Gestern hatte ich zugesagt, einen kurzen Beitrag zum Thema einer zivilrechtlichen bzw. arbeitsrechtlichen Haftung für Cheating und Exploiting im Esport nachzureichen.
Der Artikel sollte als Ergänzung zu meinem Artikel bzgl. Toxic Behaviour (siehe hier) und zu den juristischen Fragestellungen rund um das Matchfixing (siehe hier) gesehen werden.
Achtung
Aber Achtung. Das gesamte Thema Esport ist bereits nur absolut marginal bei Gerichten vertreten. Insofern sind sichere Aussage nur sehr schwer möglich. Hinzu kommt, dass das Thema Cheating im Esport nur sehr schwer mit “normalen” Sport vergleichbar ist und man daher vorsichtig sein muss, Parallelen zu ziehen.
Verträge
Im Prinzip ist vieles vergleichbar mit dem Thema Toxic Behavior, denn letzten Endes ist Cheating auch im gewissen Sinne ist als Toxic Behaviour zu qualifizieren. Es kann PR-Probleme ebenso zur Folge haben, wie großen finanziellen Schaden hervorrufen. Dass es in aller Regel auch das Ende der eigenen Karriere ist, dürfte zudem klar sein. Insofern sollten sowohl Teams als auch Turnier/Ligenveranstalter klar regeln, was die Folgen von Cheating sind. Infrage kommen hier Suspendieren, aber auch das Recht zu einer fristlosen Kündigung. Für Turnier- und Ligenbetreiber stellt sich die Frage, was mit eventuellen Preisgeldern passiert, aber auch, ob beispielsweise der Umstand, dass ein Spieler betrügt, dazu führt, dass ein ganzes Team vom weiteren Spielen ausgeschlossen wird bzw. vertraglich ausgeschlossen werden kann.
Besonders relevant sind hier klare Regelungen in den Turnierbedingungen und die Fragen der Beweislastverteilung für den Fall, dass der Vorwurf des Cheatens strittig ist. Hierzu hat in einem von mir vertretenen Verfahren das Amtsgericht Neukölln gerade erst entschieden (siehe diesen Artikel). Auch wenn es in dem Fall nur indirekt um Esport ging, nämlich um Turnierwertungen in World of Warcraft, so sind die Ausführungen des Gerichts durchaus relevant. Letztens Endes werden sowohl bei Fragen von Turnierverträgen als auch bei Arbeitsverträgen relevant sein, dass
- Der Vorwurf beweisbar ist
und
2. Eine Abwägung stattfindet, wie schwer der Cheatingvorfall ist und somit ob dieser zu einer vollständigen Sperrung führen darf, eventuell nur ein Spiel als verloren gezählt wird oder andere Konsequenzen folgen.
Gerade im Arbeitsrecht dürfte die Abwägung und das sonstige Verhalten des Spieler/Arbeitnehmers relevant für die Frage sein, ob eine sofortige Kündigung möglich ist oder ob Gericht eine Abmahnung als ausreichend ansehen.
Cheaten und Arbeitsrecht?
Eine interessante Frage im Bereich Cheaten stellt sich durchaus auch im Arbeitsrecht. Darf man als Arbeitgeber danach fragen, ob ein Spieler bereits einmal wegen Cheatens aufgefallen ist? Da das Cheaten wohl essenziell für den Arbeitgeber ist, kann dies durchaus mit “Ja” beantwortet werden. Das ist aber wohl nur der Fall, wenn tatsächlich jemand beweiskräftig, unter Umständen sogar Gerichtlich, überführt wurde. Hat eine nicht-staatliche Organisation ein Verstoß nur behauptet und bestreitet der Spieler den Verstoß beispielsweise, könnte man durchaus die Ansicht vertreten, dass ein Spieler in einem Bewerbungsgespräch zu dem Thema lügen dürfte.
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich z.B. einmal mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Arbeitgeber einen Stellenbewerber nach eingestellte Ermittlungsverfahren im Sinne der §§ 153 ff. StPO befragen darf. Die Richter verneinen dieses Recht mit Blick auf § 53 Bundeszentralregistergesetz. Die Wertentscheidung in diesem Paragrafen macht deutlich, dass lediglich die dort genannten Verurteilungen zu offenbaren sind.
Stellt der das Team die Frage trotzdem, darf der Spieler darauf wahrheitswidrig antworten. Die Organisation als Arbeitgeber darf sich anschließend nicht von dem Spieler trennen, weil dieser nicht die Wahrheit gesagt hat.
