- Finanzierungsinstrumente: Startups nutzen häufig Wandeldarlehen, SAFE-Agreements und Eigenkapital-Finanzierung zur Kapitalaufnahme.
- Wandeldarlehen: Flexibles Darlehen, das später in Unternehmensanteile umwandelbar ist, ideal für schnelle Liquiditätsbeschaffung.
- SAFE-Agreements: Zinsen und Rückzahlung entfallen, ermöglicht Kapitalaufnahme ohne sofortige Bewertung.
- Eigenkapital-Finanzierung: Feste Gesellschafterstruktur, erfordert Notar und Gesellschafterbeschluss, bietet jedoch langfristige Planungssicherheit.
- Rechtliche Besonderheiten: Gründersicht und rechtliche Risiken sind entscheidend, insbesondere die Einhaltung deutscher Gesetze im Jahr 2025.
- Vertragsgestaltung: Saubere Verträge sind unerlässlich, um spätere Konflikte und Rechtsnachteile zu vermeiden.
- Insolvenzrecht: Unterschiede der Instrumente im Insolvenzfall sollten bekannt sein, da sie die Haftung des Geschäftsführers betreffen können.
Startups stehen in der Frühphase vor der Frage, wie sie nötiges Kapital aufnehmen, ohne ihre Flexibilität zu verlieren oder unnötige Kosten zu verursachen. Drei zentrale Finanzierungsinstrumente haben sich etabliert: Wandeldarlehen, SAFE-Agreements („Simple Agreement for Future Equity“) und die klassische Eigenkapital-Finanzierung durch Kapitalerhöhung gegen Geschäftsanteile. Jedes dieser Instrumente hat eigene rechtliche Anforderungen und Risiken. Im deutschen Rechtsrahmen 2025 ist es entscheidend, die Unterschiede genau zu kennen, um das passende Instrument auszuwählen und rechtssicher auszugestalten. Im Folgenden werden die drei Finanzierungsformen hinsichtlich ihrer vertraglichen Gestaltung, typischen Einsatzbereiche, rechtlichen Besonderheiten und praktischen Handhabung beleuchtet. Dabei wird der Fokus auf deutsche Startups und deutsches Recht gelegt – inklusive aktueller Entwicklungen und (falls vorhanden) Gerichtsurteilen – um Gründern einen fundierten Überblick zu geben. Am Ende wird deutlich: Die richtige rechtliche Beratung ist unerlässlich, um spätere Konflikte zu vermeiden und die Finanzierung auf ein sicheres Fundament zu stellen.
Wandeldarlehen – Flexibles Darlehen mit Wandeloption
Was ist ein Wandeldarlehen? Ein Wandeldarlehen (Convertible Loan) ist ein Darlehen, das einem Startup zunächst als Fremdkapital zufließt, dem Darlehensgeber jedoch das Recht (oder die Pflicht) einräumt, den Darlehensbetrag später in Unternehmensanteile umzuwandeln. Bis zur Wandlung ist der Investor also Gläubiger; im Wandlungsfall wird er zum Gesellschafter. Dieses Instrument ist besonders bei Startups beliebt, weil es schnell und unkompliziert vereinbart werden kann. Gerade als Bridge-Finanzierung bis zur nächsten großen Investitionsrunde sind Wandeldarlehen nahezu Standard in der Praxis. Sie ermöglichen Kapitalzufuhr, ohne sofort eine Unternehmensbewertung festzulegen oder aufwändige notarielle Prozesse anzustoßen. Die tatsächliche Beteiligung des Investors wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben – ideal, wenn in der frühen Phase noch Unsicherheit über den Unternehmenswert besteht.
Typische Vertragsmerkmale: Ein gut gestalteter Wandeldarlehensvertrag enthält mehrere Kernkomponenten:
- Darlehenssumme und Laufzeit: Vereinbarung der Höhe des Darlehens und der Laufzeit. Oft wird eine feste Laufzeit (z.B. 12–24 Monate) vereinbart, innerhalb derer idealerweise ein Wandlungsereignis eintritt.
- Zinsen: Wandeldarlehen sind in der Regel verzinst wie normale Kredite. Üblich sind moderate Zinssätze (z.B. 5–8% p.a.), die dem höheren Risiko entsprechen, aber nicht zu sehr belasten. Die Zinsen werden meist gestundet und fallen erst bei Fälligkeit oder Wandlung an.
- Wandlungsklausel: Zentrales Element ist das Wandlungsrecht bzw. die Wandlungspflicht. Der Vertrag legt fest, bei welchen Ereignissen die Umwandlung in Anteile erfolgt. Typischerweise gilt: Findet eine qualifizierte Eigenkapital-Finanzierungsrunde über einem bestimmten Mindestbetrag statt, wird das Darlehen automatisch in neue Geschäftsanteile umgewandelt. Oft hat der Darlehensgeber dann kein Wahlrecht, sondern es besteht eine Wandlungspflicht zu vorab definierten Konditionen. Alternativ kann auch vereinbart sein, dass der Investor bei Eintritt des Wandlungsereignisses wählen darf zwischen Wandlung oder Rückzahlung (je nach Verhandlungslage).
- Berechnung der Anteile (Discount/Cap): Im Wandlungsfall muss klar sein, wie viele Anteile der Investor erhält. Meist wird der Umrechnungspreis über einen Discount auf den Preis der nächsten Finanzierungsrunde ermittelt. Beispielsweise könnte vereinbart werden, dass der Darlehensbetrag mit 20% Rabatt auf die Bewertung der kommenden Runde in Eigenkapital gewandelt wird. Alternativ oder zusätzlich werden oft Bewertungsgrenzen festgelegt: ein Cap (obere Bewertungsgrenze) schützt den Investor vor zu hoher Bewertung bei Wandlung, oder ein Floor (Mindestbewertung) schützt das Gründerteam vor übermäßiger Verwässerung bei sehr niedriger Bewertung. Diese Parameter sind Verhandlungssache, in der Praxis liegen Discounts häufig bei 10–30%, Caps orientieren sich an einer plausiblen Maximalbewertung des aktuellen Unternehmensstatus.
- Rückzahlungs- und Fälligkeitsregeln: Für den Fall, dass innerhalb der Laufzeit kein Wandlungsereignis eintritt, sollte der Vertrag regeln, was passiert. Oft wird ein Endfälligkeitstermin gesetzt, an dem das Darlehen inklusive Zinsen zurückzuzahlen ist, sofern der Investor nicht doch noch eine Wandlung wählt. Manche Verträge vereinbaren stattdessen eine automatische Wandlung zu einem definierten Preis bei Ablauf der Frist, um eine Rückzahlung (die das Startup evtl. nicht leisten kann) zu vermeiden. Wichtig ist, dass der Vertrag hier klare Vorgaben macht, um Unsicherheit zu verhindern.
- Weitere Investorenrechte und Zustimmungsvorbehalte: Obwohl der Investor vor Wandlung kein Gesellschafter ist, werden ihm häufig gewisse Schutzrechte vertraglich eingeräumt. Üblich sind etwa Informationsrechte (regelmäßige Finanzberichte, Einsicht in Bücher) und Zustimmungsrechte zu wichtigen Geschäftsentscheidungen. So kann im Wandeldarlehensvertrag vereinbart sein, dass bestimmte Maßnahmen – z.B. die Ausgabe weiterer Darlehen/SAFE, grundlegende Änderungen am Gesellschaftsvertrag oder außergewöhnliche Ausgaben über einem Schwellenwert – der Zustimmung des Wandeldarlehensgebers bedürfen. Diese Klauseln schützen den zukünftigen Anteil des Investors vor Verwässerung oder Wertverlust, ohne ihm schon formal Stimmrechte zu geben. Ebenfalls denkbar sind Vorrechte für den Exit (z.B. eine Liquidationspräferenz, sodass der Darlehensgeber im Verkaufsfall vorrangig aus dem Erlös bedient wird) oder Most-Favored-Nation-Klauseln, die ihm automatisch die Vorteile besserer Konditionen gewähren, falls das Startup später einem anderen Investor günstigere Wandlungsbedingungen einräumt.
- Rangrücktritt: Ein essenzielles Element – gerade in Deutschland – ist der qualifizierte Rangrücktritt des Investors hinsichtlich seiner Darlehensforderung. Das bedeutet, der Darlehensgeber erklärt sich vertraglich bereit, im Insolvenzfalle oder bei Überschuldung der Gesellschaft nachrangig bedient zu werden, also erst nach allen anderen regulären Gläubigern. Dieser Schritt hat zur Folge, dass das Wandeldarlehen bilanziell bei der Überschuldungsprüfung nicht als Verbindlichkeit zählt, sondern wirtschaftlich wie Eigenkapital behandelt wird. Für das Startup ist das überlebenswichtig: Ohne Rangrücktritt würde ein hohes Wandeldarlehen als Schuld in der Bilanz stehen und könnte unter Umständen eine Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung auslösen, falls kein positiver Fortführungsprognose vorliegt. Der Rangrücktritt verhindert das und gibt dem Startup finanziellen Atmungsspielraum. (Für den Investor heißt es freilich, dass er im Ernstfall erst ganz zum Schluss etwas zurückbekäme – was einem faktischen Verlust gleichkommt, siehe unten zur Insolvenzeinordnung.)
