Die neue EU-Verordnung zu Märkten für Kryptowerte (Markets in Crypto-Assets Regulation – MiCAR) wurde am 9. Juni 2023 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und trat am 29. Juni 2023 in Kraft. Die meisten Bestimmungen werden jedoch erst nach einer Übergangszeit von 12 bis 18 Monaten anwendbar sein. Trotzdem sollten sich Marktteilnehmer schon jetzt mit den neuen Regeln vertraut machen und auf die Umsetzung vorbereiten.In Deutschland erfolgt die Umsetzung der MiCAR durch zwei neue Gesetze: das Finanzmarktdigitalisierungsgesetz (FinmadiG) und das Kryptomärkteaufsichtsgesetz (KMAG). Das FinmadiG begleitet die Umsetzung der MiCAR und nimmt notwendige Anpassungen bestehender Gesetze vor, wie z.B. des Geldwäschegesetzes und des Kreditwesengesetzes.Das KMAG regelt ergänzend das Aufsichtshandeln der zuständigen Behörden. Es bestimmt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als zuständige Aufsichtsbehörde für die MiCAR-Regelungen in Deutschland. Die BaFin wird künftig die Überwachung der MiCAR-Regelungen verantworten und erhält dafür notwendige Befugnisse wie das Einschreiten gegen unerlaubte Geschäfte.Aktuell befindet sich das KMAG noch im Gesetzgebungsverfahren und ist noch nicht in Kraft getreten. Mit der “MiCAR-AntragsV” soll es Unternehmen aber ermöglicht werden, Anträge nach MiCAR bereits vor dem 30. Dezember 2024 zu stellen, um rechtzeitig Kryptowerte-Dienstleistungen unter dem neuen Rechtsrahmen erbringen zu können.Durch das FinmadiG wird zudem ein neues Kryptomärkteaufsichtsgesetz (KMAG) eingeführt. In Abgrenzung zum „Kryptowerte”-Begriff der MiCAR werden die bisherigen „Kryptowerte” im Kreditwesengesetz (KWG) umbenannt in „Kryptografische Instrumente”. Das KWG-Kryptoverwahrgeschäft wird zum „qualifizierten Kryptoverwahrgeschäft”. Im Geldwäschegesetz (GwG) werden Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen i.S.v. MiCAR als geldwäscherechtlich Verpflichtete aufgenommen.
Was regelt MiCAR?
MiCAR schafft erstmals einen umfassenden Regulierungs- und Aufsichtsrahmen für bisher nicht regulierte Kryptowerte in der Europäischen Union. Die einheitlichen Lizenzierungs- und Verhaltensregeln gelten für ein breites Spektrum an Marktteilnehmern:
- Natürliche und juristische Personen, die mit der Emission, dem öffentlichen Angebot und der Zulassung zum Handel von Kryptowerten befasst sind. Dazu zählen beispielsweise Unternehmen, die Kryptowerte wie Utility Token, wertreferenzierte Token (ARTs) oder E-Geld-Token (EMTs) ausgeben und öffentlich anbieten.
- “Bestimmte andere Unternehmen” wie dezentrale autonome Organisationen (DAOs) und andere Betreiber dezentraler Finanzsysteme (DeFi), soweit sie zumindest teilweise an der Erbringung von Krypto-Dienstleistungen beteiligt sind. Rein dezentral und ohne jegliche Intermediäre erbrachte DeFi-Aktivitäten fallen dagegen nicht unter MiCAR.
- Anbieter von Krypto-Dienstleistungen (Crypto-Asset Service Provider, CASPs) wie die Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten für Kunden, der Betrieb von Handelsplattformen für Kryptowerte, der Tausch zwischen Kryptowerten und Fiat-Währungen oder die Ausführung von Aufträgen für Kryptowerte im Namen von Kunden.
Für all diese Akteure gelten künftig EU-weit harmonisierte Anforderungen in Bezug auf Zulassung, Geschäftsorganisation, Verbraucherschutz, Marktintegrität und Aufsicht, wenn sie Kryptowerte emittieren, öffentlich anbieten oder Krypto-Dienstleistungen in der EU erbringen. Damit soll ein Level Playing Field geschaffen, Aufsichtsarbitrage verhindert und der Anlegerschutz gestärkt werden.Ausgenommen vom Anwendungsbereich der MiCAR sind dagegen beispielsweise Zentralbanken, öffentliche Behörden der Mitgliedstaaten, die Europäische Investitionsbank und ihre Tochtergesellschaften sowie bestimmte bereits regulierte Finanzinstitute wie Kreditinstitute und Wertpapierfirmen, soweit sie Krypto-Dienstleistungen ausschließlich für Gruppenunternehmen erbringen.
