Das Landgericht Leipzig hat in seiner, mir leider auch sehr unangenehm bekannten, 5. Zivilkammer, ein Urteil in Sachen des DNS-Resolvers Quad9 gefällt, das sehr weitreichenden Folgen für zahlreiche Anbieter im Internet haben könnte, von Infrastrukturanbietern bis Vermarktern.
Es hat Quad9, die technisch nichts anderes machen, als eine Domain in eine IP-Adresse zu übersetzen, als Täter von Urheberrechtsverletzungen im Internet verurteilt. Das Gericht rüttelt damit an den Grundfesten der Internettechnologie und es zeigt die allgemeine Tendenz der letzten Jahre Dritte für die, möglicherweise rechtswidrigen, Geschäftsmodelle bzw. Urheberrechtsverletzungen Anderer, die oft im Ausland sitzen, verantwortlich zu machen. Im Kern geht es bei dem vorliegenden Streit darum, dass Quad9 auch Domains in IP-Adresse übersetzen, die auf Server zeigen, auf denen Musiktitel von Sony in urheberrechtsverletzender Weise zum Download angeboten werden. Einer Aufforderung von Sony, den Zugang zu der Domain zu sperren, kam Quad9 nicht nach. Sony verfolgte die Sache zunächst im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens in Hamburg und nun im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens in Sachsen.
Das Landgericht Leipzig entschied:
Die Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung […] es zu unterlassen, auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland das Musikalbum […] öffentlich zugänglich zu machen, indem die Beklagte ihren Nutzern einen DNS-Resolver-Dienst zur Verfügung stellt, der die Domain […] in numerische IP-Adressen übersetzt, so dass es den Nutzern der Beklagten mit Hilfe dieser numerischen IP-Adressen möglich ist, den Internetdienst unter der Domain […] zu erreichen und dort Verlinkungen auf rechtswidrige Speicherungen des Albums aufzurufen […]
Das wirklich Bizarre ist dabei jedoch, dass es im vorliegenden Urteil NICHT um eine Störerhaftung geht, sondern um eine Haftung als Täter.
Die Beklagte haftet im vorliegenden Fall als Täter aus §§ 97 Abs. 1,15, 19 a, 85 UrhG. Die Beklagte haftet als Täterin, weil sie Internetnutzem ihren DNS-Resolver zur Verfügung stellt und darüber auf die Seiten des Dienstes c…to mit den rechtsverletzenden Downloadangeboten betreffend das streitgegenständliche Musikalbum verwiesen wird. Die Kammer schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des OLG Köln in der Sache 14 O 29/21, Urteil vom 29.09.2022 (Anlage K 23 II) an.
Das Gericht führt aus:
Die Voraussetzungen liegen vor. Insbesondere sind die zentralen Kriterien der öffentlichen Wiedergabe in täterschaftlicher Form nach der neueren Rechtsprechung erfüllt, nämlich die zentrale Rolle des Diensteanbieters und die Vorsätzlichkeit seines Handelns (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021, Az.: C682/18 und C-683/18 -, Rn. 68, juris, mit weiteren Nachweisen). Diese sind nicht ausschließlich auf den Fall eines Hostproviders beschränkt.
und weiterhin:
Mit dem DNS-Resolver wird denjenigen Nutzern, die den Resolver der Beklagten verwenden, erst ermöglicht, einen Domainnamen in eine numerische IP-Adresse aufzulösen und die hier streitgegenständliche Seite aufzufinden, worin eine zentrale Rolle bei der Rechtsverletzung zu sehen ist.
Dies hat weitreichende Folgen auch für Quad9. So ist das Gericht der Meinung, dass Quad9 zuzumuten ist, zum einen Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, mit denen das Hochladen von Dateien mit vergleichbarem rechtsverletzenden Inhalt in Zukunft verhindert wird und ist zum anderen auch zur Beseitigung fortdauernder und damit in die Zukunft reichender Rechtsverletzungen verpflichtet. Diese Grundsätze würden in gleicher Weise für die täterschaftliche Haftung wegen öffentlicher Wiedergabe im Sinne von § 85 Abs. 1 S. 1 Fall 3 UrhG in Verbindung mit Art.3 Abs.2 lit. b der Richtlinie 2001/29/EG gelten. Ist ist zwar anzunehmen, dass das Verfahren in die nächste Instanz geht, die Gefahr, in Anspruch genommen zu werden, ist aktuell aber enorm. Obwohl nämlich der Bundesgerichtshof, in der Entscheidung “DNS-Sperre” nämlich gewisse Anforderungen bzgl. der Subsidiarität der Inanspruchnahmen vorgegeben hat, hat das Landgericht Leipzig diese Hürden hier sehr niedrig angesetzt und hier im Einzelfall entschieden:
Bereits, dass eine Anschrift des Host-Providers in Vilnius, also Litauen und damit der EU, tatsächlich existiert, kann nicht festgestellt werden. Eine mögliche Anschrift in der Ukraine führt nicht zur genannten Primärpflicht. Weitere Zustellungsversuche als die von der Klägerseite dargelegte Zustellung über einen Kurier können nicht verlangt werden, da nichts für eine erfolgversprechende andere Möglichkeit spricht. Dabei ist insbesondere nicht entscheidend, ob es sich um eine versuchte gerichtliche oder außergerichtliche Zustellung handelt, da bereits die Richtigkeit der Adresse in der EU nicht zweifelsfrei ist. Weitere Anforderungen würden realistische Rechtsschutzmöglichkeiten des Rechteinhabers zu stark beschneiden.