Als ich vor einigen Tagen mit einem Indie-Entwickler in einem Videocall saß, der gerade seinen ersten Publishing-Vertrag auf dem Tisch hatte, erinnerte mich das an meine eigenen Anfänge in der Games-Branche. Die Mischung aus Aufregung und Unsicherheit in seinen Augen kenne ich nur zu gut – sowohl als Anwalt als auch als Unternehmer. Heute möchte ich euch durch den Publishing-Dschungel führen und dabei einige der wichtigsten Learnings aus über zwei Jahrzehnten Erfahrung mit internationalen Publishing-Verträgen teilen.
Der erste Publishing-Vertrag – ein zweischneidiges Schwert
Lasst mich gleich mit einer Geschichte aus meiner Praxis einsteigen: Ein talentiertes Indie-Studio hatte ihr erstes Spiel entwickelt – eine innovative Mischung aus Roguelike und Aufbaustrategie. Als ein bekannter Publisher Interesse zeigte, waren sie überglücklich. Der erste Vertragsentwurf sah auf den ersten Blick auch gut aus. Aber wie so oft steckte der Teufel im Detail.
Was ich in meiner täglichen Arbeit immer wieder sehe: Viele Indie-Entwickler konzentrieren sich zunächst nur auf die offensichtlichen Punkte wie Revenue Share und Marketing-Budget. Dabei sind es oft ganz andere Aspekte, die später zu echten Problemen werden können:
IP-Rechte und Markennutzung
Ein besonders wichtiges Thema, bei dem ich schon viele Entwickler vor kostspieligen Fehlern bewahren konnte. Ein Beispiel aus meiner Kanzlei: Ein Studio hatte nicht bemerkt, dass der Publishing-Vertrag auch die Rechte an allen Charakteren und der Spielwelt an den Publisher übertrug. Als sie später ein Spin-off entwickeln wollten, mussten sie praktisch ihre eigenen Kreationen lizenzieren.
Was ihr unbedingt beachten solltet:
– Klare Abgrenzung zwischen Publishing-Rechten und IP-Eigentum
– Detaillierte Regelungen zur Markennutzung
– Eindeutige Vereinbarungen zu Merchandising-Rechten
– Regelungen für Sequels und Spin-offs
Die Update-Falle
Eine Situation, die mir letztens erst wieder begegnet ist: Ein Indie-Studio hatte sich vertraglich verpflichtet, “regelmäßige Updates” zu liefern. Was zunächst harmlos klang, wurde zum Problem, als der Publisher begann, monatliche Content-Updates einzufordern – ohne zusätzliche Vergütung. Meine Empfehlung daher:
– Definiert präzise, was unter “Updates” zu verstehen ist
– Legt Umfang und Häufigkeit von Updates fest
– Regelt die Vergütung für Post-Launch-Content
– Plant Ressourcen für die Nach-Release-Phase ein
Die Marketing-Verpflichtungen
Ein Thema, das mir in meiner Praxis besonders häufig begegnet: Marketing-Zusagen von Publishern, die sich später als Luftschlösser erweisen. Erst letzte Woche saß ein Entwickler bei mir, dessen Publisher zwar “umfangreiche Marketing-Maßnahmen” versprochen, aber nicht spezifiziert hatte. Das Ergebnis? Ein paar Social Media Posts und eine versteckte Erwähnung im Newsletter.
Meine konkreten Empfehlungen hierzu:
– Lasst Marketing-Budgets konkret festschreiben
– Definiert Mindest-Marketing-Aktivitäten
– Vereinbart Berichtspflichten über durchgeführte Maßnahmen
– Sichert euch Mitspracherechte bei der Marketing-Ausrichtung
Lokalisierung und kulturelle Anpassung
Ein oft unterschätzter Aspekt, bei dem ich schon viele Entwickler beraten habe: Die Lokalisierung geht weit über simple Übersetzungen hinaus. Ein Beispiel aus meiner Praxis: Ein Story-basiertes Indie-Game musste für den asiatischen Markt inhaltlich stark angepasst werden, was erhebliche zusätzliche Kosten verursachte – Kosten, die im Publishing-Vertrag nicht berücksichtigt waren.