Rechtliche Besonderheiten und Fallstricke: Trotz ihrer Einfachheit sind Wandeldarlehen rechtlich nicht trivial. Wichtig ist vor allem die korrekte Form und Abstimmung mit dem Gesellschaftsrecht, da hier große Fehlerquellen liegen:
- Zustimmung der Gesellschafter: Da ein Wandeldarlehen letztlich in Gesellschaftsanteile münden soll, muss die Gesellschafterversammlung eingebunden werden. Bei einer GmbH erfordert jede Kapitalerhöhung einen Gesellschafterbeschluss mit 75% Mehrheit und notarielle Beurkundung. Ein rein bilateraler Darlehensvertrag zwischen Investor und Gesellschaft bindet die Gesellschafter jedoch nicht automatisch zur Kapitalerhöhung. In der Praxis gibt es zwei Ansätze, um dennoch die Wandlung sicherzustellen: (a) Entweder die bestehenden Gesellschafter fassen vorab einen Beschluss, der die Geschäftsführung ermächtigt, das Wandeldarlehen aufzunehmen und später bis zu einer bestimmten Höhe neue Anteile für die Wandlung auszugeben. Ein solcher Ermächtigungsbeschluss (notariell beurkundet) kann dem Darlehensvertrag als Anlage beigefügt werden und signalisiert dem Investor, dass die Gesellschafter an Bord sind. (b) Oder man wählt einen multilateralen Vertrag, dem neben dem Startup auch alle aktuellen Gesellschafter als Parteien beitreten. Darin verpflichten sich die Gesellschafter bereits vertraglich, im Wandlungsfall die nötige Kapitalerhöhung mitzutragen. Beide Wege stellen sicher, dass der Investor sein Wandlungsrecht auch tatsächlich ausüben kann, ohne von widerspenstigen Altgesellschaftern ausgebremst zu werden. (In der Startup-Praxis wird häufig der erste Weg bevorzugt: ein Gesellschafterbeschluss im Voraus, weil es international üblicher wirkt als die Unterschrift aller Gesellschafter unter dem Darlehensvertrag.)
- Notarielle Formbedürftigkeit: Ein viel diskutiertes Thema ist, ob Wandeldarlehensverträge in notarieller Form abgeschlossen werden müssen, um wirksam zu sein. Grundsätzlich gilt: Darlehensverträge an sich sind formfrei. Aber sobald ein Vertrag Verpflichtungen enthält, die eine Übertragung oder Neuemission von GmbH-Geschäftsanteilen betreffen, können Formvorschriften des GmbH-Gesetzes greifen. § 15 GmbHG verlangt notarielle Beurkundung für Vereinbarungen über die Übertragung von Geschäftsanteilen (einschließlich Verpflichtungsgeschäfte hierzu). Und § 53 Abs. 2 GmbHG schreibt notarielle Beurkundung für satzungsändernde Gesellschafterbeschlüsse (etwa Kapitalerhöhungen) vor.
Ein Aufsehen erregendes Urteil des OLG Zweibrücken aus Mai 2022 stellte sich auf den Standpunkt, dass bestimmte Wandeldarlehen notariell formbedürftig seien. In dem Fall enthielten zwei Wandeldarlehen einer GmbH eine Wandlungspflicht zugunsten eines neuen Investors bei einer zukünftigen Finanzierungrunde sowie die Verpflichtung des Investors, dann neue Anteile zu übernehmen. Das Gericht wertete dies als Übernahmeverpflichtung eines gesellschaftsfremden Dritten, die nach § 55 Abs. 1 GmbHG zumindest einer notariellen Beglaubigung der Unterschrift des Übernehmers bedarf. Zudem äußerte das OLG im obiter dictum Zweifel, ob nicht sogar der gesamte Vertrag notariell beurkundet werden müsste, weil er faktisch eine künftige satzungsändernde Kapitalerhöhung verbindlich vorgreife. Die Konsequenz der Sichtweise: Ohne Notar wäre der Wandeldarlehensvertrag formnichtig (§ 125 BGB). Die Darlehen wären dann rückforderbar gewesen – mit der unschönen Folge, dass der Investor sein Geld sofort als normales Darlehen zurückverlangen könnte, aber kein Umwandlungsrecht mehr hätte. Das hätte den wirtschaftlichen Zweck des Wandeldarlehens vollständig zerstört.
Diese Entscheidung sorgte für erhebliche Unsicherheit in der VC-Branche. Eine höchstrichterliche Klärung steht noch aus: Der BGH hat im April 2023 eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil zurückgewiesen (Az. II ZR 96/22), jedoch nicht in der Sache entschieden, da die Formfrage laut BGH für die Entscheidung im konkreten Fall nicht ausschlaggebend war. Damit blieb die Rechtslage unklar. Die herrschende Meinung vieler Experten lehnt die strenge Sicht des OLG Zweibrücken ab: Ein Wandeldarlehen sei zunächst nur ein Vorvertrag auf eine spätere Kapitalerhöhung, die eigentliche Warn- und Kontrollfunktion des Notars greife erst bei der tatsächlichen Kapitalerhöhung. Dennoch lautet der Praxistipp derzeit: Vorsicht walten lassen! Startups und Investoren sollten Wandeldarlehensverträge äußerst sorgsam gestalten und im Zweifel formell absichern. Konkret empfiehlt es sich, Unterschriften zumindest notariell beglaubigen zu lassen, wenn Wandlungspflichten vereinbart werden. Zudem kann ein separater notarieller Gesellschafterbeschluss (wie oben erwähnt) das Risiko mindern. Auf eine vollständige Beurkundung des Vertrags verzichten viele zwar bewusst, um Zeit und Kosten zu sparen – doch diese Abwägung sollte nur nach anwaltlicher Beratung und Kenntnis der Risiken erfolgen. Insbesondere wenn der Vertrag weitere gesellschaftsrechtliche Klauseln enthält (z.B. Verpflichtung zum Beitritt zu einer Gesellschaftervereinbarung mit Drag-along-Pflichten, also künftigen Verkaufsverpflichtungen), kann Beurkundungspflicht bestehen. Ein Verstoß würde die entsprechende Klausel oder sogar den ganzen Vertrag nichtig machen.
- Steuerliche und bilanzielle Aspekte: In der Umsetzung ist darauf zu achten, dass die Wandlung technisch sauber erfolgt. Üblich ist die Wandlung durch Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage – allerdings nicht durch Einbringung des Darlehens als klassische Sacheinlage (das würde Bewertung und ggf. Prüfer erfordern), sondern durch eine Gestaltung: Der Investor übernimmt neue Anteile zum Mindestnennwert in bar (z.B. 1 € pro Anteil) und verrechnet den Darlehensrückzahlungsanspruch als Agio (Aufgeld), das in die Kapitalrücklage fließt. So wird das Darlehen effektiv ins Eigenkapital überführt, ohne komplizierte Bewertungsgutachten. Wichtig ist, dass dies erst bei Wandlung passiert – bis dahin bleibt das Darlehen bilanztechnisch Fremdkapital (ggf. mit Rangrücktritt, wodurch es bei Überschuldungsprüfung ausgeblendet werden kann). Für Gründer ist zudem relevant: Aufgrund der steuerlichen Regelungen sollte der Vertrag klarstellen, dass die Zuführung des SAFE- oder Darlehensbetrags nicht sofort als Eigenkapital gilt, sondern erst mit der Wandlung in Anteile in die Kapitalrücklage eingestellt wird. So vermeiden sie, dass ein zinsloses Darlehen womöglich als steuerbarer Ertrag interpretiert wird.
Typische Einsatzbereiche: Wandeldarlehen sind ideal, um schnell Liquidität zu erhalten, wenn eine große Finanzierungsrunde (z.B. Series A) noch nicht spruchreif ist. Häufig werden sie eingesetzt:
- als Überbrückungsfinanzierung (Bridge-Loan), um die Zeit bis zur nächsten Eigenkapitalrunde zu überbrücken,
- in Seed-Phasen, wenn Business Angel investieren, aber alle Beteiligten die Bewertung erst bei Einstieg eines größeren VC festlegen wollen,
- oder auch im Krisenfall, wenn kurzfristig Geld benötigt wird, aber eine Bewertung gerade schwierig ist (z.B. weil die Umsätze noch volatil sind).
Der große Vorteil ist die Flexibilität: Die Verhandlungen konzentrieren sich auf wenige ökonomische Kernpunkte (Zins, Discount, Cap) und nicht auf komplexe gesellschaftsrechtliche Terms. Außerdem bleibt die Gesellschafterstruktur vorerst unverändert – der Investor taucht erst bei Wandlung offiziell als Anteilseigner auf. Das kann wichtig sein, um z.B. Fördermittel nicht zu gefährden oder Entscheidungsprozesse schlank zu halten. Im Erfolgsfall (nächste Runde kommt zustande) wird der Darlehensgeber dann praktisch nahtlos zum Mitgesellschafter. Sollte es wider Erwarten keine Folgerunde geben, kann das Darlehen je nach Vereinbarung fällig werden – daher ist aus Investorsicht zumindest eine klare Exit-Strategie im Vertrag wichtig (sei es Rückzahlung oder eine alternative Wandlungsklausel bei Laufzeitende).