Welche Kryptowerte fallen unter MiCAR?
MiCAR unterscheidet zwischen drei Kategorien von Token, die derzeit nicht von bestehenden Regulierungsrahmen erfasst werden:
- Wertreferenzierte Token (Asset-Referenced Tokens, ARTs): ARTs sind Token, die einen stabilen Wert in Bezug auf einen zugrunde liegenden Referenzwert wie Währungen, Rohstoffe oder andere Kryptowerte aufrechterhalten sollen. Sie dienen als Zahlungsmittel oder Wertaufbewahrungsmittel, ohne den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels zu haben. Beispiele für ARTs sind an Fiat-Währungskörbe oder Rohstoffe gekoppelte Stablecoins. Emittenten von ARTs müssen besondere Anforderungen erfüllen, u.a. eine Zulassung durch die zuständige Behörde, die Veröffentlichung eines Whitepapers, Liquiditäts- und Kapitalanforderungen sowie Vorgaben zur Verwahrung der Referenzwerte.
- E-Geld-Token (E-Money Tokens, EMTs): EMTs sind Token, die einen stabilen Wert in Bezug auf eine einzelne Fiat-Währung wie den Euro oder US-Dollar aufrechterhalten sollen. Sie qualifizieren als E-Geld im Sinne der zweiten E-Geld-Richtlinie (EMD2). Emittenten von EMTs benötigen eine E-Geld-Lizenz und müssen die Anforderungen der EMD2 sowie zusätzliche Vorgaben der MiCAR erfüllen, z.B. zur Verwahrung der Referenzwährung und zur Einlösung der Token.
- Utility Token: Utility Token sind Kryptowerte, die nur dazu dienen, digitalen Zugang zu einem vom Emittenten gelieferten Gut oder einer Dienstleistung zu gewähren. Sie verleihen den Inhabern keine anderen Rechte gegenüber dem Emittenten. Utility Token unterliegen den geringsten Anforderungen unter MiCAR. Emittenten müssen lediglich ein Whitepaper veröffentlichen und bestimmte Informations- und Marketingregeln einhalten.
Nicht unter MiCAR fallen dagegen beispielsweise:
- Security Token, die als Finanzinstrumente im Sinne von MiFID II gelten. Sie unterliegen weiterhin den bestehenden kapitalmarktrechtlichen Vorschriften wie der Prospektverordnung.
- Einzigartige, nicht-fungible Token (Non-Fungible Tokens, NFTs), die aufgrund ihrer Einzigartigkeit und Nicht-Austauschbarkeit keine Kryptowerte im Sinne von MiCAR darstellen. Allerdings können Serien von NFTs oder fraktionierte NFTs als Kryptowerte qualifizieren, wenn sie hinreichend standardisiert und fungibel sind.
- Kryptowerte, die bereits von anderen EU-Vorschriften erfasst werden, z.B. als Einlagen, Fonds (außer bei E-Geld-Token), Verbriefungspositionen oder Versicherungsprodukte.
MiCAR schafft somit erstmals eine umfassende Taxonomie und ein Regelwerk für bisher weitgehend unregulierte Token-Arten, die nicht in bestehende Regulierungsrahmen passen. Durch die Differenzierung nach ARTs, EMTs und Utility Token sowie die risikoadjustierten Anforderungen soll ein angemessener Anleger- und Verbraucherschutz bei gleichzeitiger Innovationsoffenheit gewährleistet werden.
Welche Pflichten gelten für Emittenten?
Emittenten von ARTs und EMTs müssen ab dem 30. Juni 2024 folgende regulatorische Verpflichtungen erfüllen:
- Zulassung durch die zuständige nationale Behörde und Veröffentlichung eines White Papers mit Informationen über den jeweiligen ART/EMT für Anleger:
- Das White Paper muss detaillierte Angaben zum Emittenten, zum Projekt, zu den mit dem ART/EMT verbundenen Rechten, Risiken und Kosten sowie zur zugrunde liegenden Technologie enthalten.
- Das White Paper ist der Aufsichtsbehörde zu notifizieren und auf der Website des Emittenten zu veröffentlichen.
- Verhaltens- und Governance-Anforderungen in Bezug auf Marketing, Offenlegung von Informationen und den Umgang mit Interessenkonflikten:
- Emittenten müssen ehrlich, fair und professionell im besten Interesse ihrer Kunden handeln.