Wichtige Punkte für die vertragliche Regelung:
– Klare Definition der Zielmärkte
– Festlegung der Verantwortlichkeit für Lokalisierungskosten
– Regelungen zur kulturellen Anpassung
– Abstimmungsprozesse für marktspezifische Änderungen
Der Exit-Plan
Als Unternehmer und langjähriger Berater in der Games-Branche weiß ich: Manchmal müssen auch unangenehme Szenarien durchdacht werden. Gerade in der aktuellen Marktlage, wo selbst etablierte Publisher in Schwierigkeiten geraten können, ist ein solider Exit-Plan im Publishing-Vertrag Gold wert.
Ein Beispiel aus meiner Kanzlei verdeutlicht dies besonders gut: Ein vielversprechendes Indie-Studio hatte einen Publishing-Deal mit einem mittelgroßen Publisher abgeschlossen. Als dieser in finanzielle Schieflage geriet, drohte das komplette Projekt zu scheitern. Dank der von uns implementierten Vertragsklauseln konnte das Studio nicht nur die Rechte problemlos zurückerhalten, sondern auch bereits geleistete Marketing-Materialien und wichtige Kontakte zu Plattformen weiterverwenden.
Was viele Entwickler nicht bedenken: Ein Exit-Plan muss nicht nur finanzielle Notlagen abdecken. Ich erlebe in meiner Praxis regelmäßig Fälle, wo kreative Differenzen, verschobene Unternehmensstrategien oder sogar simple Vernachlässigung durch den Publisher zum Problem werden. Die Gaming-Branche ist schnelllebig, und was heute als solide Partnerschaft erscheint, kann morgen schon vor unerwarteten Herausforderungen stehen. Besonders bei internationalen Publishing-Verträgen zeigt sich immer wieder, wie wichtig durchdachte Exit-Strategien sind.
Ein solider Exit-Plan sollte daher mindestens folgende Punkte umfassen:
– Klare Trigger-Events für Ausstiegsrechte
– Präzise Definition der zurückfallenden Rechte
– Regelungen zur Übergabe von Marketing-Materialien und Kontakten
– Festlegung der finanziellen Ausgleichszahlungen
– Übergangsregelungen für laufende Kampagnen
– Schutz vor nachträglichen Regressforderungen
Praktische Tipps für die Verhandlung
Nach über 20 Jahren Erfahrung in der Games-Branche hier meine wichtigsten Verhandlungstipps:
1. Macht eure Hausaufgaben
– Recherchiert den Publisher gründlich
– Sprecht mit anderen Entwicklern
– Prüft die Marktperformance vergleichbarer Spiele
– Analysiert die Publishing-Pipeline
2. Definiert eure Grenzen
– Was sind eure “Deal Breaker”?
– Welche Rechte müsst ihr behalten?
– Wie viel kreative Kontrolle braucht ihr?
– Welche finanziellen Mindestbedingungen sind notwendig?
3. Plant langfristig
– Denkt an zukünftige Plattformen
– Berücksichtigt potenzielle Sequels
– Plant Merchandise-Rechte ein
– Behaltet neue Monetarisierungsmöglichkeiten im Blick
Fazit
Als Anwalt, der selbst aus der Gaming-Szene kommt, kann ich nur betonen: Ein Publishing-Vertrag ist keine lästige Formalität, sondern das Fundament eurer Zusammenarbeit mit dem Publisher. Er sollte sowohl eure kreativen als auch wirtschaftlichen Interessen schützen, ohne dabei die praktische Umsetzbarkeit aus den Augen zu verlieren.
Braucht ihr Unterstützung bei der Verhandlung eures Publishing-Vertrags? Als Anwalt mit eigener Gaming-Erfahrung verstehe ich nicht nur die rechtliche Seite, sondern auch eure Vision als Entwickler. Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass euer Spiel den Erfolg bekommt, den es verdient.