SAFE-Agreement – „Simple Agreement for Future Equity“
Was ist ein SAFE? Das SAFE ist ursprünglich ein US-amerikanisches Konzept, entwickelt 2013 vom Y Combinator, und bedeutet wörtlich ein „einfaches Abkommen auf zukünftiges Eigenkapital“. Im Kern ist ein SAFE eine spezielle Art Wandeldarlehen ohne Laufzeit und ohne Zinsen. Der Investor zahlt dem Startup Kapital und erhält im Gegenzug das Recht, dieses Kapital später in Anteile umzuwandeln – jedoch: Im Unterschied zum klassischen Wandeldarlehen gibt es keinen festen Rückzahlungstermin und in der Regel keinen Zinsanspruch. Das SAFE läuft auf unbestimmte Zeit und wird nur bei Eintritt bestimmter definierter Ereignisse relevant. Im Grunde nimmt das Startup also kapitalähnliche Mittel auf, ohne dem Investor bis auf das Wandlungsrecht konkrete Forderungen zu geben.
Mechanismus und Wandlungsereignisse: Die Vertragsbedingungen eines SAFE ähneln denen eines Wandeldarlehens, jedoch mit einigen entscheidenden Abweichungen:
- Keine Fälligkeit ohne Ereignis: Ein SAFE sieht keine automatische Wandlung nach Zeitablauf vor. Das bedeutet: Wenn die im Vertrag vorgesehenen Auslöse-Ereignisse nie eintreten, bleibt das SAFE bestehen – theoretisch endlos. Aus Sicht des Startups ist das attraktiv, denn man muss keine Rückzahlung „auf Vorrat“ einplanen. Für den Investor heißt es allerdings, dass sein Geld potentiell sehr lange ohne Gegenleistung im Unternehmen gebunden ist (was einem Totalausfall gleichkommt, falls nie eine Wandlung erfolgt).
- Wandlung nur bei bestimmten Triggern: Typische Trigger-Events in einem SAFE sind zum einen eine größere Eigenkapital-Finanzierungsrunde (ähnlich dem Wandeldarlehen) und zum anderen ein Exit-Ereignis. Tritt eine neue Finanzierungsrunde ein – häufig definiert als Investment von z.B. mindestens 1 Mio € durch externe Investoren – dann wird das SAFE automatisch in Geschäftsanteile umgewandelt. Dabei greifen wie beim Convertible die vereinbarten Bewertungsrabatte oder Caps, damit der SAFE-Investor einen vorteilhaften Einstiegspreis erhält. Im Unterschied zum Darlehen gibt es selten ein Wahlrecht: meist muss gewandelt werden, sobald die qualifizierte Runde kommt. Kommt es stattdessen zu einem Unternehmensverkauf oder IPO (Liquidity Event), sehen viele SAFE-Verträge vor, dass keine Wandlung mehr erfolgt. Stattdessen kann der Investor verlangen, ausgezahlt zu werden – oft in Höhe seines investierten Betrags (manchmal zuzüglich eines Bonus oder Zinsersatzes). So wird er gestellt, als hätte er bereits Anteile gehabt und würde nun verkaufen. Wichtig: Ist im Verkaufsfall die Auszahlungssumme begrenzt und das Unternehmen wird nur für einen geringen Betrag verkauft, kann es sein, dass der SAFE-Investor weniger zurückerhält als er investiert hat (wenn die Vertragssumme anteilig gekürzt wird). In jedem Fall ist er nachrangig gegenüber regulären Gläubigern. Diese Regeln ähneln also einer Art stiller Beteiligung.
- Keine Zinsen, keine festen Coupons: Ein SAFE ist zinslos. Dadurch entfällt die laufende Verzinsung, was dem Startup Liquidität spart. Der „Return“ für den Investor ergibt sich ausschließlich aus dem Rabatt oder Wertzuwachs bei der späteren Anteilsausgabe.
Vertragsgestaltung im deutschen Recht: Obwohl das SAFE-Konzept einfach klingt, bereitet die Umsetzung im deutschen Rechtsrahmen einige Herausforderungen. Es existiert keine gesetzliche Definition eines SAFE – de facto muss man sich mit vorhandenen Rechtsfiguren behelfen. Meist wird ein SAFE vertraglich als nachrangiges Darlehen besonderer Art konstruiert, mit der Maßgabe, dass keine Rückzahlung verlangt werden kann, außer in bestimmten Fällen. Wichtige Punkte sind:
- Kein Rückzahlungsanspruch: Anders als ein normales Darlehen gibt ein typisches SAFE dem Investor keinen Anspruch auf Rückzahlung seines Kapitals, solange kein Wandlungs- oder Liquiditätsereignis eintritt. Das bedeutet: Scheitert das Startup oder tritt über längere Zeit kein qualifiziertes Ereignis ein, hat der Investor vertraglich keine Handhabe, sein Geld zurückzufordern. Im Extremfall geht das Investment vollständig verloren. Juristisch ist dies ungewöhnlich, da ein Darlehen ohne Rückzahlungsverpflichtung eher einer Eigenkapitalüberlassung ähnelt. Daher ist es wichtig, diesen Charakter klar zu regeln – insbesondere, um auch aufsichtsrechtliche Fragen zu klären (z.B. könnte ein „Rückzahlungsversprechen“ anderenfalls als Einlagengeschäft gelten, was für das Startup eine BaFin-Lizenzpflicht auslösen könnte). Durch den fehlenden festen Rückzahlungsanspruch und einen qualifizierten Rangrücktritt wird jedoch sichergestellt, dass kein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft vorliegt – schließlich ist die Rückzahlung nicht unbedingt und jederzeit fällig, sondern nur nachrangig und an Bedingungen geknüpft.
- Schuldrechtliche Beteiligungsrechte: Da SAFE-Investoren zunächst keine Gesellschafter sind, besitzen sie weder Stimmrechte noch gesetzliche Auskunftsrechte wie ein GmbH-Gesellschafter. Um ihr Investment dennoch abzusichern, werden im SAFE-Vertrag vertragliche Rechte vereinbart, die einer stillen Beteiligung ähneln. Dazu zählen häufig Informationsrechte (ähnlich wie beim Wandeldarlehen regelmäßige Reports, Einsichtsrechte) und mitunter Zustimmungsvorbehalte bei kapitalrelevanten Entscheidungen. Beispielsweise könnte festgelegt sein, dass das Startup ohne Zustimmung des SAFE-Investors keine weiteren SAFE-Vereinbarungen oder Wandeldarlehen über einer bestimmten Summe abschließt, keine Dividenden ausschüttet oder keine neuen Geschäftsanteile ausgibt (außer im Rahmen der qualifizierten Runde) – all dies, um die künftige Beteiligungsquote des SAFE-Investors nicht zu verwässern oder sein Recht zu unterlaufen. Allerdings sind SAFE-Investoren meist kleinere Beträge eingehende Frühphaseninvestoren, sodass übermäßige Vetos unüblich sind; oft begnügen sie sich mit MFN-Klauseln (falls später ein anderer Investor ein besseres Angebot bekommt, wird das SAFE entsprechend nachgebessert). Wichtig ist in jedem Fall klare Regelung, damit der SAFE-Investor nicht ungewollt Rechte eines vollwertigen Gesellschafters ausübt – das könnte ggf. als Umgehung des gesetzlichen Schutzes der GmbH-Anteile angesehen werden.
- Wandlung und Kapitalerhöhung: Wie beim Wandeldarlehen kann eine automatische Wandlung im deutschen GmbH-Recht nicht ohne Weiteres stattfinden. Es bedarf immer eines Gesellschafterbeschlusses zur Kapitalerhöhung. Die SAFE-Dokumentation muss dies berücksichtigen. Praktisch bedeutet das: Bei Eintritt des Wandlungsereignisses (z.B. einer neuen Finanzierungsrunde) muss die GmbH die Kapitalerhöhung ordnungsgemäß beschließen und notariell beurkunden – es sei denn, es handelt sich um eine andere Rechtsform mit vorbereitetem Kapital (bei einer AG könnte z.B. bedingtes Kapital oder genehmigtes Kapital genutzt werden). Da Startups meistens GmbHs sind, empfiehlt es sich, vorab eine Zustimmung der Altgesellschafter einzuholen. Wie beim Wandeldarlehen kann dies per vorweggenommenem Gesellschafterbeschluss geschehen, der die spätere Ausgabe der entsprechenden Anteile gestattet. Dieser Beschluss kann auch gleich Mehrfach-SAFEs abdecken (etwa Zustimmung, SAFEs bis zu einem Gesamtbetrag X abzuschließen). Alternativ könnten alle Gesellschafter den SAFE mitunterzeichnen – was aber in internationalen Investorenkreisen ungewohnt ist und daher selten verlangt wird. Der Beschlussweg ist eleganter und sollte notariell beurkundet sein, um seine Wirksamkeit zu sichern.
