Der u.a. für Ansprüche nach der EU-Datenschutzgrundverordnung zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Betreiber einer Internet-Suchmaschine verpflichtet ist, persönlichkeitsrechtsrelevante Suchergebnisse auszulisten.
Sachverhalt:
Der Kläger ist für verschiedene Gesellschaften, die Finanzdienstleitungen anbieten, in verantwortlicher Position tätig oder an ihnen beteiligt. Die Klägerin ist seine Lebensgefährtin und war Prokuristin einer dieser Gesellschaften. Auf der Webseite eines US-amerikanischen Unternehmens, dessen Ziel es nach eigenen Angaben ist, “durch aktive Aufklärung und Transparenz nachhaltig zur Betrugsprävention in Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen”, erschienen im Jahr 2015 mehrere Artikel, die sich kritisch mit dem Anlagemodell einzelner dieser Gesellschaften auseinandersetzten. Einer dieser Artikel war mit Fotos der Kläger bebildert. Über das Geschäftsmodell der Betreiberin der Webseite wurde seinerseits kritisch berichtet, u.a. mit dem Vorwurf, sie versuche, Unternehmen zu erpressen, indem sie zunächst negative Berichte veröffentliche und danach anbiete, gegen ein sog. Schutzgeld die Berichte zu löschen bzw. die negative Berichterstattung zu verhindern. Die Kläger machen geltend, ebenfalls erpresst worden zu sein; die Artikel enthielten im Übrigen unrichtige Tatsachenbehauptungen und unzulässige Meinungsäußerungen, die auf einem unrichtigen Tatsachenkern beruhten. Sie begehren von der Beklagten als der Verantwortlichen für die Internetsuchmaschine “Google”, es zu unterlassen, die genannten Artikel bei der Suche nach ihren Namen und den Namen verschiedener Gesellschaften in der Ergebnisliste nachzuweisen und die Fotos von ihnen als Vorschaubilder (“thumbnails”) anzuzeigen. Die Beklagte hat erklärt, die Wahrheit der in den verlinkten Inhalten aufgestellten Behauptungen nicht beurteilen zu können.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Für die Beklagte sei nicht klar erkennbar, dass die von ihr als Suchergebnis nachgewiesenen Artikel unwahre Behauptungen enthielten. Die Wiedergabe der Fotos sei wegen deren ursprünglichen Kontextes gerechtfertigt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Auslistungsbegehren weiter.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2020 (NJW 2020, 3444 = AfP 2020, 496) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Zum einen wollte er geklärt wissen, wer die Darlegungs- und Beweislast für die Behauptung trägt, die von der Suchmaschine nachgewiesene Berichterstattung sei unwahr, und ob es dem Antragsteller insoweit obliegt, sofern möglich zunächst den hierfür Verantwortlichen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen hat er gefragt, ob hinsichtlich der Vorschaubilder auch deren ursprünglicher Kontext zu berücksichtigen sei oder ob es allein auf die Darstellung der Suchmaschine ankomme.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat diese Fragen mit Urteil vom 8. Dezember 2022 (C-460/20, NJW 2023, 747 = AfP 2023, 42) beantwortet. Die Auslistung hänge nicht davon ab, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. Der Betreiber der Suchmaschine sei verpflichtet, einem Auslistungsantrag stattzugeben, wenn die eine Auslistung begehrende Person relevante und hinreichende Nachweise vorlege, die ihren Antrag zu stützen vermögen und belegen, dass die in dem aufgelisteten Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig seien oder zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig sei. Hinsichtlich der Vorschaubilder sei dem Informationswert dieser Fotos – unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann – Rechnung zu tragen.
Der Bundesgerichtshof wird nun die mündliche Verhandlung fortsetzen.