- Sie müssen Interessenkonflikte identifizieren, offenlegen und vermeiden oder managen.
- Marketingmitteilungen müssen als solche erkennbar sein und dürfen nicht irreführend sein.
- Emittenten müssen über solide Governance-Regelungen wie eine klare Organisationsstruktur, kompetente Geschäftsleiter und Regelungen zur Geschäftskontinuität verfügen.
- Aufsichtsrechtliche Anforderungen zur Sicherstellung ausreichender Liquidität und der Fähigkeit, Rücknahmeanträge zu erfüllen:
- Emittenten von ARTs/EMTs müssen jederzeit Eigenmittel in Höhe von mindestens 350.000 EUR, 2% des Durchschnittsbetrags der Reservevermögenswerte oder einem Viertel der Fixkosten des Vorjahres halten, je nachdem, welcher Betrag höher ist.
- Sie müssen Reserven an Vermögenswerten vorhalten, die rechtlich und operativ von ihrem Bestand getrennt sind und nach spezifischen Verwahrungsregeln verwaltet werden.
- Emittenten müssen Rücknahme- und Liquiditätspläne aufstellen, um die Rücknahme von Tokens sicherzustellen.
Emittenten von EMTs unterliegen zusätzlichen Anforderungen:
- Sie müssen als E-Geld-Institute oder Kreditinstitute zugelassen sein.
- Die Ausgabe von EMTs muss zum Nennwert bei Erhalt der Gelder erfolgen.
- Inhaber können ihre EMTs jederzeit zum Nennwert in Bargeld oder per Überweisung einlösen.
- Für die Rücknahme dürfen keine Gebühren erhoben werden.
- Gelder aus EMTs dürfen nur in sichere, risikoarme Anlagen investiert oder auf Treuhandkonten hinterlegt werden.
Für Emittenten von Utility Token und anderen Kryptowerten gelten ab dem 30. Dezember 2024 Transparenz- und Offenlegungspflichten für die Emission, das öffentliche Angebot und die Zulassung zum Handel. Sie müssen ebenfalls ein White Paper veröffentlichen, das jedoch weniger umfangreiche Informationen enthalten muss als bei ARTs/EMTs.
Was müssen Krypto-Dienstleister beachten?
Anbieter von Krypto-Dienstleistungen (Crypto-Asset Service Provider, CASPs) benötigen ab dem 30. Dezember 2024 eine Zulassung, um in der EU tätig zu sein. Zu den von MiCAR erfassten Krypto-Dienstleistungen gehören unter anderem:
- Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten im Namen von Kunden: CASPs, die Verwahrungsdienstleistungen anbieten, müssen angemessene Vorkehrungen zum Schutz der Eigentumsrechte der Kunden an den Kryptowerten treffen, einschließlich der Trennung von Kundenvermögen.
- Betrieb einer Handelsplattform für Kryptowerte: Betreiber von Handelsplattformen müssen transparente Regeln für den Handel und die Zulassung von Kryptowerten festlegen sowie Systeme zur Erkennung von Marktmissbrauch einrichten.
- Tausch von Kryptowerten gegen Geld oder andere Kryptowerte: CASPs, die Tauschdienstleistungen anbieten, müssen faire und transparente Preise sicherstellen und Interessenkonflikte vermeiden.
- Ausführung von Aufträgen für Kryptowerte im Namen von Kunden: CASPs müssen Aufträge zu den bestmöglichen Bedingungen für den Kunden ausführen und Vorkehrungen gegen Interessenkonflikte treffen.
- Platzierung von Kryptowerten: CASPs, die Kryptowerte im Namen von Emittenten platzieren, müssen Interessenkonflikte offenlegen und vermeiden sowie angemessene Due-Diligence-Prüfungen durchführen.
- Annahme und Übermittlung von Aufträgen für Kryptowerte im Namen von Kunden: CASPs müssen über Systeme und Verfahren verfügen, um Aufträge korrekt und zügig zu bearbeiten und an andere CASPs oder Handelsplätze weiterzuleiten.
- Beratung zu Kryptowerten: CASPs, die Anlageberatung zu Kryptowerten anbieten, müssen die Eignung und Angemessenheit für den jeweiligen Kunden beurteilen und etwaige Interessenkonflikte offenlegen.
CASPs unterliegen umfassenden Geldwäschebekämpfungs-, Aufsichts- und Verhaltensanforderungen:
- Sie müssen über robuste Governance-Regelungen, effektive Verfahren zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie angemessene interne Kontrollmechanismen verfügen.
