- Vertrauen zwischen Mitgründern ist entscheidend für Startup-Erfolg und -kultur.
- Utilitarismus sieht Vertrauen als Grundlage für Kooperation und langfristigen Nutzen.
- Deontologische Ethik fordert Loyalität und Ehrlichkeit unabhängig von kurzfristigen Ergebnissen.
- Machiavellistische Sichtweise warnt vor naivem Vertrauen und empfiehlt strategisches Misstrauen.
- Illoyalität unter Mitgründern kann zu Konflikten und Startup-Scheitern führen.
- Gesellschaftsrechtliche Treuepflicht zeigt rechtliche Notwendigkeit der Loyalität unter Gesellschaftern.
- Ein gesundes Maß an Kontrolle und offene Kommunikation sind für Vertrauen unerlässlich.
Einleitung
Als Startup-Gründer stellt sich oft die Frage, welches Maß an Vertrauen man seinen Mitgründern entgegenbringen darf oder sollte – und ob umgekehrt ein grundsätzlicher Zweifel oder sogar strategisches Misstrauen und illoyales Verhalten zum eigenen Vorteil legitim sein könnte. Diese Thematik berührt sowohl moralisch-philosophische Prinzipien (etwa Fragen der Fairness, Loyalität und Ehrlichkeit) als auch praktische Erwägungen im Unternehmensalltag sowie juristische Pflichten unter Mitgründern. Im Folgenden werden zunächst verschiedene philosophische Positionen zu Vertrauen vs. Misstrauen skizziert. Danach wird die praktische Bedeutung von Loyalität und Fairness im Startup-Alltag beleuchtet, gefolgt von den rechtlichen Grundlagen – insbesondere den gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten und Informationspflichten unter Mitgründern. Abschließend veranschaulichen Beispiele aus der Praxis, wie Vertrauen entweder missbraucht oder belohnt werden kann.
Zudem: In der Praxis meiner Tätigkeit als Berater und Gründer habe ich häufig beobachtet, dass die Frage des Vertrauens zwischen Mitgründern entscheidend ist. Vertrauen bildet nicht nur das Fundament einer erfolgreichen Zusammenarbeit, sondern beeinflusst maßgeblich die Unternehmenskultur und damit die langfristige Entwicklung eines Startups. Aus moralischer Sicht stellt sich die entscheidende Frage, ob Fairness, Loyalität und Ehrlichkeit absolute Werte sind, oder ob in bestimmten Situationen strategische Überlegungen und persönlicher Vorteil Vorrang haben dürfen. In meiner eigenen Erfahrung habe ich festgestellt, dass Vertrauen und Fairness langfristig sowohl moralisch geboten als auch praktisch überlegen sind. Gleichzeitig weiß ich aus zahlreichen Fällen, dass ein Mindestmaß an Kontrolle und Absicherung stets ratsam ist, um möglichen Missbrauch und Illoyalität vorzubeugen.
Philosophische und moralische Perspektiven
Utilitaristische Perspektive: Gemeinsamer Nutzen durch Vertrauen
Aus utilitaristischer Sicht (die auf den größten Gesamtnutzen abzielt) spricht viel dafür, Mitgründern zu vertrauen und fair zusammenzuarbeiten. Vertrauen fördert Kooperation und ein offenes Miteinander, was in der Regel die Erfolgschancen des Startups erhöht und damit allen Beteiligten zugutekommt. Wenn alle Gründer ehrlich und loyal handeln, entstehen Synergien: Informationen werden frei geteilt, Entscheidungen zum Wohle des Unternehmens getroffen und Konflikte minimiert. Die Konsequenzen sind oft positive – etwa höhere Motivation, bessere Leistung und ein stabiles Team. Im utilitaristischen Sinne steigert dies das gemeinsame Wohlergehen (z. B. Wachstum der Firma, Sicherung von Arbeitsplätzen, Zufriedenheit im Team). Misstrauen und egoistisches Taktieren hingegen können das Betriebsklima vergiften und das Scheitern des Startups wahrscheinlicher machen, was letztlich niemandem nützt. Eine am Nutzen orientierte Ethik würde illoyales Verhalten daher nur dann rechtfertigen, wenn es insgesamt zu besseren Konsequenzen führt – in der Praxis führen Vertrauensbrüche unter Gründern jedoch meist zu Zerwürfnissen und Wertvernichtung, also negativen Gesamtkonsequenzen.
