Das Landgericht Köln hat vor kurzem ein spannendes Urteil zur Frage der Haftung eines Hoteliers gefällt, wenn dieser ein Fotos eines Zimmers auf einer Buchungsplattform einstellt und wenn auf diesem Foto eine urheberrechtlich geschützte Blumentapete zu sehen ist.
Das Foto des Hotelzimmers, das (u.a.) die Fototapete abbildete, ist laut dem Gerichtreine Vervielfältigung gem. § 16 Abs. 1 UrhG des auf der Tapete ersichtlichen Lichtbildes bzw. Lichtbildwerks. Die Nutzung dieser Fotografie auf Internetbuchungsplattformen sodann eine öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG. Der bloße Kauf der Fototapete (der bzgl. der Nutzung der selben im Hotelzimmer zu einer urheberrechtlichen Erschöpfung führt) enthält jedoch in Ermangelung einer vertraglichen Vereinbarung grundsätzlich weder eine (ggf. konkludent erteilte) Lizenz für die Vervielfältigung der Fototapete in Form einer Fotografie, noch für die öffentliche Zugänglichmachung. Nach dem Zweckübertragungsgedanken wedren beim Kauf nur die notwendigen Nutzungsrechte eingeräumt, wozu vorliegend nicht die Rechte zur Vervielfältigung und öffentlichen Zugänglichmachung im Internet gehören würden.
Im Streitfall stelle die Fototapete nicht nur ein unwesentliches Beiwerk gem. § 57 UrhG dar, wenn sie zentrales Element in der Zimmergestaltung und dort prominent an der rückwärtigen Wand platziert sei. Hier können Hoteliers also schnell in teure Fallen tappen, da ein “Normaldenkender” Mensch wohl auf dieses Problem nicht gekommen wäre. Dabei gibt es ähnliche Probleme auch in andern Fällen, beispielsweise bei Fotos von Geschäftsräumen, an deren Wänden bekannte, urheberrechtlich geschützte, Fotos hängen und dann auf den Fotos der Räumen klar und deutlich zu erkennen sind.
Das Gericht dazu:
Nach § 57 UrhG ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von Werken zulässig, wenn sie als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind. Die Bestimmung erfasst auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19 a UrhG (BGH, GRUR 2015, 667, 668, Rn. 15 – Möbelkatalog). Die Frage, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk gemäß § 57 UrhG lediglich als unwesentliches Beiwerk in Bezug auf den eigentlichen Nutzungsgegenstand anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsbetrachters zu beantworten. Daraus ergibt sich, dass für die Qualifizierung eines Werkes als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG der Äußerungszusammenhang maßgeblich ist, der vom Durchschnittsbetrachter nach den Umständen unschwer als Ganzes wahrgenommen und beurteilt werden kann. Dabei sind die Besonderheiten des Mediums zu berücksichtigen, in dem das urheberrechtlich geschützte Werk benutzt wird. Da die Bewertung als unwesentliches Beiwerk im Sinne von § 57 UrhG die Beurteilung des inhaltlichen Zusammenhangs zwischen dem Werk und dem Hauptgegenstand voraussetzt, hängt der Umfang des Gegenstands einer einheitlichen Beurteilung des Durchschnittsbetrachters außerdem davon ab, ob und inwieweit im Einzelfall inhaltliche Bezüge den Aussagegehalt des Gegenstands der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe bestimmen (BGH, GRUR 2015, 667, 668, Rn. 22 – Möbelkatalog).
Für die Bejahung der Schutzschranke des § 57 UrhG reicht es nicht aus, dass das urheberrechtlich geschützte Werk aus Sicht des objektiven Betrachters in Bezug auf den Hauptgegenstand der Verwertung im Hintergrund steht. Nach dem Wortlaut der Schrankenbestimmung ist vielmehr weitergehend erforderlich, dass das Werk im Verhältnis zum Hauptgegenstand der Wiedergabe unwesentlich ist. Von einer Unwesentlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn das Werk weggelassen oder ausgetauscht werden könnte, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele oder ohne dass die Gesamtwirkung des Hauptgegenstands in irgendeiner Weise beeinflusst wird. Aber auch ein bei der Betrachtung des Hauptgegenstands der Verwertung vom Betrachter als solches tatsächlich wahrgenommenes Werk kann als unwesentliches Beiwerk anzusehen sein, wenn ihm nach den Umständen des Einzelfalls keine noch so geringfügige inhaltliche Beziehung zum Hauptgegenstand der Verwertung zuzubilligen ist, sondern es durch seine Zufälligkeit und Beliebigkeit für diesen ohne jede Bedeutung ist. Hierzu reicht eine bloß untergeordnete Beziehung nicht aus. Bei der gebotenen engen Auslegung der Schrankenbestimmung ist unwesentlich im Sinne von § 57 UrhG vielmehr nur ein Werk, das neben dem Gegenstand der eigentlichen Verwertung selbst eine geringe oder nebensächliche Bedeutung nicht erreicht.
Eine derart untergeordnete Bedeutung kann dem mitverwerteten Werk regelmäßig nicht mehr zugewiesen werden, sobald es erkennbar stil- oder stimmungsbildend oder eine bestimmte Wirkung oder Aussage unterstreichend in den eigentlichen Gegenstand der Verwertung einbezogen wird, einen dramaturgischen Zweck erfüllt oder sonst charakteristisch ist (BGH, GRUR 2015, 667, 670, Rn. 27 – Möbelkatalog). bb) In Anwendung dieser Grundsätze können die streitgegenständlichen Fotografien vorliegend in ihrer konkreten Verwendung nicht als unwesentliches Beiwerk des Gästezimmers angesehen werden. Vielmehr werden die streitgegenständlichen Fotografien erkennbar stimmungsbildend für das beworbene Gästezimmer verwendet. Die Fotos sind zentrales Element in der Zimmergestaltung und dort prominent an der rückwärtigen Wand platziert, die den wesentlichen Teil des zu Werbezwecken ins Internet eingestellten Lichtbildes ausmacht.
Die Fototapete mit den darauf großflächig abgebildeten Fotos des Klägers kann auch nicht weggelassen oder ausgetauscht werden, ohne dass dies dem durchschnittlichen Betrachter auffiele (BGH, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 177/13 – Möbelkatalog, Rn. 27, juris). Dies zeigt augenfällig schon die vom Kläger vorgenommene Gegenüberstellung des Zimmers der Beklagten mit der Fototapete und des weiteren Zimmers ohne eine Fototapete mit nur weiß gestrichenen Wänden (Seite 11 und 12 des Schriftsatzes vom 25.03.2022, Bl. 199 f. der Akte). Die Wand mit der Fototapete zieht das Auge des Betrachters an, was bei der weißen Tapete nicht der Fall ist. Die Tapete mit den Tulpenmotiven wird vielmehr vom Betrachter als zum Gesamtkonzept gehörig wahrgenommen (vergleiche dazu BGH, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 177/13 –, Rn. 31, juris), nach dem das Zimmer gestaltet ist.
Das Urteil findet man hier (Landgericht Köln, 14 O 350/21 (nrw.de)). Ich benutze die Bilder hier auf dem Blog lieber nicht 😉