Daran anschließend stellt sich die Frage, ob ein Arbeitgeber einen Spieler z.B. überwachen darf, beispielsweise wenn dieser in einem Leistungszentrum der Organisation trainiert. Dies wäre wohl mit dem Rechtsfragen vergleichbar, die sich in klassischen Berufen mit Dingen wie einer Kameraüberwachung vergleichen lassen.
Eine verdeckte Überwachung ist dabei grundsätzlich nicht erlaubt, denn das wäre ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Spielers. Die Ausnahmen sind sehr eng begrenzt, z.B. wenn eine Kamera zur Aufklärung einer Straftat beitragen kann. Da aber die Überwachung auch von PCs des Teams selber sehr problematisch ist, zumindest ohne absolut rechtssichere Betriebsvereinbarung, sollten hier Handlungen durch die Organisation als Arbeitgeber (oder auch als Auftraggeber im Rahmen von Vermarktungsverträgen) nie ohne anwaltlicher Beratung erfolgen. Sofern eine solche existiert, wären bei derartigen Maßnahmen auch Arbeitnehmervereinigungen im Unternehmen mit “ins Boot” zu holen.
Strafrechtliche Konsequenzen?
Solange Esport (oder einzelne Esport Titel) nicht als Sport anerkannt sind, sind im Prinzip die § 256c StGB, § 265d StGB und § 265e StGB nicht direkt anwendbar. Da sich eine analoge Anwendung im Strafrecht verbietet, wären nur allgemeine Straftatbestände wie der Betrug denkbar. Cheatet also jemand bei einem Spiel bzw. in einem Turnier und findet deswegen eine Vermögensverfügung zum Vorteil des Cheaters und zum Nachteil eines Dritten statt, wäre durchaus an den Betrugstatbestand zu denken.
Aufgabe der Branche und Verbände
Übrigens wird sich natürlich auch die Branche, Turnierveranstalter und Verbände in Zukunft dem Thema ernsthaft widmen müssen, denn wenn Cheatingvorfälle zu oft vorkommen, werden unter Umständen nicht nur Sponsoren ihr Engagement überdenken, sondern das Thema auch Teil der politischen Debatte sein, wie dies auch mit dem Doping im regulären Sport der Fall ist. Hier dürfte wohl die “Esports Integrity Commission” ganz an vorderster Front stehen.
Folgen des Cheatens! Schadensersatz?
Natürlich stellen sich, ebenso wie bei den anderen toxischen Verhalten, die Frage, ob durch das Cheaten auch Schadensersatzansprüche von Sponsoren, der Esport-Organisation oder anderen Mitspielern im Team folgen können. Bei Arbeitnehmern ist es besonders relevant, das die Pflichten und die Nebenpflichten im Vertrag geregelt sind. Verletzt ein Arbeitnehmer nämlich seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag schuldhaft und verursacht er dadurch einen Schaden beim Arbeitgeber, haftet er hierfür. Ein Verhalten ist schuldhaft, wenn entweder Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegen. Der Arbeitgeber muss allerdings die Pflichtverletzung und den Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers nach § 619a BGB beweisen
Sind die Spieler mit Vermarktungsverträgen an die Organisation gebunden, soweit dies überhaupt möglich ist, kann die Schadensersatzpflicht sogar noch größer sein. Denkbar sind dann beispielsweise auch Ansprüche durch Mitspieler, die durch den cheatenden Spieler geschädigt werden, z.B. weil diese ebenfalls keinen Turniergewinn erhalten oder unnötige Reisekosten aufwenden mussten. Je nach Ausgestaltung des Teams kommt auch eine Haftung der “Team-GbR” gegen den Spieler in Betracht. Auch Sponsoren könnten Ansprüche gegen den Spieler im Rahmen von Sponsoringverträgen geltend machen. Natürlich sind derartige Ansprüche nur möglich, wenn nicht die gesamte Organisation oder die anderen Spieler ebenfalls Kenntnis vom Cheaten bzw. vom Versuch des Cheatens hatten.
Fragen?
Wie immer, kann ein derartiger Blogpost nur eine grobe Übersicht über die Probleme geben. Bei Detailfragen kann man mich gerne unverbindlich kontaktieren. Als Rechtsanwalt bin ich solchen Fällen übrigens auch umfassend zu Verschwiegenheit berechtigt bzw. sogar verpflichtet.