- Preferred Shares und deutsche GmbH: SAFE-Vorlagen aus den USA gehen oft von der Ausgabe von Preferred Shares (bevorzugten Anteilen, z.B. mit Vorzugsrechten bei Exit) aus. Das deutsche GmbH-Recht kennt jedoch kein genau entsprechendes Konzept von Preferred Stock. Zwar kann man in der GmbH verschiedene Geschäftsanteilsklassen mit unterschiedlichen Rechten schaffen, oder Genussrechte nutzen, doch all das erfordert detaillierte Satzungsregelungen. Ein SAFE-Vertrag muss daher in der deutschen Fassung ggf. darauf verzichten, echte Preferred Shares zu versprechen. Stattdessen könnte man zusichern, dass der Investor im Wandlungsfall eine mit den neuen VC-Investoren gleichwertige Position erhält – praktisch also die gleichen Vorzugsrechte, die in der anstehenden Finanzierungsrunde ausgehandelt werden, vertraglich oder satzungsmäßig auch auf die SAFE-Anteile anzuwenden. Hier ist sorgfältige Abstimmung nötig, damit der SAFE-Investor nicht benachteiligt oder bevorzugt wird, ohne dass es rechtlich haltbar geregelt ist.
- Rangrücktritt und Insolvenz: Obwohl das SAFE keinen festen Rückzahlungsanspruch hat, wird meist dennoch vorsorglich ein qualifizierter Rangrücktritt vereinbart. Das erscheint paradox, aber der Hintergrund ist folgender: Solange das SAFE noch vor Wandlung bilanziell als Fremdkapital eingeordnet wird (viele bilanzieren es mangels anderer Kategorie als Verbindlichkeit), könnte es theoretisch eine Überschuldung begründen. Durch den Rangrücktritt erklärt der Investor verbindlich, dass seine Forderung (soweit überhaupt eine besteht) nachrangig ist und im Insolvenzfalle oder bei Liquidation erst nach allen regulären Gläubigern bedient wird. Damit wird gemäß § 19 InsO die Forderung bei der Überschuldungsprüfung ausgeblendet. Außerdem – wie oben erwähnt – verhindert ein Nachrang, dass die BaFin das Geschäft als erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft ansieht, denn eine unbedingte Rückzahlbarkeit des Kapitals liegt gerade nicht vor. Kurz gesagt: Der Rangrücktritt ist auch im SAFE ein Must-have, um regulatorisch und insolvenzrechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Für den Investor ändert dies wenig – er hat sowieso keinen Vorrang vor anderen Gläubigern vereinbart, der Nachrang bekräftigt nur seinen Eigenkapital-ähnlichen Status.
- Rechtswahl und ausländische Vorlagen: Da SAFEs aus den USA stammen, kommt es vor, dass US-Investoren auf Verwendung der bekannten Y Combinator-Vorlage drängen. Hier ist Vorsicht geboten: Eine Rechtswahl zugunsten US-Recht bei einer deutschen GmbH wird in der Regel nicht zulässig bzw. höchst problematisch sein, weil vieles zwingend deutschem Gesellschaftsrecht unterliegt (z.B. die Kapitalerhöhung). Daher sollte im SAFE stets deutsches Recht als anwendbar vereinbart werden. Die US-Muster müssen übersetzt und inhaltlich angepasst werden (z.B. Streichung automatischer Wandlung ohne Beschluss, Anpassung der Exit-Regelungen, Streichung exotischer Klauseln wie Steuer-Characterization als „Common Stock“ im Voraus). All das erfordert juristische Feinarbeit – einfach die PDF aus dem Internet nehmen und Namen einsetzen, wäre grob fahrlässig.
Vorteile und Nachteile eines SAFE: Aus Gründersicht bietet ein SAFE einige Vorteile: Es ist schnell und flexibel wie ein Wandeldarlehen, aber noch gründungsfreundlicher, weil weder Zinsen noch feste Rückzahlung das Unternehmen belasten. Liquidität bleibt im Startup, bis entweder eine erfolgreiche Runde kommt (dann stört die Wandlung nicht, weil neues Kapital hineinkommt) oder das Startup scheitert (dann ist ohnehin nichts zurückzuzahlen). Auch die oft angeführte Tatsache, dass keine sofortige Bewertung nötig ist, klingt attraktiv. Allerdings muss man darauf achten, dass durch Discount und Cap faktisch doch eine implizite Bewertung vereinbart wird. Gründer neigen manchmal dazu, zu großzügige Caps zu akzeptieren, was bedeutet, dass sie im Wandlungsfall viel mehr Anteile abgeben als gedacht – quasi eine verdeckte Vorwegnahme der Bewertung. Hier ist also Vorsicht geboten.
Aus Investorsicht ist das SAFE zweischneidig: Einerseits entfallen Zinsen und eine konkrete Fälligkeit – der Investor kann das Startup nicht in Bedrängnis bringen, selbst wenn er wollte. Andererseits trägt er ein hohes Risiko, da sein Kapital im Worst Case komplett untergeht. Es fehlt der „Druck“, den ein endfälliges Darlehen ausübt, um entweder eine neue Runde zu suchen oder zurückzuzahlen. Entsprechend werden SAFEs oft von investorenseitigem Vertrauen begleitet – man glaubt fest an den Erfolg des Startups. Für professionelle VC-Investoren sind SAFEs daher weniger attraktiv, da sie gerne klare Fristen und Pflichten sehen. Häufig kommen SAFEs eher bei Business Angels, Acceleratoren oder ausländischen Frühphaseninvestoren zum Einsatz, die das Modell aus den USA kennen. Für größere Summen oder längere Zeiträume möchten viele Investoren dann doch lieber eine strukturiertere Lösung (Convertible mit Zins/Maturität oder gleich Equity). Ein weiterer Nachteil für Investoren: Zwischen Investment und Wandlung stehen ihnen keine Gesellschafterrechte zu. Das bedeutet, sie haben zunächst kein Mitspracherecht und keinen Sitz am Tisch – anders als ein Investor, der sofort Anteile zeichnet und z.B. einen Beiratsposten erhält. Wer als Gründer SAFE-Kapital aufnimmt, sollte sich daher bewusst sein, dass dieser Investor bis zur Wandlung eher im Hintergrund bleibt (was positiv sein kann), aber auch weniger Bindung zum Unternehmen entwickelt.
Praxis in Deutschland: In der deutschen Startup-Praxis waren Wandeldarlehen lange vorherrschend; SAFEs gewinnen aber an Bekanntheit. Insbesondere seit ca. 2020/21 sieht man vermehrt SAFE-ähnliche Konstrukte, oft inspiriert durch US-Investoren. Es existieren sogar Muster, die von lokalen Kanzleien angepasst wurden. Dennoch gibt es bislang keine veröffentlichte deutsche Rechtsprechung zu SAFEs. Das heißt, viele der Annahmen (etwa zur Wirksamkeit bestimmter Klauseln) sind noch theoretisch. Die Beteiligten bewegen sich in einem gewissen Graubereich, der aber durch analoge Anwendung der Regeln für Wandeldarlehen und Nachrangdarlehen aufgefüllt wird. In der Insolvenz eines Startups wird ein SAFE faktisch wie ein nachrangiger Gesellschafter-Beitrag behandelt – ein Insolvenzverwalter würde den SAFE-Investor wohl ähnlich einstufen wie einen stillen Teilhaber, der erst nach allen Gläubigern zum Zug käme (falls überhaupt etwas übrig ist). Für Gründer kann die Unsicherheit in der Rechtsanwendung ein kleiner Nachteil sein; umso wichtiger ist eine saubere Vertragsgestaltung durch erfahrene Juristen, damit im Streitfall klare Vereinbarungen vorliegen.
Kapitalerhöhung gegen Anteile – klassische Equity-Finanzierung
Das dritte Instrument der Frühphasenfinanzierung ist die direkte Eigenkapitalaufnahme durch Ausgabe neuer Unternehmensanteile. Hierbei investiert der Geldgeber nicht als Kreditgeber, sondern wird unmittelbar Gesellschafter. Im deutschen Kontext bedeutet dies meist: Kapitalerhöhung bei einer GmbH (oder UG) gegen Einlage des Investors. Dieses Verfahren unterscheidet sich grundlegend von Wandeldarlehen und SAFE, da es formell dem Gesellschaftsrecht folgt und der Investor vom ersten Moment an Miteigentümer mit allen Rechten und Pflichten wird.
Rechtliche Anforderungen und Ablauf: Eine Kapitalerhöhung in einer GmbH ist formalaufwendig und gesetzlich streng geregelt. Die wichtigsten Schritte und Anforderungen sind:
- Gesellschafterbeschluss und Notar: Zunächst müssen die bestehenden Gesellschafter einer Kapitalerhöhung zustimmen. Ein Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals und die Ausgabe neuer Geschäftsanteile bedarf einer qualifizierten Mehrheit (in der Regel 3/4 der abgegebenen Stimmen) und muss notariell beurkundet werden (§ 53 Abs. 2 GmbHG). Die Beteiligungsquote jedes neuen Geschäftsanteils und ggf. neuer Geschäftsanteilsklassen werden in diesem Beschluss festgelegt. Der Notar protokolliert den Beschluss und stellt damit sicher, dass alle gesetzlichen Anforderungen eingehalten sind.
- Übernahme der Anteile durch den Investor: Der Investor (Übernehmer) muss die neuen Anteile zeichnen. Gemäß § 55 Abs. 1 GmbHG ist die Übernahmeerklärung für neue Geschäftsanteile entweder notariell zu beurkunden oder zumindest die Unterschrift notariell zu beglaubigen. In der Praxis wird dies häufig direkt in der notariellen Beschlussurkunde kombiniert: Der Investor erklärt vor dem Notar, dass er die im Beschluss genannten neuen Anteile übernimmt und die entsprechenden Einlagen einzahlt.
