- Der EuGH behandelt ein Vorlageverfahren über Filesharing und Datenschutzfragen.
- Die Klägerin Mircom möchte Nutzerdaten von Telnet zur Geltendmachung von Schadensersatzforderungen anfordern.
- Es wird gefragt, ob das „Seeden“ im Peer-to-Peer-Netz als öffentliche Wiedergabe gilt.
- Relevante Fragen beinhalten Bagatellgrenzen und die Unbemerkbarkeit des „Seeden“ durch Nutzer.
- Ob eine Person ohne Nutzung von Urheberrechten die gleichen Rechte geltend machen kann, wird erörtert.
- Die Interessenabwägung zwischen geistigem Eigentum und Privatsphäre wird in Betracht gezogen.
- Die Rechtfertigung der Registrierung von IP-Adressen unter der DSGVO steht zur Diskussion.
Neues Vorlageverfahren des EuGH
Der EuGH wird sich in einem Vorlageverfahren mit interessanten Fragen aus dem Filesharingbereich beschäftigen, die auch Rechtsfragen in Deutschland betreffen könnten. Wie genau, bleibt abzuwarten.
Die Klägerin Mircom aus Belgien ist Inhaberin von Verwertungsrechen an einer Reihe von pornografischen Filmen, produziert jedoch weder Pornos, noch vertreibt diese Pornos. Mircom widmet sich nur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen vermeintliche Verletzer, die diese zum Teil an die Produzenten zurücküberweist.
Um diese Ansprüche geltend zu machen, möchte Mircom Nutzerdaten des Internetanbietern Telnet herausverlangen. Weil Telnet dies verweigerte, kam es zum Prozess. Im Rahmen dieses Verfahrens kamen Fragen zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe nach Unionsrecht, Fragen aus Datenschutzrecht und Fragen aufgrund des Umstandes, dass Mircom selbst keine Videos vertreibt, auf.
Um welche Fragen geht es?
Diese Fragen soll nun der EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 98 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs klären.
1.a) Ist das Herunterladen einer Datei über ein „Peer-to-Peer“-Netz und das gleichzeitige Bereitstellen zum Hochladen („Seeden“) von (bisweilen im Verhältnis zum Ganzen sehr fragmentarischen) Teilen („Pieces“) davon als öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten, obwohl diese einzelnen „Pieces“ als solche unbrauchbar sind?
Falls ja:
b) Gibt es eine Bagatellgrenze, ab der das „Seeden“ dieser „Pieces“ eine öffentliche Wiedergabe darstellen würde?
c) Ist der Umstand relevant, dass das „Seeden“ automatisch (infolge der Einstellungen des „Torrent-Clients“) und daher vom Nutzer unbemerkt erfolgen kann?
2.a) Kann eine Person, die vertragliche Inhaberin von Urheberrechten (oder verwandten Rechten) ist, diese Rechte aber nicht selbst nutzt, sondern lediglich Schadensersatzansprüche gegen vermeintliche Verletzer geltend macht – deren Geschäftsmodell somit vom Bestehen von Produktpiraterie anstatt von deren Bekämpfung abhängt – die gleichen Rechte in Anspruch nehmen, wie sie Kapitel II der Richtlinie 2004/48 Urhebern oder Lizenznehmern zuerkennt, die Urheberrechte auf normale Art und Weise nutzen?
b) Wie kann der Lizenznehmer in diesem Fall einen „Schaden“ (im Sinne von Art. 13 der Richtlinie 2004/48) durch die Rechtsverletzung erlitten haben?
3. Sind die in den Fragen 1 und 2 erläuterten konkreten Umstände im Rahmen der Interessenabwägung zwischen der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums einerseits und der durch die Charta gewährleisteten Rechte und Freiheiten wie der Achtung des Privatlebens und des Schutzes personenbezogener Daten andererseits, insbesondere im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, relevant?
4. Ist die systematische Registrierung und allgemeine Weiterverarbeitung der IP-Adressen eines „Schwarms“ von „Seedern“ (durch den Lizenznehmer selbst und in dessen Auftrag durch einen Dritten) unter all diesen Umständen nach der Datenschutz-Grundverordnung, konkret nach deren Art. 6 Abs. 1 Buchst. f, gerechtfertigt?