Einleitung
Als Rechtsanwalt mit einem Fokus außerhalb des Steuerrechts finde ich es dennoch wichtig, relevante Rechtsfragen, die Unternehmen betreffen, zu thematisieren. Die umsatzsteuerliche Behandlung von Aufsichtsräten stellt eine solche Frage dar. Sie ist von Bedeutung für viele meiner Leser, da sie wesentliche Implikationen für die Unternehmenspraxis hat. Die jüngsten Urteile in diesem Bereich bieten wichtige Einblicke in die aktuelle Rechtslage.
Rechtslage zur Umsatzsteuerpflicht von Aufsichtsräten
Die umsatzsteuerliche Behandlung von Aufsichtsräten, insbesondere die Frage, ob ihre Tätigkeit als unternehmerisch anzusehen ist, war lange Zeit Gegenstand juristischer Diskussionen. Die Finanzverwaltung nahm an, dass Aufsichtsräte ab einem variablen Vergütungsanteil von mindestens 10 % der Gesamtvergütung als selbstständig und unternehmerisch tätig zu betrachten sind. Diese Auffassung und insbesondere die Festlegung einer quantitativen Grenze wurden jedoch in der juristischen Praxis hinterfragt.
Entscheidung des Finanzgerichts Köln
Das Finanzgericht Köln hat in seinem Urteil vom 15. November 2023 (9 K 1068/22) zu dieser Thematik Stellung genommen. Im betreffenden Fall erhielt der Kläger, der Aufsichtsratsvorsitzender mehrerer Aktiengesellschaften war, Sitzungsgelder, die über 10 % seiner Gesamtvergütung ausmachten. Das Finanzamt sah ihn als unternehmerisch tätig an. Das Gericht urteilte jedoch, dass die sitzungsabhängige Vergütung allein nicht ausreichend ist, um ein wirtschaftliches Risiko zu begründen, das eine unternehmerische Tätigkeit charakterisiert.
In einem parallelen Fall urteilte der Europäische Gerichtshof am 21. Dezember 2023 (C-288/22, Rs. TP) über die Tätigkeit eines Verwaltungsratsmitglieds luxemburgischer Aktiengesellschaften. Der EuGH entschied, dass keine Unternehmereigenschaft vorliegt, da kein wirtschaftliches Risiko für den Kläger bestand, insbesondere da die erfolgsabhängigen Tantiemen kein konkretes Gewinn- und Verlustrisiko für den Kläger darstellten.
Juristische Bewertung und Auswirkungen
Die aktuellen Urteile des Finanzgerichts Köln und des Europäischen Gerichtshofs tragen zur Klärung bei, wie Aufsichtsratstätigkeiten umsatzsteuerlich zu behandeln sind, insbesondere in der Unterscheidung zwischen unternehmerischer und nicht-unternehmerischer Tätigkeit. Diese Entscheidungen haben bedeutende Implikationen: Während sie für einige Aufsichtsräte, die als unternehmerisch tätig eingestuft werden, den Vorsteuerabzug ermöglichen, könnten sie für andere, deren Tätigkeit als nicht-unternehmerisch angesehen wird, zu einer zusätzlichen finanziellen Belastung führen, da die Umsatzsteuer für Unternehmen ohne Vorsteuerabzugsberechtigung einen Kostenfaktor darstellt