Das Oberlandesgericht Köln hat in einem aktuellen Beschluss (11 W 15/24) klargestellt, dass ein Schuldner bei der Herausgabe von treuhänderisch verwahrten Kryptowährungen alle technisch möglichen Wege ausschöpfen muss, um der gerichtlichen Anordnung nachzukommen. Das Urteil unterstreicht die zunehmende Befassung der Gerichte mit Rechtsfragen rund um Kryptowährungen. Es zeigt auch, wie komplex die Durchsetzung von Ansprüchen in der digitalen Welt sein kann. Betroffene sollten daher nicht zögern, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Gerade im Fall von Krypto-Betrug, Problemen mit Steuerbehörden oder Handelsplattformen kann dies entscheidend sein.
Der Fall: Treuhandvertrag über Kryptowährungen
Im vorliegenden Fall ging es um die Vollstreckung eines Urteils, wonach der Schuldner Kryptowährungen aus zwei Treuhandwallets an die Gläubigerin herausgeben sollte. Konkret hatten die Parteien im Jahr 2018 einen Treuhandvertrag geschlossen, in dem sich der Schuldner verpflichtete, Kryptowährungen für die Gläubigerin in sogenannten Wallets zu verwahren.
Der Treuhandvertrag sah vor, dass der Schuldner als Treuhänder die Kryptowährungen für die Gläubigerin als Treugeberin verwahren und verwalten sollte. Die Gläubigerin blieb dabei wirtschaftliche Eigentümerin der Kryptowerte, während der Schuldner lediglich die tatsächliche Herrschaft über die Wallets ausübte. Er war jedoch vertraglich verpflichtet, die Kryptowährungen nach den Weisungen der Gläubigerin zu verwenden und herauszugeben.
Im Laufe der Vertragsbeziehung kam es dann zu Streitigkeiten zwischen den Parteien über die genauen Voraussetzungen für die Auszahlung der verwahrten Kryptowährungen an die Gläubigerin. Diese kündigte daraufhin den Treuhandvertrag außerordentlich und verlangte die vollständige Herausgabe der für sie verwahrten digitalen Assets.Der Schuldner weigerte sich jedoch, dieser Aufforderung nachzukommen und die Kryptowährungen an die Gläubigerin zu transferieren. Er bestritt eine wirksame Kündigung des Treuhandvertrags und machte geltend, dass die Auszahlungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Daher sei er nicht zur Herausgabe verpflichtet.Die Gläubigerin erhob daraufhin Klage und erwirkte vor dem Landgericht ein Urteil, das den Schuldner zur Herausgabe der Kryptowährungen verurteilte. Dieses Urteil wollte sie nun im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Der Schuldner legte gegen die Vollstreckungsmaßnahmen jedoch Rechtsmittel ein, so dass sich das OLG Köln nun mit dem Fall zu befassen hatte.
Schuldner beruft sich auf Verlust der Zugangsdaten
Der Schuldner kam der Herausgabepflicht nicht nach. Er berief sich darauf, dass ihm die Zugangsdaten (Private Keys) zu den Wallets nicht mehr zur Verfügung stünden. Das Landgericht verurteilte ihn dennoch zur Herausgabe und setzte ein Zwangsgeld fest. Dagegen legte der Schuldner Beschwerde ein und beantragte die Einholung eines Sachverständigengutachtens, um die Unmöglichkeit der Herausgabe zu beweisen. Er argumentierte, dass er ohne die Private Keys technisch nicht mehr auf die Kryptowährungen zugreifen könne.
Dies wirft im Grundsatz natürlich eine spannende Frage auf: Was passiert eigentlich, wenn man den Private Key oder die Zugangsdaten zu einem Wallet verliert oder diese unwiederbringlich verschlüsselt werden? Schließlich ist der Verlust von Private Keys in der Kryptowelt keine Seltenheit. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu 20% aller jemals erzeugten Bitcoins durch verlorene Private Keys unwiederbringlich verloren sind.Der Verlust des Private Keys kommt im Ergebnis dem Verlust der Kryptowährungen selbst gleich, da ohne ihn keinerlei Transaktionen mehr vorgenommen werden können. Die Coins existieren zwar noch in der Blockchain, sind aber ohne Zugriff auf den Private Key für niemanden mehr nutzbar – sie werden gleichsam zu einem Teil der Blockchain, den niemand mehr kontrollieren oder transferieren kann.
