.
- Brexit ändert nichts am Verbrauchergerichtsstand; die EuGVVO gilt fort für Verträge mit in Deutschland ansässigen Verbrauchern.
- Begründung: Kein ausdrücklicher Ausschluss im Austrittsabkommen; Vorrang des Verbraucherschutzes.
- Für Payment-, Plattform- und Social-Media-Anbieter mit UK-Sitz: erhöhtes Haftungsrisiko vor deutschen Gerichten, oft unter deutschem Recht.
- Unternehmen sollten AGB und Compliance prüfen und anpassen; zielgerichtetes Meiden des deutschen Marktes ist unattraktiv.
- Verbraucher profitieren von einem klaren Rechtsweg; Kanzleien sehen neue Mandate im Digitalbereich.
Was bedeutet das für Nutzer britischer Payment- oder Social-Media-Anbieter?
In der Praxis ist die Hürde für Verbraucher denkbar gering: Schon ein Online-Angebot in deutscher Sprache oder mit erkennbarem Bezug zu deutschen Verbrauchern reicht aus, damit der deutsche Gerichtsstand greift.
Das heißt konkret: Wer zum Beispiel bei einem britischen Zahlungsdienstleister, einem Social-Media-Netzwerk oder einem anderen Online-Service mit UK-Sitz Kunde ist — und dabei in Deutschland wohnt — kann im Streitfall auf die deutschen Gerichte zurückgreifen. Eine AGB-Klausel, die stattdessen britischen Gerichtsstand vorsieht, ist in der Regel unwirksam.
Damit öffnet sich für Verbraucher ein klarer und verlässlicher Weg, Rechte durchzusetzen — ohne sich in komplexe internationale Zuständigkeitskonflikte verwickeln zu müssen.
Hintergrund: Warum der Brexit den Verbrauchergerichtsstand nicht ausgeschaltet hat
Im verhandelten Fall hatte der BGH entschieden, dass das Austrittsabkommen des Vereinigten Königreichs und der Status als Drittstaat der fortbestehenden Anwendbarkeit der EuGVVO bei Verbraucherverträgen mit britischen Unternehmen nicht entgegenstehen.
Der Senat begründete, dass das Fehlen ausdrücklicher Ausschlussregelungen im Austrittsabkommen (Art. 126 AA) in Verbindung mit dem allgemeinen Prinzip des Verbraucherschutzes dazu führt, dass die europäische Zuständigkeitsverordnung weiterhin gilt — zumindest für Verbraucherverträge, bei denen der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
In der Praxis bedeutet das: Für britische Anbieter mit Fokus auf deutsche Verbraucher (z. B. durch Sprache, Währung, Werbeansprache) bleibt Deutschland Gerichtsort.
Bedeutung für Payment-, Social-Media- und andere Digitalanbieter
Für Unternehmen mit Sitz im Vereinigten Königreich – etwa Payment Service Provider, Plattformbetreiber oder Social-Media-Dienste – mit Fokus auf deutsche Kunden ergeben sich daraus mehrere rechtliche Konsequenzen:
- Gerichtsstandsvereinbarungen mit UK-Gerichtsbarkeit sind riskant. AGB-Klauseln, die deutschen Verbrauchern ausschließlich britischen Gerichtsstand auferlegen, sind regelmäßig unwirksam.
- Erhöhung des Haftungsrisikos im Heimatmarkt. Deutsche Verbraucher können ihre Ansprüche bequem vor deutschen Gerichten geltend machen — oftmals unter Anwendung deutschen Rechts.
- Notwendigkeit zur AGB- & Compliance-Überprüfung. Anbieter sollten ihre Vertragswerke und Geschäftsbedingungen kritisch prüfen und ggf. anpassen, um unerwartete Rechtsnachteile zu vermeiden.
- Chancen für Verbraucher und Rechtsberater. Für Verbraucher eröffnet sich ein einfacher Zugang zur Rechtsdurchsetzung — für Rechtsberater und Kanzleien ergeben sich neue Mandate insbesondere im Bereich digitaler Dienste mit UK-Sitz.
Empfehlung für Verbraucher — und worauf Anbieter achten sollten
Verbraucher, die Dienste britischer Anbieter nutzen, können sich bei Streitigkeiten vertrauensvoll an deutsche Gerichte wenden — ungeachtet dessen, was in den AGB steht. Dabei ist es hilfreich, dass das Angebot sich klar an deutsche Nutzer richtet (z. B. durch deutsche Sprache, deutsche Zahlungsoptionen, deutschen Kundenservice).
Für Anbieter mit Sitz in UK empfiehlt sich eine Überprüfung ihrer Vertragsbedingungen und eine Risikoanalyse: Wird deutsches Verbrauchergeschäft betrieben, setzt dies voraus, dass der Verbrauchergerichtsstand nach EuGVVO akzeptiert wird. Alternativ müsste man zielgerichtet vom Verbrauchermarkt absehen — ein für Betreiber digitaler Dienste wenig vorteilhafter Schritt.
Fazit
Mit der Entscheidung des BGH vom 7. Oktober 2025 wurde klargestellt: Der Brexit schmälert nicht die Rechte deutscher Verbraucher gegenüber britischen Unternehmen. Wer als Verbraucher in Deutschland wohnt und bei Payment- oder Social-Media-Anbietern mit UK-Sitz registriert ist, kann bei Konflikten vor deutschen Gerichten klagen — auch gegen den erklärten Willen des Anbieters, etwa durch eine AGB-Gerichtsstandsklausel.
Damit bleibt der Verbrauchergerichtsstand eine wichtige Schutzvorkehrung für Nutzer digitaler Dienste und eröffnet zugleich neue juristische Spielräume.
Für Betreiber britischer Dienste, die gezielt deutsche Nutzer adressieren, steigt zugleich der Druck, ihre rechtlichen Rahmenbedingungen auf Compliance mit europäischem Verbraucher- und Zivilprozessrecht auszurichten.











