- Einzahlung und Stammkapitalerhöhung: Der Investor zahlt den vereinbarten Betrag ein. Bei einer Bargründung muss mindestens der Teil des Betrags, der dem Stammkapital entspricht, auf das Konto der Gesellschaft eingezahlt werden (idR 100% bei Barkapitalerhöhung; bei Sacheinlage wäre ein anderes Verfahren nötig, inkl. Bewertung). Beträge über den Nennwert hinaus gehen in die Kapitalrücklage (Agio). Ein Beispiel: Ein Investor zahlt 500.000 € für 20% der Anteile einer GmbH mit bisher 25.000 € Stammkapital. Dann könnte das Stammkapital z.B. um 5.000 € erhöht werden (neuer Nennbetrag), und die restlichen 495.000 € sind Agio. Der Nominalbetrag fließt ins Stammkapital, das Agio in die Rücklagen. So wird der Unternehmenswert abgebildet, ohne das Stammkapital unnötig aufzublähen.
- Änderung des Gesellschaftsvertrags: Die Kapitalerhöhung bedingt meist eine Änderung des Gesellschaftsvertrags (Stammkapital, Gesellschafterliste mit neuen Anteilen). Diese Änderung wird ebenfalls vom Notar beurkundet (oft im selben Vorgang) und später zum Handelsregister angemeldet. Der Notar übernimmt in der Regel auch die Anmeldung der Kapitalerhöhung und Gesellschafteränderung zum Handelsregister, die für die Wirksamkeit gegenüber Dritten relevant ist. Erst mit Eintragung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister ist der Vorgang abgeschlossen – bis dahin ist der Beschluss schwebend wirksam und die Einlage typischerweise auf einem Treuhandkonto.
- Nebenabreden – Beteiligungsvertrag: Parallel zum formellen Akt der Kapitalerhöhung schließen Gründer, Altgesellschafter und der neue Investor meist einen Beteiligungsvertrag bzw. Shareholders’ Agreement ab. Darin werden die Rechte des Investors näher ausgestaltet, die über das Gesetz hinausgehen. Typische Regelungsinhalte sind z.B.: Stimmrechtsvereinbarungen (etwa Vetorechte des Investors bei wichtigen Entscheidungen, Zustimmungskatalog), Drag-along/Tag-along-Klauseln (Regelungen für den Ausstieg: der Investor kann die Gründer zwingen mitzuverkaufen bzw. umgekehrt), Vorkaufsrechte bei Anteilsverkäufen, Nicht-Veräußerungsbindungen (Lock-up für Gründeranteile), Liquidationspräferenzen (sofern in der GmbH umsetzbar, z.B. über Vorzugsrechte bei Gewinnverteilung) und Anti-Dilution-Klauseln für den Fall späterer günstigerer Kapitalrunden. Dieser Vertrag ist privatschriftlich möglich, muss aber mit dem Gesellschaftsvertrag abgestimmt sein. Enthält er verpflichtende Klauseln zur künftigen Abtretung von Anteilen (z.B. Drag-along mit Verkaufspflicht), so unterliegen diese speziellen Klauseln wiederum der notariellen Form nach § 15 GmbHG. In der Praxis wird entweder der gesamte Beteiligungsvertrag notariell beurkundet (was Aufwand und Kosten erhöht), oder man beschränkt verbindliche Anteilsübertragungspflichten auf den notariellen Gesellschaftsvertrag. Beispielsweise kann man eine Vorzugsgewinnverteilung oder Liquidationspräferenz direkt im Gesellschaftsvertrag verankern, der ja ohnehin beurkundet werden muss – so hat man die gewünschte Wirkung formwirksam. In jedem Fall bedeutet eine Equity-Finanzierung, dass umfangreiche juristische Dokumentation anfällt, um alle Aspekte der neuen Beteiligungsverhältnisse zu regeln.
Vor- und Nachteile der direkten Equity-Finanzierung:
- Vorteile: Für den Investor ist der Erwerb echter Anteile oft das Ziel aller Bemühungen – er wird Miteigentümer mit vollem Stimmrecht, kann Einfluss im Unternehmen ausüben (z.B. Sitz im Beirat/Aufsichtsrat vereinbaren) und partizipiert direkt an Wertsteigerungen und Gewinnen. Aus Sicht des Startups hat man mit einem Equity-Investor langfristige Planungssicherheit: Das Kapital ist echtes Eigenkapital, das nicht zurückgezahlt werden muss. Es entfällt die Unsicherheit einer künftigen Wandlung oder Fälligkeit – der „Kelch“ der Rückzahlung geht an der GmbH vorbei. Zudem bringt ein engagierter Investor oft Know-how, Netzwerk und Prestige mit. Die Zusammenarbeit kann intensiver sein, weil der Investor als Gesellschafter motiviert ist, den Unternehmenswert zu steigern (nicht nur sein Darlehen verzinst zurückzubekommen). In vielen Fällen verlangen größere Venture-Capital-Investoren ohnehin echte Anteile, da sie nur so alle notwendigen Investorenschutzrechte (Stimmrechte, Stimmrechtsvereinbarungen, etc.) effektiv umsetzen können.
- Nachteile: Die klassische Kapitalerhöhung ist zeit- und kostenintensiver. Jeder Schritt – vom Verhandeln der Unternehmensbewertung, über die Due Diligence des Investors, bis zur Erstellung der Verträge und dem Gang zum Notar – kostet Ressourcen. Notarkosten sind nach Gebührenordnung an den Geschäftswert gekoppelt, bei größeren Investitionssummen können hier leicht ein paar tausend Euro anfallen. Auch die Rechtsberatungskosten sind höher, weil die Vertragswerke komplexer sind (Gesellschaftsvertrag, Beteiligungsvertrag, ggf. Nebenvereinbarungen). Für Gründer bedeutet die sofortige Aufnahme eines neuen Gesellschafters auch, Mitspracherechte abzugeben und oft gewisse Beschränkungen hinzunehmen. Außerdem muss eine Unternehmensbewertung gefunden werden, was gerade in der Frühphase schwierig und konfliktträchtig sein kann – bewertet man zu hoch, vergrault man Investoren; zu niedrig, verwässert man selbst stark die eigenen Anteile. In Summe ist die Equity-Finanzierung ein großer Schritt, der gut überlegt und vorbereitet sein will.
Typische Einsatzbereiche: Aufgrund der genannten Nachteile wird eine sofortige Kapitalerhöhung oft erst bei größeren Finanzierungsrunden gewählt, wenn ein Lead-Investor einsteigt und mehrere Millionen Euro investieren möchte (klassisch Series A und später). In solchen Fällen ist das Unternehmen meist schon etwas gereift: Es gibt belastbarere Zahlen, die eine Bewertung rechtfertigen, und der Investor möchte erheblichen Einfluss und klare Verhältnisse – das geht nur über echte Anteile. Auch bei strategischen Investoren (z.B. ein Corporate Investor aus der Industrie) oder öffentlichen Beteiligungsgesellschaften wird häufig direkt in Equity investiert, da diese ungern über Umwege (Darlehen) gehen. In frühen Stadien (Pre-Seed, kleine Seed-Runden) hingegen scheuen viele Gründer die formale Kapitalerhöhung – hier greifen sie lieber zu Wandeldarlehen oder SAFEs, um Zeit zu sparen und die lästige Notarprozedur zu umgehen, bis das Geschäftsmodell validiert ist. Dennoch: Wenn z.B. Freunde und Familie Kapital geben, kann es vorkommen, dass man sie gleich als Gesellschafter aufnimmt (direkte Beteiligung), da die Summen klein sind und man eine persönliche, vertrauensvolle Basis hat. Jedes Startup muss also abwägen: Ist der Mehrwert eines echten Gesellschafters (inklusive des Kapitals, aber auch Know-hows) den Aufwand wert, oder fährt man besser mit einem flexibleren Instrument und verschiebt den „großen Wurf“ auf später?
Vergleich der Instrumente je nach Finanzierungssituation
Nicht jedes Instrument passt zu jeder Situation. Gründer sollten je nach Phase und Bedarf abwägen, welche Vor- und Nachteile ins Gewicht fallen:
- Schnelle Überbrückung ohne Bewertung: Steht kurzfristig die Liquidität auf dem Spiel oder soll ein kleinerer Betrag eingesammelt werden, um bis zum nächsten Meilenstein zu kommen, sind Wandeldarlehen oder SAFE meist die bessere Wahl. Beide erlauben es, in Tagen statt Wochen an Kapital zu kommen – der Vertrag kann inhaltlich schlank gehalten und ohne Notar geschlossen werden. Außerdem vermeidet man zu diesem frühen Zeitpunkt eine Unternehmensbewertung, die möglicherweise in ein paar Monaten schon überholt wäre. Insbesondere wenn man bereits mit interessierten VC-Investoren über eine größere Runde spricht, aber sofort Barmittel braucht, ist ein Wandeldarlehen ideal: Es überbrückt die Zeit und wird in der kommenden Runde bequem umgewandelt. Ein SAFE kann ebenfalls eingesetzt werden, vor allem wenn es um sehr gründerfreundliche Konditionen geht (kein Zins, keine Fälligkeit). Allerdings sollten Gründer hier nur Beträge aufnehmen, die sie im Worst Case verschmerzen können – denn SAFE-Investoren können später enttäuscht sein, falls die Wandlung lange auf sich warten lässt. Aus Investorensicht ist ein Wandeldarlehen mit fester Laufzeit manchmal vorzuziehen, da es das Startup diszipliniert, rechtzeitig die nächste Runde einzuleiten oder eine Lösung zu finden (sonst müsste es zurückzahlen). In der Praxis werden viele SAFE-ähnliche Vereinbarungen daher mit einer langen „Longstop“-Frist versehen, etwa 18–24 Monate, nach der dann doch eine Wandlung oder ein Gespräch über Rückzahlung stattfinden soll – auch wenn es nominal keinen Endtermin gibt.