Deontologische Perspektive: Pflichten zu Ehrlichkeit und Fairness
Aus deontologischer Sicht (Pflichtethik, etwa nach Immanuel Kant) sind Vertrauen, Loyalität und Ehrlichkeit an sich moralisch geboten – unabhängig vom Ergebnis. Gründer gehen implizit einen gemeinsamen Pakt ein, um ein Unternehmen aufzubauen; sie haben damit gegenseitige Verpflichtungen. Aus einem kantischen Blickwinkel würde man sagen: Jeder Mitgründer ist als Zweck an sich zu behandeln und nicht bloß als Mittel zum eigenen Vorteil. Illoyales Verhalten – etwa einen Partner bewusst zu hintergehen – verletzt diesen Grundsatz, da es den anderen instrumentalisiert. Versprechen (etwa Abmachungen im Gesellschaftsvertrag oder informelle Treuezusagen) sollten gehalten werden, weil Wahrhaftigkeit und Vertragstreue moralische Pflichten sind. Selbst wenn Misstrauen oder Betrug einem Einzelnen kurzfristig Vorteile bringen könnten, wäre ein solches Handeln aus Prinzip zu verwerfen, da es unvereinbar mit moralischen Grundregeln wie der goldenen Regel („Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“) ist. Fairness und Aufrichtigkeit gelten in der Pflichtethik als intrinsisch richtig – ein Gründer, der lügt oder trickst, würde moralisch falsch handeln, selbst wenn das Startup dadurch nicht unmittelbar Schaden nimmt.
Machiavellistische Perspektive: Erfolg und Macht statt Moral
Dem gegenüber steht eine machiavellistische oder radikal egoistische Perspektive, die Vertrauen unter Mitgründern skeptisch betrachtet. Nach dem Vorbild von Niccolò Machiavelli (Autor von „Il Principe“, 16. Jh.) könnte argumentiert werden, dass im rauen Geschäftsumfeld Macht und Erfolg über moralischen Prinzipien stehen. Ein Machiavellist würde raten, zwar den Schein von Loyalität und Fairness aufrechtzuerhalten, aber im Zweifel bereit zu sein, Versprechen zu brechen und zum eigenen Vorteil zu handeln, sobald es opportun erscheint. Machiavelli betonte, dass ein Herrscher – übertragen auf Gründer – im Ernstfall nicht gezögert werden sollte, die Regeln der Moral zu ignorieren, wenn der Machterhalt oder Nutzen auf dem Spiel steht. Berühmt ist sein zynischer Rat, wonach ein Fürst immer gute Gründe finde, um ein gegebenes Versprechen zu brechen. Dieser Ansatz rechtfertigt strategisches Misstrauen: Man geht davon aus, dass die anderen ohnehin ihren Vorteil suchen, und versucht, ihnen einen Schritt voraus zu sein. In der Startup-Praxis entspräche dies etwa dem Vorgehen, wichtige Informationen für sich zu behalten, sich verdeckte Ausstiegsmöglichkeiten zu sichern oder den Partner auszubooten, sobald es einem nützt. Aus machiavellistischer Sicht ist solches Verhalten legitim, solange es zum Erfolg führt und man damit durchkommt. Allerdings ist zu bedenken, dass Machiavelli vor allem die Stabilität der eigenen Macht im Blick hatte – angewandt auf Mitgründer bedeutet das, man riskiert bei illoyalem Verhalten die innere Zerreißprobe des Unternehmens. Dennoch würden Vertreter einer reinen Machtethik sagen: Moralische Skrupel dürfen einen nicht davon abhalten, harte Entscheidungen zum eigenen Vorteil zu treffen, wenn es das Überleben oder den Sieg des Unternehmens (oder des eigenen Anteils daran) sichert.
Abwägung: Diese drei Positionen zeigen ein Spannungsfeld: Während Utilitarismus und Pflichtethik Vertrauen und Fairness als moralisch richtig und langfristig vorteilhaft ansehen, warnt der machiavellistische Blick davor, naiv zu vertrauen. In der Realität von Gründerteams dürfte ein gewisses Gleichgewicht sinnvoll sein – blinder Idealismus kann ausgenutzt werden, aber reiner Zynismus zerstört jede Basis für Zusammenarbeit. Im nächsten Abschnitt wird betrachtet, wie sich Vertrauen bzw. Misstrauen konkret im Startup-Alltag auswirken.