Aus rechtlicher Sicht stellt sich hier die Frage, ob der Schuldner sich auf eine objektive Unmöglichkeit der Leistung berufen kann, wenn er nachweislich keinen Zugriff mehr auf die Keys hat. Oder muss er sich vorhalten lassen, die Keys fahrlässig verloren zu haben und damit für die Unmöglichkeit selbst verantwortlich zu sein? Und welche Rolle spielt es, wenn der Schuldner die Keys vorsätzlich “verloren” hat, um sich der Herausgabepflicht zu entziehen?All diese Fragen zeigen, dass das Recht hier noch Antworten finden muss, um mit den technischen Gegebenheiten und Risiken der Kryptowelt Schritt zu halten. Das OLG-Urteil ist ein wichtiger Schritt, um mehr Klarheit zu schaffen.
OLG stellt hohe Anforderungen an Unmöglichkeit
Das OLG Köln wies die Beschwerde nun zurück und stellte klar, dass der bloße Verweis auf den Verlust der Private Keys nicht ausreicht. Vielmehr muss der Schuldner substantiiert und plausibel darlegen, dass ihm die Herausgabe der Kryptowährungen tatsächlich unmöglich ist. Dazu muss er alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Zugangsdaten zu erlangen. Das Gericht führte aus:
“Dazu gehört auch die Inanspruchnahme spezialisierter Dienstleister zur Wiederherstellung des Zugriffs auf die Wallets.”
Da der Schuldner dies nicht getan hatte, wurde ein weiteres Zwangsgeld von 25.000 Euro festgesetzt. Die Anordnung von Zwangshaft behielt sich das Gericht als letztes Mittel vor. Das Urteil macht deutlich, dass sich Schuldner nicht einfach auf den Verlust von Zugangsdaten berufen können, um sich ihrer Herausgabepflicht zu entziehen.
Signalwirkung des Urteils
Das Urteil reiht sich ein in eine Entwicklung hin zu mehr Rechtssicherheit und -klarheit im Kryptobereich. So schafft die EU-Verordnung MiCAR ab 2024 einen einheitlichen Rechtsrahmen für Krypto-Assets. Die Verordnung soll Innovationen fördern und gleichzeitig den Anlegerschutz und die Finanzstabilität wahren. Die Finanzaufsicht BaFin geht verstärkt gegen unerlaubte Geschäfte mit Krypto-Finanzinstrumenten vor. Seit 2020 benötigen Unternehmen, die das Kryptoverwahrgeschäft erbringen, eine Erlaubnis der BaFin. Und Behörden wie die Staatsanwaltschaft Dresden werden durch Krypto-Beschlagnahmen zu wichtigen Marktakteuren. All dies zeigt: Die Rechtsprechung und Regulierung holt im Kryptobereich langsam auf. Dennoch bleiben viele Fragen offen, etwa zur steuerlichen Behandlung oder zur Rückverfolgung von Transaktionen.
Anwälte bleiben unverzichtbar
Trotz dieser Fortschritte bleiben viele Rechtsfragen im Kryptobereich noch ungeklärt. Gerade bei der Verwahrung und Herausgabe von Kryptowährungen lauern Fallstricke. Unternehmen und Privatpersonen sind daher gut beraten, sich von spezialisierten Anwälten mit Expertise in IT-Recht, Gesellschaftsrecht und Vertragsrecht beraten zu lassen. Nur so lassen sich rechtliche Risiken minimieren und im Streitfall die eigenen Ansprüche bestmöglich durchsetzen. Das Urteil des OLG Köln zeigt exemplarisch, wie komplex die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen in der Kryptowelt sein kann. Betroffene sollten daher nicht zögern, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Gerade im Fall von Krypto-Betrug, Problemen mit Steuerbehörden oder Handelsplattformen kann dies entscheidend sein. Denn eines ist klar: Die Blockchain-Technologie wirft immer neue Rechtsfragen auf, die auch in Zukunft die Gerichte beschäftigen werden.