Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Frage zu entscheiden, ob der wettbewerbsrechtliche Beseitigungsanspruch eines Verbraucherverbands die Rückzahlung aufgrund unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen einbehaltener Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher umfasst.
Sachverhalt:
Der Kläger ist der Dachverband deutscher Verbraucherzentralen. Der Beklagte veranstaltete ein Festival. Zur Bezahlung auf dem Festivalgelände konnten die Besucher ein Armband erwerben und mit Geldbeträgen aufladen. Der Beklagte bot eine Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge gemäß seiner wie folgt lautender Nutzungsbedingungen an: “Bei der Auszahlung des restlichen Guthabens nach dem Festival durch das Eventportal wird eine Rückerstattungsgebühr von 2,50 € fällig.”
Der Kläger hält die Erhebung einer Rückerstattungsgebühr für unlauter und nimmt den Beklagten auf Rückzahlung der einbehaltenen Gebühren an die betroffenen Verbraucher in Anspruch.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Das Oberlandesgericht hat angenommen, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der durch den Beklagten einbehaltenen Gebühren an die betroffenen Verbraucher zu. Die Klausel über die Erhebung einer Rückerstattungsgebühr sei zwar als Allgemeine Geschäftsbedingung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da der Beklagte mit der Rückerstattung nicht verbrauchter Geldbeträge keine eigenständige vergütungsfähige Leistung erbringe, sondern eine ohnehin bestehende vertragliche Verpflichtung erfülle. Die Verwendung der unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung stelle auch eine unlautere geschäftliche Handlung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß § 3 Abs. 1, § 3a UWG dar. Der im Grundsatz bestehende (Folgen-)Beseitigungsanspruch des Klägers gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG erstrecke sich jedoch nicht auf die Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Geldbeträge an die Verbraucher. Der wettbewerbsrechtlich relevante Störungszustand liege in einer Fehlvorstellung der Verbraucher über den Vertragsinhalt; er werde beendet, wenn diese über ihr Recht zur Rückforderung zu Unrecht einbehaltener Geldbeträge in Kenntnis gesetzt würden. Eine solche Information der betroffenen Verbraucher habe der Kläger aber nicht beantragt. Die begehrte Rückzahlung berühre hingegen nicht die vom Schutzzweck des wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruchs umfassten Kollektivinteressen der Verbraucher, sondern falle unter den Schutzzweck individueller Ansprüche nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Nicht anders verhalte es sich, soweit sich der Kläger darüber hinaus auf eine Irreführung der Verbraucher stütze.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.
Vorinstanzen:
LG Rostock – Urteil vom 15. Dezember 2020 – 3 O 1091/19
OLG Rostock – Urteil vom 15. November 2023 – 2 U 15/21
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
- 3 Abs. 1 UWG
(1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig. […]
- 3a UWG
Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.
- 8 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Nr. 3 UWG
(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. […]
(3) Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: […]
- den qualifizierten Verbraucherverbänden, die in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind, und den qualifizierten Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis der Europäischen Kommission nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 4 der Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 409 vom 4.12.2020, S. 1) eingetragen sind, […]
- 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 BGB
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […].
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