- Seed-Finanzierung mit unsicherer Bewertung: Gerade in der frühen Seed-Phase, wenn Produkt und Markt noch nicht voll valide sind, bieten sich Wandeldarlehen/SAFEs an, um Investoren ins Boot zu holen, ohne gleich über Anteile zu verhandeln. Das hält die Transaktionskosten niedrig und verhindert, dass Gründer bei einer womöglich zu niedrigen anfänglichen Bewertung zu viel Equity abgeben. Man kauft sich Zeit, bis belastbarere Kennzahlen eine fairere Bewertung erlauben. Viele bekannte Startups in Deutschland haben ihre allerersten Angel-Investments über Wandeldarlehen strukturiert – schnell, unkompliziert und jeder konzentriert sich auf die Entwicklung des Geschäfts, nicht auf Vertragsverhandlungen.
- Größere Runde mit Lead-Investor (Series A/B): Sobald ein institutioneller Investor (VC-Fonds, Corporate VC etc.) und ein größerer Kapitalbetrag (~1 Mio € und aufwärts) ins Spiel kommen, führt an einer klassischen Kapitalerhöhung kaum ein Weg vorbei. Der Investor wird darauf bestehen, echte Anteile zu erhalten und im Gesellschaftsvertrag verankerte Rechte. Wandeldarlehen gelten hier eher als Notlösung, wenn die Bewertung stark umstritten ist – selbst dann würde ein VC eher einen Convertible mit Cap nutzen, der dann in einer größeren Ko-Runde wandelt. Die Series A ist zumeist der Zeitpunkt, wo alle bis dato ausgestellten Wandeldarlehen und SAFEs konsolidiert und gewandelt werden. Das bedeutet, das Startup sollte im Blick haben, wie sich die Summe dieser Konvertierungen auf die neue Beteiligungsstruktur auswirkt. In großen Finanzierungsrunden müssen die Altgesellschafter und neuen Investoren ohnehin an den Tisch, sodass man gleich reinen Tisch machen kann: eine aufwendige, aber vollständige Neuordnung der Gesellschafterstruktur. Vorteil: Danach gibt es keine schwebenden Ansprüche mehr, alles ist in Equity umgewandelt, was zukünftige Investoren begrüßen (eine „aufgeräumte“ Cap Table). Nachteil: Gründer erleben hier oft erst die volle Verwässerung kumulierter Wandeldarlehen/SAFEs, was manchmal zu bösen Überraschungen führt, wenn vorher Caps übersehen wurden oder Zinsen sich angesammelt haben. Umso wichtiger ist Transparenz und vorherige Beratung.
- Brückenfinanzierung in Krisenzeiten: In wirtschaftlich schwierigen Phasen (z.B. der Investor für die nächste Runde springt ab, oder ein externer Schock tritt ein) können bestehende Gesellschafter oder neue Geldgeber via Wandeldarlehen rasch helfen. Ein SAFE wäre hier weniger sinnvoll, weil es unklar wäre, wann/ob überhaupt eine Wandlung passiert – meist setzt man in Krisenfällen einen kurzen Zeithorizont und ggf. straffere Bedingungen (z.B. reduzierter Cap, höherer Zins), um das Risiko abzubilden. Auch öffentliche Hilfsprogramme (wie in der Corona-Zeit) haben Wandeldarlehen genutzt, weil diese flexibel gestaltbar und kompatibel mit späteren Investoreneinstiegen sind.
- Anzahl der Investoren und Struktur: Wenn man nur einen Investor hat, kann man theoretisch jedes Instrument nutzen. Sobald aber viele kleine Investoren beteiligt werden sollen (z.B. Crowdinvesting oder Family & Friends-Runden), wird die Equity-Lösung unpraktisch, da man nicht Dutzende neue Gesellschafter aufnehmen will. Hier werden oft Wandeldarlehen eingesetzt, um die Gruppe von Kleininvestoren gebündelt später eventuell über einen Treuhänder oder ein Vehikel in die Gesellschafterliste aufzunehmen. Bei Crowdinvesting kommen rechtlich oft Nachrangdarlehen zum Einsatz – dem SAFE ähnlich – um eine Prospektpflicht zu umgehen und nicht tausende Minigesellschafter zu erzeugen. Für Gründer ist es daher wichtig zu planen: Wer investiert und wie viele? Wie lange soll der Personenkreis an Bord bleiben? Je diverser und kurzfristiger, desto eher Darlehen/SAFE; je gezielter und langfristiger ein Investor, desto eher Equity.
Zusammengefasst eignen sich Wandeldarlehen hervorragend, um im Frühstadium Zeit zu gewinnen und Transaktionskosten zu sparen, während Eigenkapital-Finanzierungen unverzichtbar sind, wenn es um größere Summen und formale Beteiligungen geht. SAFE-Agreements nehmen eine Zwischenstellung ein – sie sind besonders gründerfreundlich und investorennachrangig, eignen sich aber vor allem für sehr frühe, vertrauensbasierte Investments und müssen in Deutschland mit Bedacht angepasst werden.
Insolvenzrechtliche Einordnung der Instrumente
Ein kritischer Aspekt, der bei Finanzierungsentscheidungen oft übersehen wird, ist die unterschiedliche Behandlung im Insolvenzfall. Gerade für Geschäftsführer ist es wichtig, die Bilanz- und Insolvenzauswirkungen zu kennen, um Haftungsrisiken (Stichwort Insolvenzverschleppung) vorzubeugen.
- Wandeldarlehen: Bis zur Wandlung gilt das Wandeldarlehen als Fremdkapital (Verbindlichkeit) des Startups. Ohne besondere Vereinbarungen müsste der Darlehensgeber im Insolvenzfall wie ein normaler Gläubiger behandelt werden. Allerdings wird in nahezu allen Wandeldarlehen ein qualifizierter Rangrücktritt vereinbart. Dieser bewirkt, dass die Forderung des Investors im Insolvenzverfahren nachrangig ist (§ 39 InsO) und insbesondere bei der Überschuldungsprüfung (§ 19 InsO) unberücksichtigt bleibt. Praktisch heißt das: Solange das Unternehmen noch Aussicht auf Fortführung hat, muss die Darlehenssumme nicht als „Schuldenberg“ gewertet werden – die Insolvenzantragspflicht kann also durch einen Rangrücktritt oft abgewendet werden, sofern keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Sollte es dennoch zur Insolvenz kommen, steht der Wandeldarlehensgeber hinten an: Erst wenn alle vorrangigen Gläubiger (Banken, Lieferanten, etc.) vollständig befriedigt sind, käme er an die Reihe – was in aller Regel bedeutet, dass er leer ausgeht. Ohne Rangrücktritt hätte der Darlehensgeber im Insolvenzfall einen normalen Anspruch und könnte zur Insolvenztabelle angemeldet werden; ggf. hätte er eine Quote erhalten. Doch Startups sind bei Insolvenz meist wertlos, sodass auch hier die Quote meist Null wäre. Wichtig für Geschäftsführer: Falls ein Wandeldarlehen ohne Rangrücktritt vereinbart wurde und es zur Überschuldung kommt, muss rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt werden – das Instrument selbst löst dann keinen Schutz aus. Außerdem dürfen in der Insolvenzreife keine Rückzahlungen an den Darlehensgeber mehr geleistet werden, sonst droht Geschäftsführerhaftung nach § 15b InsO (ehemals § 64 GmbHG). Hier zeigte das eingangs erwähnte OLG-Zweibrücken-Urteil seinen Hintergrund: Der Insolvenzverwalter hatte argumentiert, die Wandeldarlehen seien formunwirksam und daher jederzeit rückforderbar gewesen – damit wäre die GmbH überschuldet und die Rückzahlungen an die Darlehensgeber in der Krise unzulässig gewesen. Dieser Streit verdeutlicht: Nur eine saubere Gestaltung (inkl. Rangrücktritt und korrekter Form) schützt im Insolvenzfall vor zusätzlichen Problemen.