- Sie müssen hohe Standards in Bezug auf die Sicherheit der IT-Systeme, die Aufbewahrung von Aufzeichnungen und den Schutz von Kundengeldern und -vermögenswerten einhalten.
- Sie müssen Interessenkonflikte identifizieren, vermeiden oder managen und den Kunden gegenüber fair und transparent handeln.
- Sie müssen der zuständigen Behörde regelmäßig Bericht erstatten und Verstöße gegen MiCAR oder andere einschlägige Vorschriften melden.
Die Zulassung als CASP gilt EU-weit und ermöglicht die grenzüberschreitende Erbringung von Krypto-Dienstleistungen. Allerdings können die Mitgliedstaaten zusätzliche Anforderungen für CASPs festlegen, die in ihrem Hoheitsgebiet tätig sind, sofern diese Anforderungen verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sind.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, die technischen Regulierungs- und Durchführungsstandards sowie Leitlinien zu entwickeln, die die Anwendung von MiCAR weiter präzisieren werden.
ESMA hat bereits zwei finale Berichte zu MiCAR veröffentlicht. Der erste Bericht vom März 2024 enthält Vorschläge zu Informationen bezüglich der Zulassung von CASPs, der Notifizierung von Finanzunternehmen, die Krypto-Dienstleistungen erbringen wollen, der Bewertung beabsichtigter Beteiligungserwerbe an CASPs sowie der Beschwerdebearbeitung durch CASPs. Der zweite Bericht vom Mai 2024 betrifft die Regeln zu Interessenkonflikten für CASPs.Die EBA hat ebenfalls mehrere finale Entwürfe für technische Regulierungsstandards und Leitlinien zu MiCAR vorgelegt. Diese betreffen unter anderem die Eigenmittelanforderungen, Liquiditätsanforderungen und Sanierungspläne für Emittenten von ARTs und EMTs, die Informationen zur Bewertung des Erwerbs qualifizierter Beteiligungen an ART-Emittenten sowie das Verfahren zur Genehmigung von White Papers für von Kreditinstituten emittierte ARTs.
Die Europäische Kommission hat zudem im Mai 2024 delegierte Verordnungen zu MiCAR erlassen, die beispielsweise die von der EBA erhobenen Gebühren, die Kriterien für die Einstufung von ARTs und EMTs als bedeutend sowie die Kriterien für die Ausübung der Interventionsbefugnisse der Aufsichtsbehörden festlegen.Die ersten öffentlichen Konsultationen zu diesen Level 2- und Level 3-Maßnahmen sind wichtige Meilensteine bei der Umsetzung des MiCAR-Rahmens. Sie tragen dazu bei, Klarheit und Vorhersehbarkeit zu schaffen, den fairen Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern zu fördern und ein sichereres Umfeld für Anleger in der gesamten EU zu gewährleisten.
Als technikaffiner Anwalt, der die Entwicklungen rund um MiCAR genau verfolgt, kann ich Startups und Krypto-Unternehmen nur empfehlen, sich frühzeitig mit den neuen Regeln vertraut zu machen und den Dialog mit den zuständigen Behörden zu suchen. Nur so lässt sich ein reibungsloser Übergang zu MiCAR sicherstellen und böse Überraschungen vermeiden.Die Aufsichtsbehörden haben ihrerseits unmissverständlich klargemacht, dass die EU kein Tummelplatz für Krypto-Anbieter sein wird, die sich die Rosinen herauspicken oder krumme Dinger drehen wollen. Wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit Konsequenzen rechnen.Ich werde die weiteren Entwicklungen rund um MiCAR, insbesondere die Verabschiedung der ausstehenden technischen Standards und Leitlinien sowie die Vorbereitungen der Marktteilnehmer und Aufsichtsbehörden, weiterhin aufmerksam beobachten und darüber berichten.
Wenn Sie als Startup oder Krypto-Unternehmen Fragen zur Umsetzung von MiCAR haben oder Unterstützung bei der Beantragung einer Zulassung als CASP oder Emittent benötigen, stehe ich Ihnen gerne mit meiner Expertise zur Seite. Gemeinsam finden wir einen Weg, wie Sie die Chancen des neuen Rechtsrahmens optimal nutzen und die Compliance-Anforderungen effizient erfüllen können. Sprechen Sie mich einfach an – ich freue mich darauf, Sie auf Ihrer Reise in die spannende Welt von MiCAR zu begleiten!