Loyalität und Fairness im Startup-Alltag
Im Gründeralltag eines Startups sind Loyalität und Vertrauen kein abstraktes Ideal, sondern oft die Grundlage des gemeinsamen Erfolgs. Co-Founder arbeiten meist eng und unter hohem Druck zusammen – vergleichbar mit einer Partnerschaft oder sogar Ehe. Häufig heißt es, ein Startup-Team müsse wie ein „eingespieltes Team“ oder eine Familie funktionieren. Vertrauen ermöglicht es, Aufgaben effektiv zu delegieren, offen über Probleme zu sprechen und in Krisen zusammenzuhalten. Ist diese Vertrauensbasis intakt, können Gründer voneinander profitieren: Jeder bringt seine Stärken ein, man teilt Wissen frei, und Entscheidungen werden im offenen Dialog getroffen statt hinter dem Rücken der anderen. Werte wie Ehrlichkeit, Transparenz und Fairness fördern zudem die Motivation – Gründer, die fair behandelt werden, fühlen sich dem Startup stärker verpflichtet und sind bereit, extrameilenweit zu gehen.
Dem gegenüber kann Misstrauen im Gründerteam verheerende praktische Folgen haben. Wenn jeder dem anderen schlechte Absichten unterstellt, entstehen Doppelstrukturen (weil niemand den anderen arbeiten lässt), endlose Kontrollen oder Kommunikationsblockaden. Im schlimmsten Fall führen Vertrauensbrüche zu offenen Konflikten oder Trennungen: Gründerteams zerstreiten sich, Firmenanteile müssen aufgeteilt oder teuer zurückgekauft werden, Projekte bleiben liegen. Untersuchungen legen nahe, dass Streit im Gründerteam tatsächlich einer der häufigen Scheiterungsgründe für Startups ist. Laut einer Studie von Noam Wasserman gehen rund 65 % aller Startup-Pleiten auf Konflikte zwischen den Mitgründern zurück. Ein Mangel an Loyalität und Teamgeist „killt“ also oft das Geschäft. Es gilt der Satz: „Co-Founder-Conflict can be fatal – at worst, it kills the business.“ . Diese Zahlen verdeutlichen, dass illoyales oder misstrauisches Verhalten in vielen Fällen selbstzerstörerisch wirkt.
Gleichzeitig ist in der Praxis ein gewisses Maß an Absicherung üblich und vernünftig – getreu dem Sprichwort: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“ So schließen viele Gründer untereinander Gesellschaftervereinbarungen ab, die alle Eventualitäten regeln (z. B. wer welche Anteile hält, wie Entscheidungen getroffen werden, wie ein Austritt abläuft). Solche vertraglichen Klauseln spiegeln ein gesundes Misstrauen wider – man hält fest, was im Falle von Konflikten passieren soll, um fair auseinandergehen zu können. Auch Instrumente wie Vesting-Klauseln (die Anteile an Bleiben knüpfen) oder Nicht-Konkurrenzklauseln zeigen, dass man sich zwar vertraut, aber trotzdem Vorkehrungen trifft, falls doch jemand illoyal handelt. Diese Vorkehrungen sind allerdings eher präventiv: Im Alltag bleibt offene Kommunikation und gegenseitiger Rückhalt entscheidend. Einige erfolgreiche Gründer empfehlen regelmäßige Gespräche über Erwartungen, Sorgen und gegenseitiges Feedback, um Vertrauen aufzubauen und zu bewahren.