- SAFE: Ein SAFE wird wirtschaftlich wie Eigenkapitalersatz behandelt. Da kein fester Rückzahlungsanspruch besteht, gibt es aus Investorensicht eigentlich keine Forderung, die man in einer Insolvenz anmelden könnte (außer evtl. bei einem zuvor definierten Liquidationsereignis). In vielen SAFE-Verträgen findet sich allerdings eine Klausel, die bei Liquidation oder Insolvenz dem Investor einen Anspruch auf Rückgewähr seines investierten Betrags einräumt – freilich nachrangig nach den übrigen Gläubigern. Das heißt, wenn das Startup liquidiert wird, dürfte der SAFE-Investor seinen Kapitaleinsatz (nach Befriedigung der normalen Gläubiger) verlangen können, aber nur bis zur Höhe dessen, was übrig bleibt – oft bleibt nichts übrig, sodass der SAFE-Investor leer ausgeht. Durch qualifizierten Rangrücktritt (der wie erwähnt auch im SAFE- Kontext empfohlen wird) wird klargestellt, dass dieser Rückgewähranspruch wirklich erst ganz zum Schluss kommt und für Überschuldungsfragen nicht zählt. Für die Insolvenzantragspflicht bedeutet dies: Ein SAFE, das korrekt als Nachrangdarlehen gestaltet ist, belastet die Überschuldungsbilanz nicht und kann daher helfen, eine rechnerische Überschuldung zu vermeiden. Umgekehrt kann der SAFE-Investor aber die Geschäftsführung nicht wegen Überschuldung unter Druck setzen, da sein Kapital wie Eigenkapital behandelt wird. Bei Zahlungsunfähigkeit (Liquiditätsnot) ändert das freilich nichts – da hilft nur frisches Geld oder Kostenreduktion. Zusammengefasst: Im Insolvenzfall steht ein SAFE dem Eigenkapital sehr nahe – das Geld ist in der Regel verloren, und es besteht kein Gläubigerstatus wie bei einem normalen Darlehen.
- Direkte Eigenkapitalinvestition: Hier liegt der Fall klar: Wer als Investor bereits Gesellschafter ist, hat im Insolvenzverfahren keine Forderung, sondern allenfalls einen Anteil am Liquidationsrest. In der Insolvenz werden Gesellschafter in der Regel nicht bedient, bis alle Gläubiger 100% bekommen haben – eine Konstellation, die praktisch nie eintritt. Das Investment ist daher verloren. Dieser Totalverlust entspricht aber dem typischen Risiko eines Eigenkapitalgebers (High Risk, High Reward). Positiv zu erwähnen: Eigenkapital kann nie eine insolvenzauslösende Überschuldung im bilanzrechtlichen Sinne verursachen, da es per Definition kein Fremdkapital ist. Im Gegenteil, eine Kapitalerhöhung kann ein Mittel sein, eine drohende Insolvenz abzuwenden (durch Erhöhung des Eigenkapitals). Für die Geschäftsführer entfällt die Problematik, Darlehensverbindlichkeiten managen zu müssen – es gibt schlicht keine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Investor. Allerdings kommen hier andere Pflichten ins Spiel: z.B. das Stammkapital darf nicht an Gesellschafter ausgezahlt werden (sonst Verstoß gegen Kapitalerhaltungsregeln), und in der Krise könnten eingelegte Gesellschafterdarlehen nach § 39 InsO nachrangig sein und Rückzahlungen an Gesellschafter nach § 135 InsO anfechtbar. Diese Themen betreffen aber eher bestehende Gesellschafterdarlehen. Ein reiner Eigenkapitalgeber kann im Gegensatz zum Darlehensgeber nicht klagen, um sein Geld zurückzubekommen – er ist voll auf den Unternehmenserfolg angewiesen.
Zwischenfazit: Aus Insolvenzsicht sind SAFE und (subordinierte) Wandeldarlehen für das Startup deutlich schonender als normale Kredite. Sie fungieren als Haftkapital, das Verluste abfedert. Aus Investorensicht sollte man sich der Rangfolge bewusst sein: Bis zur Wandlung hat man mit einem Wandeldarlehen nur dann echte Sicherheit, wenn man theoretisch als normaler Gläubiger auftreten könnte – was man aber durch Rangrücktritt freiwillig aufgibt. Beim SAFE hat man von vornherein kaum Rechte im Insolvenzverfahren. Letztlich unterscheiden sich SAFE-Investor und Wandeldarlehensgeber (mit Nachrang) hier kaum von einem Equity-Investor: Geht das Unternehmen pleite, ist das Investment in fast allen Fällen weg. Der große Unterschied liegt in der Zeit vor einer Insolvenz: Ein nicht-nachrangiges Wandeldarlehen könnte rein theoretisch früher Druck erzeugen oder Ansprüche stellen, wo SAFE und Equity noch stillhalten müssten. Insofern wirken SAFE und nachrangige Wandel-Darlehen wie ein Puffer für Startups in der Krise – sie verlängern den Atem, da diese Investoren nicht sofort Sturm laufen können, wenn es eng wird.
Notar- und Transaktionskosten im Vergleich
Kosten und Aufwand sind bei der Wahl des Finanzierungsinstruments ebenfalls wichtige Überlegungen – besonders für knappe Startup-Budgets:
- Wandeldarlehen und SAFE – kostengünstiger Start: Die initialen Kosten für ein Wandeldarlehen oder SAFE sind relativ gering. Notarkosten entfallen zunächst, da der Vertrag formfrei (privatschriftlich) geschlossen werden kann. Auch Registergebühren entstehen nicht, da keine sofortige Änderung im Handelsregister erfolgt. Die Hauptkosten liegen in der Vertragsvorbereitung: Hier sollte man zwar einen Anwalt hinzuziehen, um ein solides Vertragswerk zu haben, doch der Umfang (und damit die Kosten) sind deutlich geringer als bei einem voll ausverhandelten Beteiligungsvertrag. Oft basieren Wandeldarlehensverträge auf erprobten Mustern, die mit überschaubarem Aufwand angepasst werden können. Einige Gründer greifen – trotz Warnungen – sogar auf kostenlose Online-Muster zurück. Doch Vorsicht: Wie oben dargelegt, können scheinbar kleine Klauseln große Wirkung (bis hin zur Nichtigkeit) haben. Die Ersparnis an anwaltlichen Kosten sollte also gegen das Risiko abgewogen werden. Insgesamt ermöglichen SAFE und Convertible aber eine schnelle und schlanke Abwicklung: Von der Einigung über die Konditionen bis zur Auszahlung vergehen mitunter nur wenige Tage, da formale Hürden fehlen.
- Kapitalerhöhung – formaler Prozess mit Gebühren: Die klassische Eigenkapitalrunde zieht unweigerlich Notarkosten nach sich. Diese sind in Deutschland gesetzlich festgelegt (GNotKG) und richten sich nach dem Geschäftswert, also grob der Investmenthöhe. Bei z.B. 1 Mio € Investment könnten Notar- und Registerkosten in einer Größenordnung von vielleicht 1.500–3.000 € anfallen (je nach Aufwand, Entwurfskosten etc.). Dazu kommt, dass häufig jeder Gesellschafterbeschluss in der GmbH, der Änderungen am Gesellschaftsvertrag beinhaltet, beurkundet werden muss. Im Kontext einer VC-Runde sind das mitunter mehrere Urkunden: die Kapitalerhöhung an sich, Satzungsänderungen (neue Anteilsklassen, ggf. Änderungen bei Geschäftsführerzustimmungen), und manchmal auch Zustimmungen oder Verzichtserklärungen (z.B. Verzicht auf Bezugsrechte der Altgesellschafter, falls der Investor exklusiv Anteile bekommt). Jeder dieser Punkte wird in der Notarversammlung protokolliert. Hinzu kommen Anwaltskosten für die Verhandlung und Erstellung des Beteiligungsvertrags und der neuen Satzung – je nach Komplexität und Verhandlungsrunden können diese Kosten höher ausfallen als der Notar. Aus Gründerperspektive ist das eine erhebliche Vorabinvestition: Ein Teil des eingeworbenen Kapitals fließt sofort in Transaktionsnebenkosten ab. Große Investoren bestehen aber verständlicherweise auf einer rechtssicheren Durchführung, sodass an diesen Ausgaben kein Weg vorbeiführt.
- Umgang mit Folgekosten: Wichtig zu verstehen ist, dass Wandeldarlehen und SAFEs die formellen Kosten nicht aufheben, sondern aufschieben. Kommt es später zur Wandlung, muss dann die notarielle Kapitalerhöhung nachgeholt werden, mit ähnlichen Kosten. Allerdings lässt sich dies oft kombinieren: Beispielsweise wird bei einer Series-A-Runde nicht nur frisches Kapital gegen neue Anteile gezeichnet, sondern gleichzeitig per Beschluss auch alle Wandeldarlehen/SAFEs gewandelt. Der Notar kann dies in einem Aufwasch beurkunden. Die fixen Kosten verteilen sich somit auf eine größere Transaktion. Für das Startup ist es deutlich angenehmer, die Kosten später zu tragen, wenn es dank der neuen Runde kapitalstärker ist, als in einer frühen Phase. Sollte – worst case – keine erfolgreiche Runde folgen und das Startup scheitert, erspart man sich sogar die Kosten ganz (weil dann schlicht insolvent liquidiert wird, ohne je die Wandlung vollzogen zu haben). Natürlich ist das kein erfreuliches Szenario, aber es zeigt: SAFE/Convertible sind Pay-as-you-go-Modelle, während die Equity-Finanzierung Upfront-Kosten erzeugt.
