Gerade in von mir betreuten Startups oder kleineren Medienunternehmen wird die Sache mit der genauen Arbeitszeiterfassung nicht so ernst genommen. Die Stechuhr existiert so gut wie kaum irgendwo. Bei den ganzen Tätigkeiten, die eventuell allesamt gegen das Mindestlohngesetz verstoßen (siehe diesen Beitrag) sieht es natürlich nicht besser aus.
Dies könnte nun durch ein aktuelles Urteil des EuGH ein Ende haben. Ein Urteil, das das Potenzial hat, die Arbeitswelt umzukrempeln.
In der Rechtssache C-55/18 hat das oberste Gericht der EU entschieden, dass Unternehmen in der EU die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter erfassen müssen und Mitgliedsstaaten dafür entsprechende Gesetze zu schaffen haben. Das Gericht folgt damit, wie so oft, der Meinung des Generalanwaltes, hier Giovanni Pitruzzella.
Arbeitgeber werden verpflichtet werden, die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen. Nur so lasse sich überprüfen, ob zulässige Arbeitszeiten überschritten würden, und Verstöße gegen die EU-Arbeitszeitrichtlinie verhindert werden. Geklagt hatte übrigens eine spanische Gewerkschaft gegen die Deutsche Bank.
In Deutschland existiert bislang nur § 16 Arbeitszeitgesetz:
(1) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Abdruck dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen, für den Betrieb geltenden Rechtsverordnungen und der für den Betrieb geltenden Tarifverträge und Betriebs- oder Dienstvereinbarungen im Sinne des § 7 Abs. 1 bis 3, §§ 12 und 21a Abs. 6 an geeigneter Stelle im Betrieb zur Einsichtnahme auszulegen oder auszuhängen.
(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen, die in eine Verlängerung der Arbeitszeit gemäß § 7 Abs. 7 eingewilligt haben. Die Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.
Dieser muss nun wohl unangewendet bleiben und Arbeitszeiten von der ersten Stunden an protokolliert werden, und zwar nicht nur um den Darlegungspflichten nach dem Mindestlohngesetz zu genügen, sondern in ALLEN Fällen. Auf die Ausführungen sollten sich wohl alle Unternehmen, auch kleine Startups vorbereiten, denn Arbeitszeit muss dann wohl immer erfasst werden, jede E-Mail, jeder Chat, jedes Telefonat, auch außerhalb des Büros – theoretisch jedenfalls. Verstöße dürften dann nicht geduldet werden und es wäre zu achten, dass in der Regel nur 48 Stunden pro Woche gearbeitet und jeden Tag elf Stunden Pause am Stück eingehalten werden, einmal die Woche sogar 24 Stunden. Dies ist gerade für Medienstartups im Bereich YouTube oder Social Media relevant, die oft auch Nachts oder am Wochenende arbeiten bzw. aktiv sind.