Fallstudie: Wenn Vertrauen missbraucht wird – das Facebook-Beispiel
Ein bekanntes Beispiel für missbrauchtes Vertrauen unter Mitgründern ist die Geschichte von Facebook. Mark Zuckerberg gründete Facebook gemeinsam mit Eduardo Saverin. Als Facebook rasant wuchs, suchte Zuckerberg den Schulterschluss mit Investoren und neuen Partnern – und schmiedete Pläne, wie er Saverin aus der Firma drängen konnte. Trotz ihrer anfänglichen Abmachungen wurde Saverins Anteil schließlich durch eine dilutive Finanzierungsrunde massiv verwässert, ohne dass er es rechtzeitig bemerkte. Zuckerberg handelte hier strategisch illoyal, um die volle Kontrolle über das Unternehmen zu gewinnen. Interne Chats aus jener Zeit zeigen, dass Zuckerberg bewusst nach „Dirty Tricks“ suchte, um Saverin auszubooten. In einer E-Mail an seinen Anwalt fragte Zuckerberg sogar, ob man Saverins Verwässerung so durchführen könne, dass es ihm nicht „painfully apparent“ würde, was geschieht. Der eigene Anwalt warnte ihn jedoch: Da ausschließlich Saverin benachteiligt würde, bestehe „substantial risk“, dass Saverin dies als Verletzung der Treuepflicht (breach of fiduciary duty) anfechten werde. Tatsächlich verklagte Eduardo Saverin Facebook später; der Konflikt endete in einem Vergleich, bei dem Saverin einen hohen finanziellen Ausgleich und die offizielle Anerkennung als Mitgründer erhielt. – Dieses Beispiel illustriert, wie ein Gründer (Zuckerberg) kurzfristig durch illoyales Verhalten mehr Macht erlangen konnte, jedoch um den Preis schwerer rechtlicher und reputationsbezogener Konsequenzen. Der Vertrauensbruch führte zu einem öffentlichkeitswirksamen Streit und hätte das Unternehmen in der Frühphase beinahe zerrissen.
Beispiel: Fairness und Loyalität zahlen sich aus
Es gibt auch positive Gegenbeispiele, in denen gegenseitiges Vertrauen belohnt wurde. Viele der erfolgreichsten Tech-Unternehmen wurden von Teams gegründet, die über Jahre eng zusammenarbeiteten, ohne sich gegeneinander auszuspielen. So blieben die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin trotz verschiedener Ansichten in bestimmten Fragen stets einander loyal und teilten die Macht im Unternehmen fair – mit dem Ergebnis, dass Google nachhaltig erfolgreich wurde. Ähnlich gründeten Bill Hewlett und Dave Packard (HP) ihr Unternehmen auf Basis gegenseitigen Respekts: Bekannt ist das Konzept der “HP Way”-Unternehmenskultur, die von Anfang an auf Vertrauen und partnerschaftlicher Entscheidungsfindung beruhte. Die beiden Gründer hielten als gleichberechtigte Partner zusammen und meisterten Krisen (z. B. den 2. Weltkrieg) durch ehrliche Zusammenarbeit. Der Lohn war ein Jahrzehnte andauernder Unternehmenserfolg und die bis heute als vorbildlich geltende Firmenkultur. Allgemein zeigt sich: Wenn Mitgründer fair miteinander umgehen – etwa Gewinne gerecht teilen, einander in schwierigen Zeiten den Rücken stärken und Erfolge gemeinsam feiern – steigt die Stabilität des Unternehmens. Loyalität schafft die Grundlage, um gemeinsam Rückschläge auszuhalten und langfristig Vertrauen bei Mitarbeitern, Kunden und Investoren aufzubauen. Natürlich sind auch in solchen Fällen Verträge und klare Absprachen wichtig, doch werden sie eingehalten, was die Reputation der Gründer stärkt. Im Ergebnis kann man sagen: Gründerteams, die Loyalität und Fair Play hochhalten, werden häufig gemeinschaftlich erfolgreicher und vermeiden die zerstörerischen Zerwürfnisse, die illoyales Verhalten mit sich bringen kann.
Juristische Aspekte: Treuepflichten und Pflichten unter Mitgründern
Im deutschen Gesellschaftsrecht gibt es klare Erwartungen an die Loyalität unter Gesellschaftern – diese gelten besonders in kleinen, personengeprägten Unternehmen wie typischen Startups. Obwohl das Gesetz selbst (z. B. im GmbH-Gesetz oder BGB) nicht jeden Aspekt ausdrücklich regelt, hat die Rechtsprechung die sogenannte gesellschaftsrechtliche Treuepflicht entwickelt. Diese Treuepflicht ist eine Kardinalpflicht im Verhältnis der Mitgesellschafter und gegenüber der Gesellschaft. Sie verlangt, dass jeder Gesellschafter die gemeinsamen Interessen wahrt und die Fortführung des Unternehmens nicht durch Eigennutz gefährdet. Der Bundesgerichtshof (BGH) formulierte bereits 1981 grundlegend, dass in einer GmbH „die Interessen der Gesellschaft stets im Vordergrund stehen müssen“, und jeder Gesellschafter verpflichtet ist, die Belange der Gesellschaft über die eigenen zu stellen. Die Treuepflicht „zielt vor allem auf das Vertrauen und den Schutz der gemeinsamen Interessen der Gesellschafter und der Gesellschaft ab“. Praktisch bedeutet das: Ein Mitgründer darf seine Position nicht missbrauchen, um sich auf Kosten der Firma oder der Partner zu bereichern. Persönliche Interessen sind hintanzustellen, sobald sie dem Wohl der gemeinsamen Firma widersprechen.
