Als Rechtsanwalt für IT-Recht und Vertragsrecht erstelle ich regelmäßig AGB für verschiedene SaaS-Anbieter, Dienste und Onlineshops. Gerade bei Onlineshops fällt mir immer wieder auf, dass in den AGB direkt oder indirekt geregelt wird, dass eine Zahlung als Vorschuss erfolgen soll (sei es per Kreditkarte, PayPal oder andere Zahlungsmethoden). An anderer Stelle in den AGB wird jedoch, aufgrund des Problems der “invitatio ad offerendum”, festgelegt, dass der Vertragsschluss angeblich erst mit Zusendung der Ware erfolgt. Diese widersprüchliche Regelung führt zu einer Benachteiligung der Verbraucher, da sie bereits vor Vertragsschluss in Vorleistung gehen müssen, ohne die Sicherheit zu haben, dass der Vertrag auch tatsächlich zustande kommt und die Ware geliefert wird.
OLG Nürnberg: Vorkasse-Regelung ohne Kaufvertrag ist unwirksam
In der Vergangenheit habe ich solche Regelungen für unzulässig gehalten, dennoch halten sie sich hartnäckig in vielen AGB von Onlineshops. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat meine Einschätzung nun in seinem Urteil vom 30.01.2024 (Az. 3 U 1594/23) bestätigt. Es entschied, dass eine Klausel in den AGB eines Onlineshops, die besagt, dass der Vertragsschluss erst mit Zusendung der Ware erfolgt, während an anderer Stelle eine Vorauszahlung gefordert wird, unwirksam ist. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass eine solche Klausel den Verbraucher unangemessen benachteiligt (§ 307 BGB). Durch die Vorauszahlungspflicht wird dem Kunden suggeriert, dass bereits ein Vertrag zustande gekommen ist. Die widersprüchliche Regelung zum Vertragsschluss führt zu einer Intransparenz und Unklarheit zu Lasten des Verbrauchers.
Grundgedanken der gesetzlichen Regelung verletzt
Das OLG Nürnberg sah in der Kombination aus Vorkasse-Abrede und spätem Vertragsschluss einen Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Demnach sollen Leistungen nur erbracht werden, wenn ein Rechtsgrund besteht. Ein Verlangen nach einer Leistung darf nur geäußert werden, wenn bereits eine wirksame rechtliche Verpflichtung begründet wurde. Der Senat führte aus: “Jedenfalls liegt der geltenden Zivilrechtsordnung das Prinzip zugrunde, dass Verträge durch einen Konsens der Parteien geschlossen werden und sich daraus die wechselseitigen Verpflichtungen ergeben (§ 311 Abs. 1 BGB). Umgekehrt ist nicht geschuldeten Leistungen immanent, dass sie nicht erbracht werden müssen; die Rechtsordnung kennt auch keine Fälle, in denen vorgesehen ist, dass solche Leistungen (obwohl nicht geschuldet) erbracht werden, um den anderen zu einer Vertragsannahme zu bewegen.”Durch die Zahlungsaufforderung vor Vertragsabschluss werden Verbraucher benachteiligt, da sie bei Nichtlieferung durch den Händler zwar ihr Geld zurückverlangen, nicht aber auf der Lieferung bestehen oder Schadensersatz fordern können. Sie müssen das gezahlte Geld über einen längeren Zeitraum entbehren, ohne sicher zu sein, dass die Ware geliefert wird. Im Hinblick auf ihre Erfüllungs- und Ersatzansprüche sind sie weitgehend schutzlos gestellt. Das Gericht betonte: “Insoweit sind die Auswirkungen der Regelung in Nr. 1 der AGB bei der Option ‘Vorkasse’ wesentlich gewichtiger als in den anderen Fällen. Der Kunde, der bei Wahl der ‘Vorkasse’ typischerweise ohnehin finanziell schlecht aufgestellt sein wird, muss über einen Zeitraum von rund 2 Wochen die Liquidität entbehren, ohne Gewissheit zu haben, die Ware geliefert zu bekommen.”
Folgen für Onlineshop-Betreiber: AGB und Systeme anpassen
Dieses Urteil hat weitreichende Folgen für Betreiber von Onlineshops. Es ist nun erforderlich, die AGB dahingehend zu überarbeiten, dass der Zeitpunkt des Vertragsschlusses eindeutig und transparent geregelt wird. Eine Vorauszahlungspflicht darf nicht im Widerspruch zum Vertragsschluss stehen. Zudem müssen die Lieferfristen konkret angegeben werden, damit der Verbraucher erkennen kann, wie lange er an sein Angebot gebunden ist und bis wann der Händler das Angebot annehmen kann. Unzulässig sind insbesondere Circa-Angaben oder Zeitspannen, die keine eindeutige Bestimmung der Annahmefrist ermöglichen.Neben der Anpassung der AGB müssen auch die ERP-Systeme und die Shopprogrammierung entsprechend angepasst werden. Der Bestellprozess und die Zahlungsabwicklung sind so zu gestalten, dass sie mit den rechtlichen Vorgaben zum Vertragsschluss im Einklang stehen. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass der Vertragsschluss vor oder spätestens mit der Zahlungsaufforderung erfolgt, um den Kunden nicht unangemessen zu benachteiligen. Auch die Kommunikation mit dem Kunden, z.B. durch Bestellbestätigungen, ist daraufhin zu überprüfen, ob sie den Eindruck erweckt, dass bereits ein Vertrag zustande gekommen ist.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Nürnberg hat erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung von AGB und Bestellprozessen im Online-Handel. Onlineshop-Betreiber sollten zeitnah ihre Vertragsbedingungen und Abläufe überprüfen und gegebenenfalls anpassen, um rechtliche Risiken zu minimieren und die Rechte der Verbraucher zu wahren.Als Rechtsanwalt für IT-Recht und Vertragsrecht empfehle ich betroffenen Onlineshop-Betreibern dringend, sich rechtlich beraten zu lassen. Eine fachkundige Überprüfung und Anpassung der AGB sowie eine Optimierung des Bestellprozesses können helfen, Abmahnungen und Klagen zu vermeiden und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen.Gerne unterstütze ich Sie dabei, Ihre AGB und Prozesse auf den aktuellen rechtlichen Stand zu bringen und an die Vorgaben des OLG Nürnberg anzupassen. Kontaktieren Sie mich unverbindlich, um Ihre Situation zu besprechen und individuelle Lösungen zu finden. Gemeinsam sorgen wir dafür, dass Ihr Onlineshop rechtskonform und kundenfreundlich aufgestellt ist.