- Transaktionsdauer: Nicht zu unterschätzen ist der Zeitfaktor. Ein Notartermin erfordert Terminabstimmung (oft mehrere Wochen Vorlauf, außer man zahlt für Eilbedürftigkeit) und die Fertigstellung aller Unterlagen vorab. Dann dauert es nochmal einige Tage bis Wochen, bis die Eintragung im Handelsregister durch ist – erst dann haben Investoren rechtlich Sicherheit über ihre Gesellschafterstellung. Dagegen kann ein Wandeldarlehen quasi über Nacht geschlossen werden, wenn sich beide Seiten einig sind – Geldfluss per Online-Überweisung, fertig. Für ein junges Unternehmen in Finanznot kann dieser Zeitunterschied überlebenswichtig sein.
- Notarielle Beurkundungspflicht umgehen?: Wie im Abschnitt Wandeldarlehen erörtert, versuchen manche Akteure bewusst, die notarielle Form zu umgehen, um Kosten zu sparen. Solche Abkürzungen sind riskant. Stattdessen kann man überlegen, digitale Notartermine zu nutzen (seit 2022 sind Online-Beurkundungen in bestimmten Fällen möglich), um zumindest Reiseaufwand zu minimieren. Außerdem kann man Strukturen wählen wie z.B. Einbringung einer UG in eine AG, um später leichter mit genehmigtem Kapital zu arbeiten – doch das geht über Frühphasen-Themen hinaus und betrifft mehr die spätere Skalierung.
Fazit zu Kosten: Für kleine Finanzierungsbeträge lohnt sich meist kein großes „Beteiligungstheater“. Hier punkten Wandeldarlehen/SAFEs durch niedrige Initialkosten und schnelle Abwicklung. Bei großen Beträgen relativieren sich die Notarkosten prozentual, und die Vorteile direkter Equity treten in den Vordergrund. Aus Kostenperspektive kann eine Kombinationsstrategie ideal sein: Frühphasenfinanzierung über Wandeldarlehen/SAFE, um die Entwicklung zu finanzieren, dann bei ausreichendem Fortschritt eine konzentrierte Kapitalerhöhung, in der gesammelt gewandelt wird und neues Geld kommt – so fällt die notarielle Prozedur nur einmal an, aber alle Frühphaseninvestoren werden integriert.
Saubere Vertragsgestaltung – Warum rechtliche Beratung unverzichtbar ist
Egal für welches Instrument man sich entscheidet: Die vertragliche Ausgestaltung sollte mit größter Sorgfalt erfolgen. Frühphasenfinanzierungen sind zwar zeitkritisch, aber vorschnell unterschriebene Verträge können das Startup später teuer zu stehen kommen. Einige Gründe, warum juristische Beratung hier Gold wert ist:
- Wirksamkeit und Form: Wie gesehen, lauern bei Wandeldarlehen/SAFEs verschiedene Formfallen. Was nützt die beste Finanzierung, wenn der Vertrag hinterher nichtig ist und der Investor plötzlich einen normalen Rückzahlungsanspruch geltend machen kann? Ein im Internet gefundener Mustervertrag mag oberflächlich passen, aber im konkreten Fall – etwa mit individuellen Klauseln oder in Kombination mit einer Gesellschaftervereinbarung – andere Anforderungen auslösen. Die OLG-Zweibrücken-Entscheidung 2022 war ein Weckruf: Standardklauseln aus US-Mustern oder unverstandenen Vorlagen können in Deutschland fatal sein. Gründer sollten daher nie blind Klauseln übernehmen, deren Tragweite sie nicht verstehen. Besser ist es, auf erprobte Standards in Deutschland zu setzen (viele Kanzleien haben Muster, die an die hiesige Rechtsprechung angepasst sind, inkl. Hinweisen auf Form und Ablauf).
- Konfliktvermeidung durch Klarheit: Ein guter Vertrag antizipiert Was-wäre-wenn-Szenarien. Beispielsweise: Was passiert, wenn vor der Wandlung ein Insolvenzantrag gestellt werden muss? Wie werden Wandeldarlehen/SAFE bei einem Teil-Exit (Verkauf einer Geschäftseinheit) behandelt? Darf das Startup weitere Schulden aufnehmen, obwohl das SAFE läuft? Solche Punkte sollten klar geregelt sein, um späteren Streit zu vermeiden. Oft kommt es Jahre nach der Finanzierung zu Diskussionen, weil Verträge Lücken haben oder unterschiedliche Interpretationen zulassen. Etwa die Berechnung der Wandlungsquote: Wenn Diskont und Cap kombiniert werden, wie genau wird gerechnet? Wird der Zins mitgewandelt? Und was ist, wenn die nächste Runde in Tranchen passiert oder eine Wandlung teilweise erfolgen soll? Detailfragen dieser Art können komplex sein. Mit sauberer Vertragsarbeit legt man den Grundstein dafür, dass die Wandlung oder das Investment später reibungslos abläuft, ohne dass Anwälte der Parteien bei jedem Schritt neu verhandeln müssen.
- Balance der Interessen: Ein Startup-Finanzierungsvertrag sollte fair sein – er muss die berechtigten Interessen des Investors schützen, darf aber die Gründer nicht unnötig knebeln. Ohne erfahrene Beratung laufen Gründer Gefahr, z.B. in einem SAFE übermäßige Rechte an Investoren zu geben (etwa Vetos, die jede künftige Finanzierung blockieren könnten) oder ungünstige Caps zu setzen. Umgekehrt muss ein Investor darauf achten, dass er im Wandeldarlehen nicht schlechter gestellt ist als später kommende Investoren. Dies erreicht man etwa durch Most-Favored-Nation-Klauseln oder Cap-Regelungen. Das Austarieren solcher Punkte erfordert Verhandlungsgeschick und Marktkenntnis: Was ist üblich im Jahr 2025? Welche Konditionen sind “marktgerecht”? Anwälte, die regelmäßig Startups und Investoren begleiten, wissen das und können so helfen, einen Deal zu strukturieren, der für beide Seiten tragbar ist – damit nicht bei der nächsten Runde Unmut aufkommt, weil ein früher Investor unverhältnismäßig bevorteilt oder benachteiligt wurde.
- Aktuelle Entwicklungen berücksichtigen: Das Rechtsgebiet ist in Bewegung. Neue Gerichtsurteile (wie das erwähnte zu Wandeldarlehen) oder auch gesetzliche Änderungen (z.B. Erleichterungen bei der Online-Beurkundung, mögliche künftige Einführung von Vorzugsgeschäftsanteilen in der GmbH, oder Änderungen im Insolvenzrecht) können große Auswirkungen haben. Ohne Rechtsbeistand laufen Gründer Gefahr, mit veraltetem Wissen zu agieren. Ein Beispiel: Lange Zeit wurde angenommen, Wandeldarlehen seien stets formfrei – bis Gerichte das in Frage stellten. Ebenso könnte irgendwann ein Gericht ein SAFE als atypische stille Beteiligung klassifizieren oder irgendeine Klausel für unwirksam erklären. Professionelle Beratung stellt sicher, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses alle relevanten Präzedenzfälle und Gesetze berücksichtigt sind. Wo Unsicherheit besteht, wird man auf Nummer sicher gehen (z.B. doch zum Notar gehen oder Klauseln anpassen).
- Spätere Investor due diligence: Bei jeder großen Finanzierungsrunde prüfen Investoren die Cap Table und die bestehenden Verträge. Wenn dabei herauskommt, dass ein früheres Wandeldarlehen oder SAFE handwerkliche Fehler hat, kann das den Deal gefährden oder zumindest Verzögerungen und Nachverhandlungen verursachen. Im schlimmsten Fall muss man alte Verträge heilen oder neu verhandeln, während eigentlich das frische Geld fließen soll. Solche Risiken vermeidet man durch eine solide Anfangsgestaltung. Außerdem: Ein strukturierter, unterschriftsreifer Vertrag macht auch beim Gegenüber (Investor oder Gründer) Eindruck und schafft Vertrauen. Es zeigt, dass man professionell agiert und an die Zukunft denkt.
Abschließend lässt sich sagen: Frühphasen-Finanzierungsinstrumente sind mächtige Werkzeuge, um Startups flexibel zum Erfolg zu verhelfen. Wandeldarlehen und SAFEs ermöglichen einen schnellen Kapitalzugang, die klassische Equity-Finanzierung bindet Investoren langfristig ein. Jedes hat seinen Platz – wenn es richtig eingesetzt wird. Für deutsche Startups im Jahr 2025 bedeutet das, sich mit den rechtlichen Feinheiten auseinanderzusetzen oder kompetente Hilfe hinzuzuziehen. Eine maßgeschneiderte Vertragsgestaltung verhindert Rechtsnachteile und Konflikte, die im Nachhinein teuer werden können. Startups sollten sich nicht vom vermeintlichen „Papierkram“ abschrecken lassen: Der Aufwand für Rechtssicherheit lohnt sich, um die mühsam erkämpfte Finanzierung auch tatsächlich voll nutzen zu können. Im Zweifel gilt: Lieber früh einen Anwalt fragen, als später vor Gericht streiten – so bleibt der Fokus dort, wo er hingehört, nämlich auf der Weiterentwicklung des Unternehmens und dem nächsten großen Meilenstein.