Konkret ergeben sich aus der Treuepflicht mehrere Verhaltenspflichten: Gesellschafter müssen alles unterlassen, was dem Unternehmenszweck schadet, und umgekehrt im Zweifel Maßnahmen unterstützen, die für das Überleben der Gesellschaft notwendig sind. So entschied der BGH 2016 in einem vielbeachteten Urteil (Az. II ZR 275/14), dass ein Gesellschafter aus Treuepflicht sogar verpflichtet sein kann, einer Kapitalmaßnahme zuzustimmen, wenn diese objektiv unabweisbar erforderlich ist, um erhebliche Verluste abzuwenden – selbst wenn er persönlich ungern zustimmt. Umgekehrt ist es Treuepflicht-verstoßend, sinnvolle und mehrheitlich gewollte Schritte zur Sanierung oder Weiterentwicklung der Firma ohne legitimen Grund zu blockieren. Kurz gesagt: Illoyalität ist rechtlich nicht neutral, sondern kann als Pflichtverletzung gewertet werden. Ein Mitgründer, der zum eigenen Vorteil handelt und der Firma oder dem Partner schadet, verletzt seine Treuepflicht und macht sich potentiell schadensersatzpflichtig oder kann im Extremfall sogar aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden (meist nur bei wichtigem Grund).
Wichtige Ausprägungen der Treuepflicht sind etwa das Wettbewerbsverbot und die Pflicht zur Geschäftschancenwahrnehmung. So ist es Gesellschaftern einer Personengesellschaft (z. B. OHG oder GbR) gesetzlich untersagt, ohne Zustimmung der Mitgesellschafter in derselben Branche auf eigene Faust zu konkurrieren (vgl. § 112 HGB für die OHG). Auch GmbH-Gesellschaftern wird über die Treuepflicht im Regelfall ein Konkurrenzverbot auferlegt. Kein Mitgründer darf also Geschäftschancen der Gesellschaft für sich ausnutzen oder ein Nebenunternehmen gründen, das dem Startup Kunden oder Ressourcen abzieht. Tut er es doch, kann die Gesellschaft von ihm verlangen, den erlangten Vorteil herauszugeben oder Schadensersatz zu leisten. Ebenso besteht eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber Außenstehenden – interne Informationen dürfen nicht zum Nachteil des Unternehmens preisgegeben werden. Gleichzeitig schulden sich Mitgründer gegenseitig Information und Aufklärung: Wichtige Entwicklungen oder Risiken müssen offen auf den Tisch, damit alle Gesellschafter sachgerecht entscheiden können. Wer relevante Tatsachen verschweigt oder andere gezielt im Unklaren lässt (z. B. über die wahre Finanzlage oder über Parallelverhandlungen), verstößt gegen die Pflicht zur Rücksichtsnahme aus § 242 BGB (Treu und Glauben). Bereits vor der Gründung gelten Grundsätze von culpa in contrahendo (vorvertraglicher Aufklärungspflicht): Wenn etwa ein Gründer den anderen ins Boot holt, muss er über bekannte Probleme oder rechtliche Hindernisse informieren – anderenfalls könnte der Gesellschaftsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechtbar sein. Insgesamt soll durch diese Pflichten ein Grundklima von Fairness rechtlich sichergestellt werden: Jeder Mitgründerin soll sich darauf verlassen können, dass niemand in der Partnerschaft ohne Wissen der anderen eigene Vorteile auf Kosten der Gemeinschaft sucht.
Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Urteilen die Treuepflicht konkretisiert. Neben dem genannten BGH-Urteil von 2016 sind etwa Entscheidungen zum Ausschluss von Gesellschaftern zu nennen: Ein Mitgesellschafter kann nicht willkürlich hinausgedrängt werden – dazu bedarf es eines wichtigen Grundes, etwa grober Pflichtverletzung. Fehlt ein solcher Grund, wäre ein Rauswurf rechtswidrig und verstieße gegen die Loyalitätspflicht gegenüber dem betroffenen Partner. Ebenso hat der BGH im sogenannten Girmes-Urteil (2009) und anderen Fällen betont, dass Gesellschafter in der Krise entweder einer Rettungsmaßnahme zustimmen oder aussteigen müssen – ein einfaches Verweigern ohne Konsequenzen ist unzulässig. In summa lässt sich festhalten, dass deutsches Gesellschaftsrecht strategisches Illoyal-Verhalten klar sanktioniert: Mitgründer dürfen einander vertrauen – mehr noch, sie müssen es bis zu einem gewissen Grad, da das Recht sie zur wechselseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Wer diese Pflichten grob verletzt (sei es durch Betrug, Konkurrenz zum eigenen Startup oder Verweigerung notwendiger Mitarbeit), muss mit juristischen Folgen rechnen – von Abberufung als Geschäftsführer über Schadensersatzklagen bis hin zur Auflösung der Gesellschaft im Extremfall.
Fazit
Darf oder soll man seinen Mitgründern vertrauen? Aus den obigen Betrachtungen wird deutlich: Sowohl die moralische Vernunft als auch der praktische Erfolg und das Recht sprechen eine deutliche Sprache zugunsten von Vertrauen, Loyalität und Fairness unter Gründern. Philosophisch-ethisch lässt sich Vertrauen durch utilitaristische und deontologische Argumente rechtfertigen – es schafft gemeinsamen Nutzen und entspricht grundlegenden moralischen Pflichten. Ein total machiavellistischer Kurs mag kurzfristig verlockend erscheinen, ist aber moralisch zweifelhaft und sägt meist am eigenen Ast. Die Alltagspraxis in Startups zeigt, dass illoyales Verhalten oft destruktiv wirkt: Gründerstreit kann ein vielversprechendes Unternehmen zerstören, wohingegen gegenseitige Loyalität ein Startup durch schwere Zeiten navigieren kann. Juristisch schließlich ist klar: Illoyalität unter Mitgesellschaftern ist keine legitime Strategie, sondern verstößt gegen anerkannte Rechtsgrundsätze (Treuepflicht, Aufklärungspflichten etc.) und kann gerichtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Natürlich bedeutet Vertrauen nicht Naivität – kluge Gründer paaren Vertrauen mit klaren Vereinbarungen und Mechanismen zur Konfliktlösung. Letztlich aber bildet ein Grundvertrauen die unverzichtbare Basis jeder Gründerpartnerschaft. Ohne Vertrauen gibt es keine erfolgreiche Zusammenarbeit. Zweifel und Kontrollmechanismen mögen menschlich und unternehmerisch angebracht sein, doch sollten sie nie die Oberhand über Ehrlichkeit und gemeinsame Vision gewinnen. Ein Startup, dessen Gründer einander fair behandeln, hat die weitaus besseren Chancen, nachhaltig erfolgreich zu sein – im Einklang mit moralischen Werten und im Rahmen des geltenden Rechts.
Quellen: Relevant sind insbesondere die entwickelten Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht in der Rechtsprechung (z. B. BGH, Urt. v. 29.06.1981, II ZR 178/80 ( Treuepflichten eines GmbH-Gesellschafters); BGH, Urt. v. 12.04.2016, II ZR 275/14 (Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht – BGH, Urteil vom 12.04.2016 –) sowie §§ 242 BGB, 112 HGB. Zur Bedeutung von Gründerkonflikten siehe Wasserman (Harvard-Studie) (Startup horror stories: When co-founders fall out). Die Facebook-Fallstudie basiert auf öffentlich gewordenen Informationen über den Streit Zuckerberg/Saverin (How Mark Zuckerberg Booted His Co-Founder Out of the Company – Business Insider). Philosophische Anregungen: Kant (Grundlegung zur Metaphysik der Sitten), Machiavelli (Il Principe (QUOTES BY NICCOLO MACHIAVELLI )), u. a.